Kapitel 18

5 2 0
                                    

Als Jonael erwachte, war es noch dunkel. Neben ihm lag Raven, der friedlich schlief.

Wenn er an die Verzweiflung dachte, die seinen Liebsten erfüllt hatten, als plötzlich alle Gefühle aus ihm verschwanden, erschauerte er noch immer. Auch ihm setzte es zu, doch er wollte für ihn stark sein.

Nachdem ihm Jonael berichtet hatte, dass es schon einmal geschehen war, war sein Gefährte noch verstörter, doch er wusste, dass es besser war, ehrlich zu sein. Nicht auszudenken, wenn er es ihm verheimlicht hätte und es auf anderem Wege herausgekommen wäre. Sein Mann vertraute ihm und so sollte es bleiben.

Shekinah hatte Raven untersucht, geprüft, ob jemand von außen auf ihn einwirkte. Einerseits war er froh darüber, dass sich dieser Verdacht nicht bestätigte, auf der anderen Seite erfüllte es ihn mit immer größerer Sorge, denn sie waren noch keinen Schritt weitergekommen.

Auch wenn er es Raven nicht zeigen wollte, er hatte große Angst, ihn zu verlieren.

Bei diesem Gedanken spürte er einen schmerzhaften Stich im Herzen. Jonael wusste, dass er das niemals überstehen würde, denn Ravens Seele und die seine bildeten eine Einheit, waren schon jetzt untrennbar miteinander verbunden. Starb der eine, würde ihm der andere gleich oder wenige Tage später folgen.

Er drehte sich etwas, lag nun auf der Seite und betrachtete diesen wunderschönen und so liebevollen Mann, hob die Hand und strich ihm eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. Raven war sein Leben, seine Welt. Ohne ihn machte nichts mehr Sinn. Wieso sollte er weiterexistieren, wenn der Grund, weshalb sein Herz schlug, für immer verschwunden war? Ja, er liebte seine Mutter, doch selbst die Zuneigung zu ihr würde ihn nicht halten.

Langsam erhob er sich, stand auf und trat ans Fenster, achtete immer darauf, keinen Lärm zu machen, denn sein Gefährte brauchte seinen Schlaf, das, was zuvor geschah, kostete ihn viel Kraft.

Mit einem liebevollen Lächeln sah er zurück zum Bett, schickte ihm noch ein wenig mehr Liebe über ihr Band.

Dann sah er hinaus in die durch den Mond und die Sterne erhellte Nacht, sah die Umrisse der Berge in der Ferne und die wenigen Engel, die sich um diese Zeit draußen aufhielten. Einige von ihnen gehörten sicher zu den Kriegern, die für ihre Sicherheit sorgten.

In letzter Zeit verstärkte sich das ungute Gefühl in Jonael, wenn er an den Konflikt mit den Dämonen dachte. Zu Beginn glaubte er noch, dass es mit Raven, seiner gemischten Herkunft, zusammenhing, schließlich wusste er, was sie ihm angetan hatten und wieder antun würden, sollten sie ihm habhaft werden. Nun konnte er das, was er fühlte, eher zuordnen.

Laut Alexians Berichten häuften sich die Sichtungen von Dämonen und deren versuchte Angriffe auf die Engelskrieger, die an ihren Grenzen stationiert waren. Jonael glaubte, dass er, aufgrund der Reinheit seiner Seele, die verstärkten negativen Schwingungen wahrnehmen konnte, die den meisten anderen verborgen blieben.

Nun kam zu all dem auch die Angst um Raven dazu. Ihn erfüllten nicht die verstärkten Fähigkeiten mit Sorge, sondern viel eher die Tatsache, dass sie nicht herausfinden konnten, warum es geschah. Ungewissheit war etwas, das Jonael noch nie ertrug.

Seufzend öffnete er das Fenster und setzte sich auf die breite Fensterbank, hing seinen Gedanken nach.

Konnte das Schicksal so grausam sein und ihm das größte Glück auf Erden schenken, nur um es ihm dann auf die grausamste Art und Weise wieder zu entreißen?

Um sich zu beruhigen, schloss er die Augen, atmete regelmäßig aus und ein und dachte an all das Gute, das mit Raven in sein Leben getreten war.

»Ist alles in Ordnung?« Eine leise Stimme, die er unter Tausenden wiedererkannt hätte, ließ ihn aufsehen. Vor ihm stand Raven, die Lider nur halb geöffnet und sah so wundervoll verschlafen aus. »Konntest du nicht schlafen?«

The Tyrasar Chronicles II - HerzensruneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt