Nero beobachtet, wie dieser sich eine der Flaschen griff, wandte er sich nun seinem Exemplar zu. Die Kiefer zusammengepresst, den Nacken verspannt, versuchte der Zauberer, an nichts mehr zu denken.
Er war bereits in Schwierigkeiten. Es würde nichts bringen, sich darüber den Kopf zu zerbrechen und bestenfalls noch den Verstand zu verlieren. Gegen Snape und Malfoy war kein Kraut gewachsen. Es würde auch nichts bringen, Schadensbegrenzung zu betreiben und zu überlegen, wie er sich aus der Sache herausreden könnte.
Er war, gelinde gesagt, am Arsch.
Harry versteinerte und eine nachdenkliche Miene legte sich auf das blasse Gesicht.
Der Gryffindor lehnte sich zurück und blickte in den Himmel.
Moment mal, eventuell war er nicht ganz so schlimm in Schwierigkeiten, wie er dachte. Man würde ihn nicht aus Hogwarts werfen, dafür war er zu wichtig.
Er war das Stück Fleisch, das den dunklen Lord mit sich ins Grab nehmen sollte. Den Heuler würde er gewiss bekommen, keine Frage, doch den würde er explodieren lassen und gut war es.
Der Gryffindor blickte schweigend zu Boden, dann verzog er die Mundwinkel und seine Gedanken begannen zu wandern. Er hatte Lust, herauszufinden, inwieweit er gehen konnte. Harry fragte sich, ob sein Umfeld erkannte, dass alles, was er tat, nur für sie gewesen war.
Diese Gedanken machten es doch schlimmer.
Harrys linker Arm zitterte leicht unter dem Gewicht der bauchigen Flasche, die der Goldjunge sich geschnappt hatte. Er legte die Fingerspitzen um den Korken und hielt mit den Augen sein Ziel fixiert.
„Ruhig einatmen, Harry, konzentriere dich. Vorsichtig, vorsichtig ..."
Von diesem Augenblick hing alles ab. Er musste die Flasche sauber entkorken, bestenfalls ohne einen einzigen Tropfen dabei zu verschwenden. Den Zauberstab achtlos neben sich in den Staub geworfen, blickte Harry Nero schweigend an.
Nichts zählte mehr, außer die bauchige Flasche, die ihn in ein anderes Zeitalter bringen sollte. Es war höchste Zeit, auf andere Gedanken zu kommen.
Er begann dabei zu singen, kehlig, schief.„Oh, I love it and I hate it at the same time. You and I drink the poison from the same vine. Oh, I love it and I hate it at the same time. Hidin' all of our sins from the daylight."
Mit einem leisen Flop entkorkte er die Flasche und hielt den Korken triumphierend in die Höhe.
„Nah! Zehn Punkte für Gryffindor!"
Sich die Flasche an die Lippen geführt, nahm der Goldjunge Dumbledores einen kräftigen Zug und versuchte, das feurige Brennen mit ganzer Seele auszukosten. Leider war es so, dass der Bursche die Flüssigkeit in die falsche Röhre bekam. Harry verschluckte sich und spuckte würgend die brennende Flüssigkeit wieder aus. Die Tropfen, die den Untergrund trafen, verliehen dem Sandstein einen dunklen Touch. Hustend kniff er die grünen Augen zusammen und sammelte sich.
Er war allerhand starken Alkohol gewohnt und konnte einiges ab. Er trank sogar Feuerwhisky ohne mit der Wimper zu zucken. Doch dieser edle Tropfen war ein ganz anderes Kaliber.
Seine Hauselfen hatten ganze Arbeit geleistet.
„Fuck, brennt das. Was'n das für ein Teufelszeug", spuckte er keuchend hervor und blickte mit tränenden Augen zu Nero hinüber.
„Das passiert, wenn der Master zu ungeduldig ist. Das ist magischer Alkohol, Sir. Etwas ganz Besonderes aus Russland. Das soll einem den Rausch des Lebens bereiten und einen alle Sorgen vergessen lassen. So wie gewünscht."
Nero hatte die Stirn in noch tiefere Falten gelegt, und der ruhige Ton des Elfen machte Harry fast schon aggressiv.
„Ich bin nicht ungeduldig", schnappte er biestig zurück und runzelte entnervt die Stirn, während er nach Luft rang und die Flasche vorsichtig abstellte.
„Ich habe nur keine Zeit, zu warten. Mir tut alles weh und ich gedenke, diesem Umstand ein schnelles Ende zu setzen."
Der Hauself blickte seinen Meister mit riesigen Augen an. Die Ohren des kleinen Kerlchens erzitterten, und Harry wurde bewusst, dass er da was dämliches gesagt hatte.– Verdammt sei mein Mundwerk!–
„Der Master hat Schmerzen?", piepste der Hauself leise und legte den Kopf schief.
„Soll Nero den Master heilen? Nero kann Diptam besorgen, vielleicht auch einen Mega Power Trank für Harry Potter, Sir! Oder soll Nero bei dem Zaubertrankmeister aus Hogwarts einbrechen und dort etwas mitgehen lassen, das dem Master hilft?"
Der Elf stürzte auf Harry zu, dieser hob die Hand und schüttelte heftig den Kopf.
„Nein, nein, nicht nötig. Warte ... HE! Nero! Ich muss nicht, du ... warte, nein!"
Nero ließ sich davon nicht beeindrucken. Er fühlte Harrys Puls, besah sich die Wunden, murmelte leise Flüche, die ihm wohl gelten sollten, und redete anschließend von St. Mungos und von einer sorgfältiger Behandlung.
„Den Gedanken an das Zaubererkrankenhaus kannst du dir gleich wieder in deinen Hintern stecken. Und wag es dich, bei Snape einzubrechen, der bekommt davon bestimmt Wind", echote er entnervt und grummelte etwas, das verdächtig nach „nur über meine Leiche und es ist mir sowas von scheißegal", klang.
Der Hauself machte keine Anstalten, Harry loszulassen, also zappelte er so stark, dass Nero keine Wahl blieb.
„Loslassen!", beharrte der Bursche und warf den Elfen einen aufgebrachten Blick zu.
„Du kannst mich befummeln, wenn ich tot bin! Also Pfoten weg, sofort! Ich hasse es, wenn man mich anfasst. Lass mich in Ruhe, bitte! Ich bin okay. Ehrlich."
In Harrys letzten Worten lag eine Schärfe, die dafür sorgte, dass der Hauself strammstand.
Es knallte ohrenbetäubend und Dobby tauchte freudestrahlend auf, bewaffnet mit einer Flasche Wasser und drei Cognacgläsern.
Harry studierte Dobby und kam auf einen weiteren dämlichen Gedanken. Er wollte wirklich herausfinden, inwieweit er gehen konnte, um Dumbledore, Malfoy und Snape so richtig auf die Palme zu bringen. Im Kopf wiederholte er die Worte von Lucius Malfoy und richtete dann die Aufmerksamkeit auf seinen anderen Hauselfen.
„Sag mal, Dobby", begann er in vertrauenswürdiger Stimme zu säuseln und beugte sich nach vorne.
„Wenn man trinkt, sollte man es mit etwas Deftigem vorlegen. Zumindest sagen das die Muggel. Könntest du uns Brownies mit gewissen Benefits besorgen? Dann macht die Verkostung gleich viel mehr Spaß."
Harry lächelte schief. Ein Lächeln, das echter und wahrhaftiger war als all die gezwungenen Grimassen, die er sonst an den Tag legte.
Der Hauself mit der Teewärmemütze blickte seinen Herrn verwirrt an.
„Brownies mit gewissen Benefits?", fragte der Elf leise.
„Harry Potter, Sir, was ist das?"
„Ja, du weißt schon. Die, die mit dem Gewissen etwas. Die Muggel haben da einen gewissen Einfallsreichtum an den Tag gelegt, als sie eine Pflanze beigemischt haben, die das Gemüt hebt. Ich würde gerne wissen, wie es ist, die zu essen."
Er grinste, doch der Ausdruck der Belustigung verschwand wieder.
Dobby sah Harry mit riesigen Augen an und nickte heftig.
„Natürlich! Die Wissbegierde ist mir zu Befehl, Harry Potter, Sir!"
Dobby verschwand wieder und wirbelte etwas Sand auf.
Der Goldjunge blinzelte, dann begann er die drei Tumbler zu füllen. Das war einfacher als gedacht gewesen. Der Bursche hatte so viele Gedanken in seinem Schädel, doch davon bekam er nichts in einer vernünftigen Reihenfolge sortiert. Es war zum Wahnsinnig werden. Harry zog die Augenbrauen zusammen und versuchte sich zu konzentrieren.
Während er und Nero auf den Hauselfen mit der Teewärmemütze warteten, genehmigte er sich ein paar Schlucke. Diesmal ließ Harry es deutlich ruhiger angehen und achtete darauf, nur einen winzigen Schluck zu nehmen.
Sein Hauself brauchte nicht lange. Es waren gerade einmal zehn Minuten vergangen, als der Elf wieder auftauchte.
Harry betrachtete die Brownies, die Dobby gebracht hatte. Vorsichtig nahm er eines der bröseligen Dinger in die Hand und betrachtete das Backstück eingehend.
Die Brownies mit den gewissen Benefits sahen nicht besonders einladend aus. Sie waren unförmig und rochen seltsam. Hier lag das Augenmerk wohl eher auf der Wirkung anstatt auf dem Geschmack.
„Dobby hat sie von einer Gruppe seltsamer Typen mitgehen lassen."
Der Elf strahlte den Zauberer glücklich an und Harry zwang sich zu einem unverbindlichen Lächeln.
„Vielen Dank, Dobby. Nun denn, dann kann unsere kleine Privatparty ja losgehen."
Toll. Jetzt hatte er seinen Hauselfen sogar zum Klauen angestiftet und es wie das Normalste der Welt aussehen lassen.– Das wäre nicht das erste Mal, dass du Dobby klauen lässt.–
Wenn Hermine davon Wind bekam, würde sie ihm den Hals umdrehen.
Bitterkeit stieg in dem Jungen auf. Seine Freunde interessierten sich sowieso nicht für ihn. Die grünen Augen verdreht, biss Harry demonstrativ in den Brownie und zwang sich, das staubtrockene Brösel Werk zu schlucken.
„Ist ja schlimmer als die Sahara", gejapst, angelte er sich die Flasche Wasser und spülte ordentlich nach.
Hier kam es ganz und gar auf die inneren Werte an, gewiss.
Gönnerhaft verteilte er die Brownies an Dobby und Nero und eröffnete so ihre kleine private Party.
Als Harry gerade in seinen dritten Brownie hineinbiss und den bitteren Nachgeschmack mit einem ordentlichen Schluck Alkohol hinunterspülte, kam eine rabenschwarze Eule auf ihn zu geflattert. In ihren Klauen hielt sie einen tiefroten Brief.
„Oh, welch Freude, es geht los. Ich wusste es."
Die Eule ließ den Brief in seinem Schoß fallen und flatterte eilig davon, während der Gryffindor zögerte. Er hatte keine Lust auf diesen Scheiß. Doch es half alles nichts. Öffnete er den Heuler nicht, würde es erst so richtig unangenehm für ihn werden.
Seufzend drückte er seinen Hauselfen sein Glas in die Hand.
Der Heuler begann an den Seiten zu rauchen, und Harry starrte ausdruckslos auf das Stück Pergament.
Dobby und Nero sahen den Brief an, als würde er gleich explodieren, und zogen die Köpfe ein. Zögerlich zog er die Lasche auf und wappnete sich.
Einen Moment lang dachte er, der Brief wäre tatsächlich explodiert. Ein ohrenbetäubendes Dröhnen erschütterte die Umgebung und Sand wehte ihm ins Gesicht. Angestrengt und gleichgültig versuchte er den Eindruck zu erwecken, als ob er die Stimme, die in seinen Trommelfellen dröhnte, gar nicht hören würde.Sehr geehrter Mr. Potter,
Wie uns zur Kenntnis gelangt ist, wurde an Ihrem Wohnort ein Apparierzauber verwendet. Wie Sie wissen, ist es minderjährigen Zauberern nicht gestattet, außerhalb der Schule zu zaubern.
Weitere Zaubertätigkeit Ihrerseits kann zum Verweis von besagter Schule führen.
(Erlass zur vernunftgemäßen Beschränkung der Zauberei Minderjähriger, 1875, Abschnitt C).
Wir möchten Sie zugleich daran erinnern, dass jegliche magische Tätigkeit, die den Mitgliedern der nichtmagischen Gemeinschaft (Muggel) aufzufallen droht, gemäß Abschnitt 13 des Geheimhaltungsabkommens der Internationalen Zauberervereinigung ein schweres Vergehen ist. Genießen Sie Ihre Ferien!
Hochachtungsvoll,
Mafalda Hopfkirch Abteilung für unbefugte Zauberei ZaubereiministeriumHarry blickte seine beiden Hauselfen an, dann richtete er den Zauberstab in einer trägen Bewegung auf den Heuler und flüsterte ein schlichtes, „Bombarda".
Der dunkelrote Brief explodierte in sämtliche Einzelteile und berieselte sie mit Papierfetzen, während der Gryffindor bitter schraubte.
"So, was jetzt? Kommt jetzt der Verweis? "
Die Worte düster gemurmelt, versuchte er, sich das Gesicht dieser Mafalda Hopfkirch bildlich vorzustellen. Dafür würde er Geld bezahlen, um das sehen zu können.
„Ich habe den Apparierkurs noch nicht gemacht. Das Ministerium zeigt mal wieder deutlich, wie wenig Hirn es besitzt."
Die beiden Hauselfen angestarrt, angelte sich der Gryffindor den schottischen Alkohol und füllte die Gläser großzügig auf.
„Prost, meine Lieben. Der berühmte Harry Potter hat mal wieder keinen Verweis bekommen."
Schwungvoll stieß er die dicken Tumbler an und gönnte sich einen Schluck.
Es hatte den Anschein, dass die beiden Kerlchen nicht sonderlich vertrugen.
Dobby hatte bereits rote Wangen und strahlte über das ganze Gesicht, während Nero einen Schluckauf bekommen hatte. Auch Harry begann den Alkohol langsam zu spüren.
Und die besonderen Brownies mit dem Gewissen Extra sorgten dafür, dass er lockerer wurde.
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Three souls - one fate
FanfictionVor den Sommerferien vor seinem sechsten Jahr in Hogwarts kommt Harry mit einem uralten Zauber in Berührung, der sein gesamtes Leben mit einem Mal auf den Kopf stellt. Nichts ist von dem lieben Burschen übriggeblieben, den man vor diesem Zwischenfal...