Kapitel 6

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Leise vor sich hin summend, stand Jonael in der Küche im Haus seines besten Freundes und dessen Gefährten und bestückte einen Picknickkorb mit all den Leckereien, die Malaikat zu bieten hatte und die Raven liebte. Dieser Tag sollte etwas ganz Besonderes sein.

Noch immer saß ihm das, was geschehen war, in den Knochen, deshalb wollte er neue Erinnerungen schaffen, die diese unschönen verdrängten. Raven brauchte das ebenso wie er, denn auch ihn ängstigte all das.

Aus diesem Grund würde er seinen Gefährten heute zu einem Platz mitnehmen, der Jonael viel bedeutete. Er lag ein ganzes Stück außerhalb der Stadt, sodass sie nur wenigen anderen Engeln begegnen würden. Auch wenn Jonael sich vor anderen seiner Art nicht fürchtete, war ihm bewusst, dass es noch einige gab, die Samael und Raven ablehnend gegenüberstanden. Ein negatives Aufeinandertreffen konnte auch er nicht ewig vermeiden, doch Jonael konnte es hinauszögern und damit Raven die Zeit geben, hier anzukommen und mental an Stärke zu gewinnen.

Sein Gefährte war in seinen Augen unendlich stark, würde alles überstehen, doch in ihm wuchs mit jedem Tag das Bedürfnis, ihn beschützen zu wollen. Alexian, mit dem er darüber sprach, versicherte ihm, dass das etwas war, das mit einem passierte, wenn man den Einen fand. Da war es egal, wie kraftvoll und wehrhaft der Gefährte auch war, wie wenig Schutz er brauchte, man tat es trotzdem. Das beruhigte Jonael, denn er wollte Raven nicht das Gefühl vermitteln, dass er ihn für schwach hielt, denn er fühlte, dass das etwas war, das dieser von sich selbst dachte. Worte und Beteuerungen halfen etwas, doch bis er es selbst wirklich glauben konnte, musste wohl noch einige Zeit vergehen.

Seine Mutter sagte immer, dass das Meiste im Leben nicht geradlinig verlief, sondern es Höhen und Tiefen gab, die man überwinden musste. Am Ende ging man gestärkt daraus hervor, egal um was es sich auch immer handelte. Er würde auf jeden Fall alles tun, um Raven zu unterstützen, ihn stärken und ihm eine Schulter zum Anlehnen bieten, wenn dieser sie brauchte.

Schritte auf der Treppe ließen ihn aufblicken. Raven kam zu ihm, ein Lächeln auf den Lippen. Er trug ein helles Hemd und eine dazu passende Hose aus Stoff, was ihm verflucht gut stand. In den Wochen seit seiner Befreiung nahm er merklich zu, war nicht mehr so beunruhigend dünn wie zu Beginn und auch die Verletzungen waren, dank des Einsatzes der Heiler, nur noch eine böse Erinnerung. Jonael freute sich schon darauf, diesen unglaublichen Körper erkunden zu können, doch bis dahin würde er sich mit seiner Nähe und den wundervollen Küssen begnügen.

»Du siehst mich gerade an wie Alexian meinen Bruder, da ist ein Funkeln in deinen Augen«, sagte er, als er vor Jonael stehen blieb und ihm seine Hände in den Nacken legte. »Ich mag es, wenn du mich so betrachtest, es fühlt sich gut an, so als wäre ich etwas Einzigartiges für dich.«

Jonael küsste den vor ihm stehenden innig, schmiegte sich an dessen Körper.

»Das bist du für mich auch. Raven, du bist alles für mich, keiner könnte je deinen Platz in meinem Herzen einnehmen.«

Sich über die vollen Lippen leckend stand Raven da, strahlte so viel Liebe aus, dass es Jonael tief in seiner Seele traf. Für jemanden wie ihn, der bis vor kurzem keine Liebe fühlen durfte, war er weit gekommen, ließ all die unterschiedlichen Emotionen zu und zeigte Jonael auf ganz natürliche Art und Weise, wie viel dieser ihm bedeutete.

»Du...das bist du auch für mich. Einen Mann wie dich gibt es wohl nur einmal auf der ganzen Welt.« Wieder versanken sie in einem Kuss, der dieses Mal jedoch von Raven ausging, der nach dieser Art der Zärtlichkeit förmlich hungerte. Jonael grinste in sich hinein, denn er würde sich für den anderen jederzeit dazu bereit erklären, ihm diese zukommen zu lassen, denn es war unvergleichlich, diesen sinnlichen Mund auf seinem zu spüren.

Etwas widerwillig löste Jonael sich von Raven, strich ihm mit dem Daumen sanft über die vom Küssen leicht geröteten Lippen.

»Wir sollten aufbrechen, schließlich wollen wir diesen Tag ausnutzen«, sagte er mit belegter Stimme. Auch wenn er ihn gerne noch stundenlang geküsst hätte, wollte er ihm doch die Schönheit dieses Reiches zeigen. Es war nun ja auch Ravens Heimat.

The Tyrasar Chronicles II - HerzensruneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt