Wollen und Nichtwollen

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Der Himmel im Osten schimmerte rosig und golden, als die Sonne über dem Ligusterweg aufging und begann über den Zenit zu wandern. Als Harry Potter die Augen aufschlug, löste sich sein Traum im frühmorgendlichen Licht auf.–

– Was zur Hölle war das? –

Er versuchte, Teile des Traums festzuhalten, doch es gelang ihm nicht, egal wie sehr er es auch versuchte. Wenn er schlief, träumte er meist. Düstere, verstörende Träume von Blut und gebrochenen Versprechen. Wenn Harry erwachte, gab es für ihn meist nicht viel mehr zu tun als zu denken, und das war schlimmer als die Albträume.
Der Gedanke an Sirius verbrannte ihn schon wieder schmerzlich wie ein Nesselbeet. Harry schloss die Augen und schlug sie wieder auf. Er wusste nicht, was schmerzlicher war, aufzuwachen oder einzuschlafen.
Es machte keinen Unterschied.
Der junge Zauberer war froh, dass nur Hedwig ihn sah, wie er sich auf dem Bett hin und her wälzte und vor sich hin wimmerte. Wie fast jeden Morgen tat er den vergangenen Traum mit einem Achselzucken ab und beobachtete, wie sich das Licht langsam ausbreitete. Draußen drohte ein bleigrauer, getrübter Himmel mit Regen. Seine Stimmung war genauso trostlos wie das Wetter. Der Minutenzeiger des Weckers erreichte die halb acht. Erneut spürte der Gryffindor das schreckliche Gefühl des Überdrusses, denn seine Tage reihten sich ohne großen Unterschied aneinander. Stunden wurden zu Tagen. Tage zu Wochen. Er sehnte sich nach Abwechslung. Doch die ernüchternde Wahrheit sah anders aus. Seine Freunde ließen nichts von sich hören und er saß so lange im Ligusterweg fest, bis er eine Einladung von Ron erhalten würde. Sogar seine geliebte Hedwig mit ihren großen bernsteinfarbenen Augen hatte mehr Abwechslung als er. Gerade klackerte sie ungeduldig mit dem Schnabel, um auf sich aufmerksam zu machen, als sie durch das offene Fenster schwebte.
„Komm her, mein Mädchen", murmelte Harry und streckte die Hand nach der Eule aus. Er legte die Stirn in Falten, als er Hedwig die neueste Ausgabe von Tagespropheten abnahm. Den größten Teil der Titelseite beanspruchte das riesige Schwarz-Weiß-Foto, das sein müdes Gesicht zeigte. Das Bild bewegte sich – sein eigenes ICH hielt sich die Hände vor das Gesicht.

HARRY POTTER – DER AUSERWÄHLTE ODER DOCH NUR EIN LÜGNER?

Es sind Gerüchte im Umlauf über den jüngsten, fragwürdigen Geisteszustand von Harry James Potter. Es wird behauptet, dass Er, dessen Name nicht genannt werden darf, wiedergekehrt sei. Während Zauberersprecher des Ministeriums sich bislang weigern, auch nur einen Funken dieses Gerüchtes zu bestätigen, sind immer mehr Mitglieder der Zauberergemeinschaft davon überzeugt, dass den Worten von Harry Potter durchaus Glauben geschenkt werden darf. Sie glauben, dass er der Einzige ist, der fähig sein wird, uns von ihm, dessen Name nicht genannt werden darf, zu befreien.

Neben diesem Artikel reihte sich der zweite und verkündete sensationsreich:

BESTÄTIGT – SCRIMGEOUR IST DER NEUE NACHFOLGER VON FUDGE

Der Gryffindor warf den Tagespropheten auf den Boden und quälte sich aus dem Bett. Fast stolperte er über seinen Schulkessel, denn er nach dem Gebrauch achtlos liegen hatte lassen.
Überall im Zimmer verteilten sich seine wenigen Habseligkeiten. Zauberbücher, Eulenfedern und Kekse. Sogar nicht gewaschene Hogwartsroben ruhten auf diversen freien Plätzen. Vielleicht sollte er sich alsbald die Mühe machen und dieses Chaos aufräumen. Sollte er doch noch eine Einladung zum Fuchsbau erhalten, sollte er wohl besser Reisebereit sein.

– Vielleicht wird niemals eine Einladung kommen.–

Seufzend schnappte er sich ein schlichtes, graues Shirt aus dem Chaos und roch daran.
Seine Finger fühlten sich klobig und unbeholfen an, als er mit dem ausgeleierten Stoff rang und es sich über den Kopf zog. Erst als er sich angezogen hatte, richtet Harry die Aufmerksamkeit auf ein Stück Pergament das am Boden lag.
Nur widerwillig griff er nach dem violetten Blatt, das aus dem Tagespropheten herausgerutscht war, hob es auf und warf einen Blick darauf.

Three souls - one fate Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt