Kapitel 11

761 71 9
                                    

Die Boxen meines Autos spielten zum wiederholten Male Taylors Song „I can do it with a broken heart" ab, welches ich bereits Wort für Wort mitsingen konnte. Ich spürte den Kloß in meinen Hals nur zu deutlich, ebenso das Unwohlsein in meinem Magen, doch ich ignorierte es. Ich ignorierte es seit Tagen, nein vier Wochen. Tränen liefen mir über meine erhitzten Wangen, die ich fortwischte, bevor sie mein Makeup zerstörten. Mit quietschenden Reifen hielt ich vor Yvis Wohnung an, schrieb ihr, dass ich unten auf sie wartete und begrüßte sie wenig später in meinem Auto. „Du siehst aus, als hättest du geweint", war das Erste, was sie zu mir sagte, „Und schon wieder dieser Song. Mensch, Lea." Ich streckte ihr die Zunge entgegen und erwiderte: „Sei mal lieber netter zu mir, immerhin fahre ich uns." „Dafür bin ich dir auch unendlich dankbar, aber wann rückst du endlich mit der Sprache raus, was eigentlich passiert ist? Seit London bist du merkwürdig", fragend sah sie mich an und der Kloß in meinem Hals wurde immer größer. „Nichts ist passiert", erwiderte ich ausweichend und wie jedes Mal, wenn sie mich auf meine schlechte Laune ansprach. „Du erzählst nicht mehr von Frau Sander, ist was passiert?", versuchte sie ihr Glück weiter und ich fragte mich, wie lange ich es noch aushielt, mit niemanden darüber zu sprechen. „Es gibt einfach nichts zu erzählen", achselzuckend setzte ich mein Auto in Gang, „Und jetzt Themenwechsel. Wie läuft es mit Arian?"

Unbekannte Nummer, 20:31 Uhr:
Wie ist es in London? Habt ihr Spaß?

Unbekannte Nummer, 23:09 Uhr:
Ich sage schon mal gute Nacht, genieß deinen Urlaub!

Unbekannte Nummer, 12:27 Uhr:
Wart ihr in dem Museum, das ich dir empfohlen habe? Ich habe letztens wieder Fotos über das neuste Ausstellungsstück gesehen, das sieht einfach beeindruckend aus. Ich muss dort unbedingt auch noch hin!

Unbekannte Nummer, 21:58 Uhr:
Ich mache mir ein wenig Sorgen – will aber auch gar nicht nerven. Alles in Ordnung?

Unbekannte Nummer, 02:44 Uhr:
Habe ich etwas falsch gemacht?

Unbekannte Nummer, 16:17 Uhr:
Ich weiß zwar nicht, was vorgefallen ist, dennoch möchte ich, dass du weißt: wenn du mich brauchst, bin ich für dich da. Ich wünsche dir nur das Beste. Michelle

Mein Herz brach bei jeder empfangenen Nachricht, denn sie zauberten mir ein Lächeln aufs Gesicht und machten es mir somit umso schwerer, ihr nicht zu antworten. Ich wollte ihr antworten, doch ich konnte nicht. Nicht, wenn ich meine Beziehung zu Phillip gefährden wollte. Zum wiederholten Male las ich die Nachrichten, verschob sie in den Ordner archiviert, in der Hoffnung, Phillip würde mein Handy nicht auch noch kontrollieren. Bei den ersten Nachrichten war er aus der Haut gefahren, sodass ich sie direkt löschte. Doch die verbliebenen sechs Nachrichten schlummerten seitdem auf meinem Handy. Wenn er wüsste, dass ich ihre Nachrichten behielt und somit auch die Möglichkeit sie zu kontaktieren, würde er toben. So kannte ich ihn nicht – so wollte ich ihn nicht kennen. Selbst Anni sprach mich auf sein verändertes Verhalten an und ich glaubte, es sei ganz allein meine Schuld.

Die Theatervorstellung neigte sich seinem Ende und wir beschlossen, noch in die angesagte neue Bar im Nachbarort einzukehren. „Ich treffe mich morgen mit Arian, er will mich überraschen. Ich habe keine Ahnung, wohin es gehen wird", erzählte mir Yvi und ich dachte unweigerlich an den Tag in Münster zurück. „Das klingt schön", grinsend zog ich sie an mich, „Nach einem perfekten vierten Date." „Ich bin so aufgeregt", gestand sie mir und wir bezahlten die Gebühr am Parkhausautomat, „Er ist seit langem wieder jemand, der sich richtig um mich bemüht." „Aus deinen Erzählungen erinnert er mich an Phillip", damals, als wir noch frisch verliebt gewesen waren. „Da hat er sich noch bemüht, was?", rutschte es Yvi raus, da sie auf der Arbeit mitbekommen hatte, wie er sich vor einem gemeinsamen Abend mit mir im Theater gedrückt hatte. „Yviiii", ermahnte ich sie, „Anderes Thema, okay?" „Frau Sander?", ärgerte sie mich und ich verdrehte die Augen, „Jetzt sag doch endlich was passiert ist? Du benimmst dich anders, bist ständig traurig. War sie scheiße zu dir?" „Das wäre sie nie", verteidigte ich sie sofort und bereute meine viel zu schnelle Antwort. Triumphierend blickte Yvi mich an und bedeutete mir fortzufahren. „Was soll ich schon sagen? Ich habe den Kontakt abgebrochen", wir gingen Richtung Auto und ich hakte meinen Zeigefinger in die hintere Hosentasche ein, „Es ist besser so. Sie hat meine Gedanken viel zu sehr eingenommen und jetzt ist es besser. Sie ist mir egal." „Wenn es dir nicht gutgetan hat, verstehe ich das... Aber warum bist du dann so traurig?", meine Kollegin legte mir einen Arm um die Hüfte, um mich kurz an sich zu ziehen, „Da steckt doch mehr dahinter." Erst als wir im Auto saßen, brachte ich es über mich, ihr von dem Streit mit Phillip zu berichten.

Das Echo der Erinnerung (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt