Kapitel 16

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Die Kälte kroch in meine Glieder, während wir uns immer weiter von dem Lagerfeuer entfernten. Die Musik wurde leiser, das Stimmengewirr flachte ab, doch mein Herz pochte unendlich laut. Der Duft von Michelles Jacke vernebelte meine Sinne und ihre Hand in meiner, die mich sanft, aber doch bestimmt fort von dem Trubel führte, brachte meinen Körper zum Durchdrehen. „Wohin gehen wir?", fragte ich, als Michelle auf den Ausgang zusteuerte. „Zum Auto", erwiderte sie, ohne sich zu mir umzudrehen. „Michelle? Ist alles in Ordnung?", atemlos und mit kribbelnden Beinen folgte ich ihr die dunkle Straße entlang, wo wir kaum noch Menschen begegneten, da gerade der Hauptact auflegte, „Michelle?" Nun blieb sie endlich stehen und als sie mich noch immer nicht ansah, zog ich sie vorsichtig zu mir: „Was ist los?" „Ich...", stammelte sie und ihr Daumen strich sanft über meine Knöchel, „Ich musste dort weg." „Okay, kein Problem. Dann gehen wir zum Auto, weil...?", erwiderte ich, weil ich nicht ganz schlau aus ihr wurde. „Ja, zum Auto", sie kam ein Stück näher, hob ihre freie Hand und strich eine Haarsträhne hinter mein Ohr, „Ich habe dort noch eine Jacke." Erst jetzt bemerkte ich, dass sie nur ein T-Shirt trug, doch als ich versuchte, ihr die Lederjacke zurückzugeben, schüttelte sie vehement den Kopf. „Behalt sie an, steht dir eh viel besser als mir", sie grinste leicht und fuhr mit ihrem Finger an der Außenseite meines Kiefers entlang. Ich traute mich kaum noch zu atmen und ob ich meiner Stimme noch vertrauen konnte, bezweifelte ich. Ihr Daumen wanderte bis zu meinem Kinn hinab, nur um dann hinaufzuwandern und zaghaft über meinen Mundwinkel zu streichen. Luft entwich meiner angespannten Lunge, was Michelle zu einem atemberaubenden Lächeln veranlasste. Ihre Hüfte drehte sich weiter zu mir und langsam spürte ich ihre Körperwärme, die sich auf mich übertrug. Zögerlich hob ich meine Hand und legte sie an Michelle Taille, um sie noch ein wenig näher an mich zu ziehen. Ich hörte, wie Michelle ein leiser Seufzer entwich und sich meiner Berührung vollends hingab. Langsam wanderte meine Hand an ihren unteren Rücken, ich genoss jedes Geräusch, das Michelle in diesem Moment von sich gab und schob sie vorsichtig näher zu mir. Zwischen unsere Körper passte kaum mehr als ein Blatt Papier, lediglich unsere Gesichter behielten ihren Abstand bei.

„Ihr macht das großartig!", rief Frau Sander uns über den Sportplatz hinweg zu, „Jetzt gebt noch einmal richtig Gas, okay?!"Meine Beine brannten wie Feuer, allerdings genügte der Ansporn, um mich nochmal anzutreiben, schneller zu rennen. Ich spürte, wie ich taumelte, mich auf den Boden unter mir konzentrieren musste, aber als ich langsam an Mara vorbeizog, spürte ich Triumph in mir aufwallen. „Klasse, Lea! Gleich hast du es geschafft!", brüllte Frau Sander, die auf ihre Stoppuhr blickte. Keine fünf Sekunden später war ich durchs Ziel gelaufen, alles zitterte und ich ließ mich zu Boden fallen. Ich kriegte kaum noch Luft, aber die Euphorie ließ mich laut auflachen. „Du hast laut Aufzeichnung deine letzte Bestzeit geknackt!", lobte mich Frau Sander, die unsere heutige Vertretung in Sport war. Sie hielt mir ihre Hand entgegen, die ich eilig ergriff: „Dein Kreislauf wird es dir danken, wenn du dich hinstellst." Ich stolperte ein wenig, aber Frau Sanders Hand umfasst sanft meinen Oberarm, bis ich mich wieder stabilisiert hatte. „Du bist gelaufen wie eine Feuerblitz, Lea", Mara hatte sich ebenfalls wieder aufgerappelt und stieß zu uns, „Unglaublich, wie du mich noch auf den letzten Meter eingeholt hast." „Jetzt bin ich fix und fertig", presste ich hervor und versuchte das Stechen in meinen Seiten durch meine Atmung zu beenden, „Das werde ich niemals wieder toppen." „Sag niemals nie", erwiderte Frau Sander, die nun bei den anderen Mädels stand, um deren Zeiten zu verkünden, „Bei den Bundesjugendspielen will ich dich so laufen sehen." Sie grinste breit und mein Herz setzte für einen Moment aus. Verlegen drehte ich mich von ihr fort, suchte meine Wasserflasche und gesellte mich zu Anni, Elena und Mara. Hanna, Charlotte und Klara folgten kurz darauf und Charlotte, die als einzige Frau Sander in Biologie hatte, fragte: „Glauben Sie, ich kann meine Zeit durch gezieltes Training verbessern?"

Frau Sander näherte sich unserer Gruppe von hinten und plötzlich lag ein Arm um meine Schultern: „Ich kann dir ein paar Tipps geben, was hältst du davon, Charlotte?" „Eine gute Idee, ich will mich unbedingt verbessern. Mit einer besseren Laufzeit kann ich mich auch endlich für die bessere Etappe beim Steffenslauf anmelden!", aufgeregt klatschte sie in die Hände, während ich wie versteinert in der halben Umarmung meiner Lehrerin verharrte. Ich spürte ihre Finger am Bund meines T-Shirt-Ärmels, sie fühlten sich weich und warm an, dabei hinterließen sie eine Feuerspur auf meiner Haut. Ihre Seite presste sich gegen meine und sie machte keine Anstalten, mich loszulassen. Ich warf einen unsicheren Blick zu Anni, die Frau Sander kritisch musterte. Diese war in ihrer Unterhaltung gefangen, schien nicht darauf zu achten, wie diese Situation auf andere wirkte. „Das kriegst du locker hin", hörte ich sie sagen, obwohl das Blut in meinen Ohren rauschte, „Wenn du das beherzigst, schlägst du deine letzte Bestzeit." „Danke für die Tipps, das werde ich beim nächsten Training beherzigen", die Gruppe begann sich aufzulösen, weshalb auch ich mich in ihrem Arm bewegte. Sie schien erst jetzt zu realisieren, wen sie da in ihrem Arm hielt, denn sie entfernte sich schnell von mir, als ich ihr noch einen zweifelnden Blick zuwarf. „Gut gelaufen", sagte sie noch und entfernte sich schnellen Schrittes von uns. „Das war komisch", raunte Anni mir zu und wir gingen gemeinsam Richtung Umkleide, „Kennt ihr euch besser und du hast es mir nur nie erzählt? Du hast sie doch gar nicht im Unterricht." „Du weißt so gut wie alles, Anni", erwiderte ich und Anni lachte auf. „Also war es komisch", schlussfolgerte sie, „Hätte sie das bei Charlotte gemacht, okay... Aber bei jemanden, den sie nicht mal im Unterricht hat?" Ich brachte keinen Ton mehr raus und ignorierte das brennende Gefühl in meinem Körper – es erinnerte mich unweigerlich an den Tag vor einigen Wochen, an dem sie mich nach dem kleinen Autozwischenfall in den Arm genommen hatte. Davon hatte ich Anni nicht erzählt.

Michelles Augen blickten direkt in meine, bis sie anfingen zu wandern und erst an meinen Wangen verharrten, dann an meinen Lippen. Ich sah, wie sie sich auf die Unterlippe biss und damit ein Feuer in mir entfachte. Ihr Daumen strich entlang meiner Lippenkonturen, bis sie sich meinem Gesicht ein Stück weiter näherte, mir in die Augen sah und nach Bestätigung suchte. Ich lächelte sie an und mein Atem stockte als sie mein Gesicht mit beiden Händen umfasste und ihre Lippen auf meine legte. Ihre vollen und unheimlich weichen Lippen schmiegten sich sanft gegen meine, die ich langsam öffnete, um ihren Kuss vollends zu erwidern. Sie schmeckte nach Pfefferminz und Wein, nach Erlösung, Freiheit und Lust. Ich wollte nie wieder aufhören sie zu küssen. Unser Kuss wurde fordernder und meine Hände wanderten an ihrem Rücken hinauf, um alles von ihr zu spüren. Ich wollte jeden Zentimeter erkunden, mit meinen Fingern, Händen, Haut und Lippen. Vorsichtig biss ich in ihre Unterlippe, was sie mit einem leisen Knurren quittierte, das sich direkt in meinem Unterleib einnistete. Diese Frau machte mich wahnsinnig mit ihren talentierten Lippen, ihrem Duft und ihrer Art. Ihre Art war einzigartig, bezaubernd und einnehmend - wie eine Droge, von der man nie genug bekam. Ihre Zunge strich über meine Lippe, bat um Erlaubnis und diesen Wunsch gewährte ich ihr nur zu gerne. Ihre Hände umschlossen noch immer mein Gesicht, aber bereits kurze Zeit später begannen ihre Hände zu wandern, vergruben sich in meinem Haar, fuhren an meinen Seiten hinab, erkundeten, was zu erreichen war. Ich schluckte als meine Beine weich wurden, mein Körper realisierte, wen ich hier gerade küsste. Ich küsste meine ehemalige Lehrerin.

Das Echo der Erinnerung (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt