Kapitel 14

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Vor gut einer Stunde erreichte sie eine Nachricht seiner Mutter, in der sie ihnen mitteilte, dass sie noch an diesem Nachmittag zu ihnen kommen würde.

Jonael war dankbar, dass sie es so rasch einrichten konnte, denn Raven war, obwohl er versuchte, ihm die Sorgen zu nehmen, noch immer unsicher und glaubte, dass Jonael ihm das, was geschah, doch noch vorwerfen könnte.

Doch das war nicht der Fall. Schon als Raven zum ersten Mal seine Kräfte verstärkte, war etwas in ihm erwacht und durch diese sinnlichen gemeinsamen Stunden war das noch deutlicher zutage getreten.

Sein Gefährte verfügte über starke Fähigkeiten, die er jedoch noch nicht kontrollieren konnte, von denen auch noch keiner wusste, woher sie kamen oder in welche Richtung sie sich entwickeln würden. Für Jonael bedeutete es nicht, sich zu ängstigen, denn Veränderungen gehörten zum Leben dazu. Sie durften es nur nicht aus den Augen verlieren und mussten dem Ganzen auf den Grund gehen, schon allein deshalb, weil es Raven sehr belastete und er sich für seinen Mann wünschte, dass sich dieser wohlfühlte.

Raven saß im Wohnraum in einem Sessel und blätterte in einem Buch, als Jonael das Geräusch von schlagenden Flügeln vernahm. Kurz spannte er sich an, spürte dann aber, wer es war und lächelte.

Sein Gefährte legte seine Lektüre zur Seite und stand auf. Als er neben ihn trat, griff er sofort nach Jonaels Hand und drückte sie fest.

»Es sind nur Alexian und dein Bruder, keine Angst«, raunte er an Ravens Lippen und hauchte einen sanften Kuss darauf.

Er fuhr mehrere Schilde gleichzeitig hoch, auch wenn er wusste, dass sie ihre Besucher nicht vollkommen vor dem schützen konnten, was Jonael gerade verströmte. Aus irgendeinem Grund schien es auf Raven kaum Auswirkungen mehr zu haben. Gleich würde sich zeigen, ob auch das Paar, das eben im Garten landete, immun war.

Mit einem Lächeln öffnete er die Terrassentür und trat zusammen mit Raven hinaus.

Aufmerksam musterte er vor allem Alexian, denn ihn kannte er schon sein ganzes Leben lang und an ihm würde ihm eine Veränderung sofort auffallen.

Und tatsächlich nahm er wahr, wie sich dieser anspannte, seine Augen weiteten sich und er suchte fast augenblicklich die Nähe zu Samael, zog ihn in eine innige Umarmung.

»Ist es noch immer so? Ich dachte, es habe sich abgeschwächt«, brachte er rau hervor. Samael lehnte an seinem Gefährten, sein Blick ruhte auf Raven, der angestrengt seine Füße musterte.

»Das hatte es sich auch. Wie es scheint, bewirkt Raven etwas in mir. Es ist, als habe er etwas verstärkt, das ich nun nicht mehr regulieren kann. Ihr beiden spürt die Auswirkungen dessen, obwohl ich im Moment alle Schilde hochgezogen habe, die ich kenne. Meine Mutter wird noch heute vorbeikommen und mir dabei helfen. Es besteht kein Grund zur Sorge«, fügte er an Alexian gewandt hinzu, da er dessen Besorgnis spürte.

Samael löste sich von seinem Mann und kam zu ihnen herüber. Vor seinem Bruder blieb er stehen und legte Raven eine Hand auf den Oberarm.

»Schau doch nicht so bedrückt. Es wird sich sicher alles klären. Keiner hier nimmt dir etwas übel, für das du nichts kannst. Sieh dir Jonael an, er wirkt nicht so, als würde es ihm etwas ausmachen«, sagte er mitfühlend, wollte Raven aufmuntern.

»Ich weiß, dass Jonael es ganz gelassen sieht, das beruhigt mich auch. Aber es macht mir trotzdem Angst. Verdammt, ich war doch nie etwas Besonderes und nun habe ich Kräfte, die alles übersteigen, was ich je für möglich hielt. Ich möchte mich nicht verändern, aber wie es scheint, ist das nicht meine Entscheidung.« Traurig sah Raven Samael an, als er den Kopf hob. »Ich habe verstanden, dass ich davor nicht weglaufen kann, es wird mich verfolgen, egal wo ich bin und ich würde dich und meinen Gefährten in Gefahr bringen, denn ihr würdet mich beide niemals gehen lassen. Noch einmal werde ich die, die ich liebe, nicht dem möglichen Tod aussetzen, denn niemand weiß, ob ich so etwas wie das, was ich tat, noch einmal zustande bringen kann. Für einen schrecklichen Moment dachte ich, ich hätte euch getötet. So leer und unglücklich möchte ich mich niemals wieder fühlen. Ihr seid doch alles, was ich habe.«

The Tyrasar Chronicles II - HerzensruneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt