Kapitel 25

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Wie lange er schon zusammen mit den anderen in der Bibliothek verweilte und ein Buch nach dem anderen zur Hand nahm, nur um es schon bald wieder wegzulegen, da er nichts Brauchbares herausfand, konnte er nicht sagen.

Weit vor dem Morgengrauen war er erwacht und merkte schon zu diesem Zeitpunkt, dass sich sein Blick auf die Welt, die Wahrnehmung seiner Gefühle für Jonael, verändert hatte. Deshalb stand er, nach einem letzten, gehauchten Kuss auf dessen Lippen, leise auf und verließ das Zimmer, das sie gemeinsam bewohnten.

Wäre er nicht bei ihm, dann täte er seinem Gefährten weniger weh.

Selbst jetzt, in diesem seltsamen Zustand zwischen vollkommener Kälte und bedingungsloser Liebe, in den er nun immer häufiger verfiel, setzte ihm der Gedanke zu, das er der Grund war, wieso sein Mann von Tag zu Tag immer hoffnungsloser wirkte und der Glanz aus den sonst so strahlenden Augen verschwand.

Wäre Raven er selbst, dann würde er spätestens jetzt in Tränen ausbrechen und sich schuldig fühlen, doch jetzt griff er einfach nach dem nächsten Schriftstück und begann, darin zu lesen.

Eine Tür, die krachend zuschlug, holte ihn wenig später aus seinen Gedanken.

Cebrail war aufgesprungen und stand wie ein Schutzwall vor Arias, Alexian, Samael und ihm, wobei es gerade bei den letzten beiden nicht nötig war, da sie sich sehr gut selbst verteidigen konnten und auch er kein leichtes Opfer mehr war. Aber so war der Mann, durch und durch ein Krieger, gewohnt, alles und jeden zu beschützen.

Schnelle Schritte auf der Treppe, die auf diesen Raum zuzukommen schienen, verstärkten die Anspannung, die sie alle empfanden, nur noch.

Die Tür wurde aufgerissen und sie standen einem heftig atmenden Jonael gegenüber, der aussah, als sei er um sein Leben gerannt.

Sofort war Alexian bei ihm.

»Ist etwas geschehen? Wurdest du angegriffen?«, fragte er, doch Ravens Gefährte schien ihm kaum zuzuhören.

»Ja...wir haben...ich muss...Raven«, brachte er abgehackt hervor, kam auf ihn zu und ergriff Ravens Hand.

»Was tust du?« Stirnrunzelnd sah er von Jonaels weit aufgerissenen Augen auf ihre miteinander verbundenen Hände. Alles in ihm wollte ihn dazu bringen, die Hand loszulassen, doch ein kleiner Teil seines Herzens wollte das nicht, musste ihn festhalten und diese Augenblicke genießen.

»Wir müssen...reden«, gab er immer noch schwer atmend von sich. Er wandte sich um und zog Raven hinter sich her aus dem Raum, ließ ihm keine Zeit, sich dagegen zu wehren.

Schnell war ihm klar, dass sein Mann ihn in ihr Schlafzimmer führte.

Wofür das gut sein sollte, wusste er nicht, aber er ließ den anderen machen, denn diesem vertraute er auch in diesem Zustand.

Jonael ließ sich auf der kleinen Couch nieder und zog Raven neben sich.

»Mutter und ich haben etwas herausgefunden«, begann er, als er sich etwas sammelte. »Wir haben das entdeckt, was wir suchten. Du bist so etwas wie ein Botschafter, der zwischen uns und den Dämonen Frieden schaffen kann, da er uns allen gegenüber neutral ist und nur nach logischen Gesichtspunkten abwägt und sich nicht von Gefühlen, egal ob positiven oder negativen, leiten lässt.«

»Dann ist das, was mit mir geschieht, nicht aufzuhalten. Es...es tut mir leid«, sagte Raven tonlos, ohne jede Emotion, doch in ihm zerbrach etwas. Das letzte bisschen in ihm, das etwas fühlte, begann zu verschwinden.

Jonaels Hände legten sich fest auf Ravens Wangen, zwangen ihn, den Engel vor sich anzusehen.

»Wage es nicht zu gehen! Hörst du mich?! Du gehörst mir, so wie ich dir gehöre und es gibt einen Weg, wie wir...möglicherweise...wieder vollkommen glücklich werden können. In dieser Prophezeiung hieß es, dass, wenn der Botschafter an seinen wahren Gefährten gebunden und mit ihm verbunden ist, diese Verbindung nicht zerstört wird, da sie heilig ist. Wir müssten dafür jedoch das Band vollenden.«

The Tyrasar Chronicles II - HerzensruneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt