19.09.2014
„Du wolltest mit mir sprechen?", Michelle Sanders grüne Augen ruhten auf mir, musterten mich, blickten mir tief in die Seele. Unruhig stierte ich zu Boden, spürte wie mir mein Herz fast aus der Brust sprang, hörte das Blut in meinen Ohren rauschen und das Zittern meiner Hände war auch nicht zu verbergen. Unschlüssig schob ich meine Hände in meine Hosentaschen und nickte: „Das ist richtig, ich weiß, das kommt vielleicht komisch rüber und ich will Ihnen auch gar nicht Ihre Zeit stehlen..." Michelle Sander unterbrach mein Rattern, indem sie die Tür zum Lehrerzimmer hinter sich schloss und einen Schritt auf mich zumachte: „Alles gut, mach dir nicht so viele Gedanken, Lea. Ich habe gerade eh eine Freistunde. Wo möchtest du reden?" Ein sanftes Lächeln huschte über ihr Gesicht und brachte mich vollends aus dem Konzept, dabei war ich fest davon überzeugt, endlich über sie hinweg zu sein. „Ich dachte wir suchen uns eine Ecke im Forum", sagte ich und wagte es noch immer nicht sie anzusehen. Was tat ich eigentlich hier? Zehn Monate nach dem Abschluss in meiner alten Schule? Würde ich meiner ehemaligen Lehrerin wirklich erzählen, was ich all die Zeit für sie empfunden habe? Oder noch immer empfinde?
Mit wackligen Beinen steuerte ich den früheren Treffpunkt meiner Freunde und mir an, fühlte mich wie vor einigen Monaten als ich noch schmachtend und leidend Frau Sander beobachtet hatte. Es fühlte sich falsch und richtig zugleich an. Wir setzten uns auf die Bank und Frau Sander saß mir unweigerlich näher als mir lieb war. Vermutlich würde sie gleich Abstand suchen, aber darauf konnte ich jetzt keine Rücksicht nehmen. Bevor ich das Gespräch beginnen konnte, fragte Frau Sander: „Wie ist es dir ergangen nach dem Abschluss? Wo hat es sich hingetrieben?" Meine Kehle fühlte sich trocken an, ich räusperte mich und nuschelte: „Ich studiere in der Nähe Literaturwissenschaften." „Oh, Literaturwissenschaften? Damit habe ich nicht gerechnet! Macht es Spaß und weißt du schon, was du später damit machen möchtest?", hakte sie neugierig nach und brachte mich damit in Bredouille. Sie sprach genau das an, womit ich bereits haderte. Ich zweifelte an der Wahl meines Studienfachs und meinem Plan für meine Zukunft, doch zugeben wollte ich das nicht. Nicht vor ihr. „Ja, es ist wirklich spannend... es gibt verschiedene Möglichkeiten für ein Danach, aber da will ich mich noch nicht festlegen", wich ich ihrer Frage aus und sie nickte verstehend. Die Nervosität nahm mich wieder in Besitz und ich knetete meine Finger so intensiv, dass es weh tat. Die Hand meiner ehemaligen Lehrerin legte sich auf meine und sie sagte: „Was auch immer es ist, du kannst mit mir darüber reden." Ich hörte auf meinen Körper zu malträtieren, blickte sie unsicher an und atmete tief aus. Aufmunternd lächelte sie mich an und ich begann zu erzählen.
„Tut mir leid, Lea. Du musst dich da in etwas verrannt haben", sagte Frau Sander zu mir, als ich mein Anliegen endlich über die Lippen gebracht hatte, „Ich habe nichts davon bemerkt, gar nichts." Ungläubig sah ich sie an, ließ all die Momente Revue passieren und zweifelte bereits an mir selbst, doch ihr Blick huschte über meine Hände, zu meinem Gesicht und blieb einen Moment zu lang an meinen Lippen hängen. „Ich wollte dir niemals falsche Hoffnungen machen, oder dir überhaupt das Gefühl geben, da könnte etwas meinerseits sein. Ich bin immer für dich da, versteh mich nicht falsch... ich war es und würde es immer sein, wenn du das willst... Aber Gefühle waren da meinerseits nicht im Spiel", erklärte sie sich weiter und versetzte mir mit jedem Wort einen weiteren Stich in mein Herz.
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Das Echo der Erinnerung (gxg)
RomanceIn einer Zeit, in der Gefühle verboten scheinen, fand Lea in ihrer Lehrerin Michelle Sander etwas, das sie nie erwartet hätte - eine Verbindung, die tiefer ging als jede Schulregel es erlaubte. Als Lea ihrer Lehrerin ihre Gefühle gestand und danach...