Kapitel 7

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Ihr Ausflug lag nun schon einige Tage zurück, doch das, was in diesen Stunden geschehen war, brachte Raven noch immer dazu, dämlich vor sich hin zu grinsen, wenn er daran zurück dachte.

Noch immer glaubte er, Jonaels weiche Haut unter seinen Fingern spüren zu können.

Tagelang könnte er ihn streicheln und ihm diese köstlichen Töne entlocken.

Nicht viele Engel besaßen diese Körperkunst, die man mit Tinte unter die Haut brachte, zumindest fiel es ihm nicht oft auf, aber zu Jonael passten die kunstvoll gearbeiteten Blumen und die anderen zarten Muster und Formen. Sie zu betrachten, wurde er, seit er sie zum ersten Mal sah, nicht müde.

Diesen Mann, seinen Engel, berühren zu können, war wunderschön, doch es war nichts im Vergleich zu den Empfindungen, die Jonaels Zärtlichkeiten in ihm auslösten, als auch dieser ihn streichelte. Zuerst war er noch voller Zweifel, wollte seinem Gefährten nicht damit weh tun, dass er außer sich geriet, weil dieser seine Hände auf ihn legte.

Jonael spürte es natürlich, wollte sich schon zurückziehen, als Raven ihn aufhielt. Er wollte es doch so sehr, musste sehen, dass es mit Jonael anders sein würde als jemals zuvor. Mit ihm, das spürte er ganz tief in sich, würde es nur gute Gefühle, Lust und Liebe geben. Deshalb war er es, der Jonaels Handgelenk umfasste, den anderen an sich zog und Jonaels Hand auf seiner Brust ablegte.

Sein Engel ließ ihn nicht einen Augenblick aus den Augen, seine Seele tastete immer wieder nach Ravens, um jede Regung mitzubekommen und sich zurückziehen zu können, sollte es die Situation erfordern.

Doch das war nicht nötig. Als Jonael begann, ihn zu berühren, zuerst durch den Stoff seines Oberteils, später dann seine nackte Haut, war da nichts Negatives, so als würde sein Gefährte ihn davon abschirmen. So konnte er vollkommen loslassen und genießen.

Auf diese Weise war ihm noch kein männliches Wesen nahe gekommen. Zwischen Jonael und ihm gab es keinen Zwang, keine Ängste und vor allem keine Schmerzen. Dieses Wissen setzte sich in ihm fest und wärmte ihm das Herz.

Immer wieder küssten sie sich, streichelten einander und kuschelten. Sie schienen es beide nicht eilig zu haben, es voranzutreiben, worüber Raven froh war, da er nicht sagen konnte, wie er reagieren würde, wenn sie beide nackt, erregt und zu allem bereit waren. Wäre es dann so wie jetzt oder würden ihn all die schrecklichen Erinnerungen heimsuchen, ihm alles kaputt machen?

Jonael überließ es ganz ihm, würde nichts tun, bevor Raven dazu, von sich aus, bereit war. Dass er ihn jedoch küssen und berühren konnte und von ihm berührt wurde, ohne dass Panik in ihm hoch kochte, sprach dafür, dass sie sich auf dem richtigen Weg befanden.

Jonaels Stimme riss ihn aus seinen Grübeleien.

Nur wenige Meter von ihm entfernt befand sich sein Gefährte, der neben Elyon stand. Zwischen den beiden tobten die Kinder des Kriegers herum, lachten und freuten sich ihres Lebens. Diese reine, unverstellte Freude übertrug sich auf Raven. Es war eine gute Idee, den Nachmittag mit Elyon, seiner Frau Sala, seinem Sohn Tanic und seiner Tochter Rabia zu verbringen. Die Familie ging vollkommen normal mit ihm um. Die Kleinen zeigten ihm gegenüber nicht die geringste Angst.

»Komm, ich würde dir gern diesen Stand zeigen«, sagte Jonael, streckte die Hand aus, die er sofort ergriff.

Zusammen traten sie an einen der Verkaufstische, auf denen in Leder gebundene Bücher verkauft wurden.

»Was hältst du davon, wenn ich dir eines davon schenke? Du könntest deine Gedanken, Sorgen, einfach alles hineinschreiben.«

»Das wäre vielleicht ganz gut. Würdest du es dann auch lesen?«, fragte er, nicht sicher, ob er wollte, das Jonael, der sowieso schon die Düsternis in seiner Seele sah, alles spürte, was ihn bewegte, auch noch las, was für seltsame Dinge ihm manchmal durch den Kopf gingen oder an welch schreckliche Folter er sich erinnern konnte.

The Tyrasar Chronicles II - HerzensruneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt