In einer unwirschen Bewegung entfernte der Goldjunge die verkohlten Schnipsel des explodierten Heulers und lehnte sich zurück. Hitze stieg in seinen Wangen auf und färbte diese leicht ein. Er ergriff den Kragen seines T-Shirts und fächelte sich damit leicht Luft zu, während er immer wieder an seinem Glas nippte und die Finger rhythmisch dagegen klopfte.
Was zum Teufel war eigentlich in ihm gefahren? Harry stieß die Luft zwischen den Lippen hervor und strich sich das dunkle Haar in einer lässigen Handbewegung zurück.
Gedankenverloren blickte er in die Ferne und wartete auf die Wirkung der Brownies.
Bis jetzt hatte er noch nie so impulsiv gehandelt und alles auf eine Karte gesetzt. Wenn er in den Ferien gezaubert hatte, war es bis jetzt immer unabsichtlich passiert oder aus der Not heraus geboren worden.
Ein bitteres Lächeln legte sich dem jungen Zauberer auf die Lippen und er wirbelte gedankenverloren den Zauberstab hin und her.
Sollten sie ihn doch hinauswerfen, dann war er nicht mehr gezwungen, den dunklen Lord mit sich ins Grab zu nehmen.
Er hatte genug Kohle um wo anders sein Leben zu leben.
Harrys Fingerspitzen schlossen sich fester um den Zauberstab.
Die Versuchung war groß, noch einen Zauber zu wirken, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen. Er wollte provozieren, toben und jeden wissen lassen, was er von der neuesten Idee Dumbledores hielt.
Er hatte keinen Bock mehr darauf, das brave Lämmchen zu spielen und sich stets zu fügen, wenn es den Zauberern seines Umfelds in den Kram passte.
Nach den letzten Privatstunden mit Snape hatte Harry die Nase voll von persönlicher Zuwendung.
Lieber hätte er es mit ein paar Dementoren aufgenommen, anstatt sich mit Lucius Malfoy und Snape herumschlagen zu müssen.
Das geschmeidige Holz des Stabes fühlte sich mittlerweile warm an und ein leichtes Kribbeln stieg in seine Fingerspitzen. Harry konnte immer noch nicht ganz glauben, was er da gerade getan hatte. Er, der brave Junge von Dumbledore, war diesmal mit voller Absicht zur Tat geschritten und hatte bewusst eine Grenze überschritten.
Die grünen Augen huschten zu Dobby und Nero hinüber, die schon wieder am Zanken waren. Der Gryffindor beugte sich nach vorne und angelte sich die Tumbler der beiden Streithähne.
Er hatte keine Lust darauf, dass sie den kostbaren Tropfen verschwendeten.
Die beiden Hauselfen hatten sich doch so große Mühe gegeben und dieser Umstand musste ausreichend gewürdigt werden.
Harry beugte sich nach vorne und ergriff die beiden Flaschen. Vorsichtig stellte er auch diese außer Reichweite und verfolgte die kleine Auseinandersetzung.
Der Hauself mit der roten Teewärmemütze plusterte sich wie eine Elster auf und strafte Nero mit einem eisigen Blick.
„Dobby hat Master den besseren Alkohol gebracht! Jawohl! Dobby kennt Harry Potter viel besser als du, Nero."
„Unsinn! Nero mag zwar noch nicht lange im Dienst sein, aber er weiß ganz genau, was der Master mag!"
Ein hektisches Handgemenge brach aus und die beiden Hauselfen gerieten sich in die Wolle. Wie kleine Bälle rollten sie über den Boden.
Harry verfolgte die Schlägerei und schenkte sich erneut mehr als nur großzügig ein. Der Tumbler war mehr als dreiviertel voll, als er die Flasche abstellte, die Dobby mitgebracht hatte. Das war mehr als die übliche Menge, doch es kostete den Burschen nur ein müdes Schulterzucken.
Bitte, wer wollte ihn hier schon maßregeln? Noch war er allein, doch es war eine Frage der Zeit, bis hier jemand auftauchen würde.
Malfoy war gewiss schon zu Snape oder Dumbledore gerannt und versuchte, ihn in die Pfanne zu hauen.
Harry schwenkte die bernsteinfarbene Flüssigkeit vorsichtig in seinem Glas hin und her.
Wer würde sich dann wohl die Mühe machen? Dumbledore vielleicht?
Vorsichtig schnupperte er an der hochprozentigen Flüssigkeit und runzelte die Stirn. Das leichte Raucharoma kitzelte ihm leicht in der Nase und versprach puren Genuss.
Das war ein besserer Tropfen, ohne Zweifel. Genießerisch nahm er einen Schluck und schloss die Augen. Ein Geschmack mit Nuancen von Schokolade und Sandelholz breitete sich auf seiner Zunge aus. Der Whisky hatte eine intensive Würze und einen Beigeschmack von Malz, Rauch und Früchten. Der Abgang überraschte Harry wieder und ein leises Stöhnen kam ihm über die Lippen. Verdammt, Dobby hatte sich mit diesem Whisky selbst übertroffen. Die bernsteinfarbene Flüssigkeit war süßlich, dezent rauchig und sehr langanhaltend. Dieser Alkohol war komplex, aromatisch und erstaunlich reichhaltig.
Harry trank immer mehr und mehr.
Mittlerweile hatte er so viel getrunken, dass er die feinen Nuancen des Alkohols nicht mehr schmecken konnte und er nur noch das Brennen in seiner Kehle wahrnahm.
Die Hauselfen hatten aufgehört zu streiten und beteiligten sich nach einer freundlichen Ermunterung des Gryffindor wieder an der kleinen Party.
Der Whisky aus Schottland sprach den Goldjungen deutlich mehr zu als der russische Alkohol. Doch um keines der beiden Kerlchen zu kränken, erklärte er mit feierlicher Stimme, dass beide so gut waren, dass er sich nicht entscheiden konnte. Auch wenn der Ort unpassend war, machte es Spaß, sich mit seinen Hauselfen zu betrinken. Harry war ziemlich betrunken, als er zu singen begann.
„LONDON BRIDGE IS FALLING DOWN! London Bridge is falling down. My fair lady .."
Die Worte kamen dem Burschen verwaschen über die Lippen und er hatte Probleme, sich an den Text zu erinnern. Daher bastelte er irgendetwas zusammen und musste dann und wann über seine verrückten Einfälle lachen.
„POTTER!"
Harry hörte auf zu singen und blinzelte in das rubinrote Licht. Er hatte gar nicht bemerkt, wie spät es schon geworden war und wie viel er getrunken hatte.
„Ah ... klingt verdächtig. Bringen wir es hinter uns, so wie immer."
Die Worte leise gemurmelt, wandte er sich der Stimme zu. Nicht weit von ihm war sein Lehrer, der mit wehendem Umhang auf ihn zukam. Die Fledermaus aus Hogwarts stolzierte wie eine Elster nach vorne. Der Ältere verschränkte die Arme und ging den letzten Schritt auf den Jungen zu.
Snape sah aus, als ob er Harry gleich Gift in den Hals stopfen würde.
„Was geht hier vor?", ertönte die kalte, schleppende Stimme.
Alles an den Dunkelhaarigen strahlte vollkommene Grazie und Gelassenheit aus. Harry starrte die Fledermaus an und wog den Kopf leicht hin und her. Das Haar des Professors stand im scharfen Kontrast zu seiner blassen Haut und den Augen, die so dunkel waren, dass es selbst im schwachen Licht Schwarz schimmerte.
Harry starrte weiter seinen Lehrer an und hüllte sich in Schweigen. Der Kerl war nicht gutaussehend im klassischen Stil, aber er hatte eine einnehmende Präsenz. Die ganze Umgebung vibrierte förmlich durch seine Aura.
Die Augen von Snape blitzten entnervt auf, als er Harry betrachtete, und die Miene des dunklen Zauberers ließen keine Zweifel offen, was er über diese Situation dachte. Einen Augenblick lang sagte keiner von ihnen etwas. Harry erschien nichts gut genug und aus irgendeinem anderen Grund wäre er am liebsten weggelaufen. Unwillkürlich lief ihm ein Schauder über den Rücken.
„Ich habe die zweifelhafte Ehre zugesprochen bekommen, Sie persönlich zurückzubringen", sagte er Unheil verkündend und baute sich vor den Gryffindor auf.
Harry hätte alles Gold in Gringotts dafür gegeben, sich auf der Stelle in Luft auflösen zu können. Er sackte leicht in sich zusammen.
„Lucius hat mir erzählt, dass Sie ihn stehen gelassen haben und unerlaubt appariert sind. Es ist ein Wunder, dass Sie nicht zersplittert sind und sich nicht schlimmer verletzt haben. Doch wie immer überraschen Sie mit Ihren Gaben, von denen ein Sterblicher nur zu träumen wagt."
Snape grinste höhnisch und der süffisante Tonfall sorgte fast dafür, dass Harry der Alkohol hochkam. Er schluckte den bitteren Geschmack der steigenden Galle hinunter und zwang sich zu einer entspannten Körperhaltung. Wut keimte in dem jungen Zauberer auf und er wünschte sich, Snapes Schädel wie den Heuler explodieren lassen zu können.
Harry wusste nicht, was er erwartet hatte. Eigentlich war es klar gewesen, dass Snape nicht zimperlich mit ihm umspringen würde. In seinem Kopf war der Professor ein finsterer Mann mit fettigen Haaren und einer unangenehmen Stimme. Er schielte nach oben.
„Hmm ... Sie wollen wissen, was hier vorgeht? Gute Frage, Sir."
Harry schnipste mit den Fingern und bemühte sich um eine besonders ausdrucksstarke Miene.
Der Alkohol, der durch seine Blutbahn zirkulierte, brach sich langsam Bahnen und es wurde langsam schwer, einen klaren Gedanken zu fassen.
„Moment, gleich weiß ich es. Ich brauche einen Augenblick. Warten Sie, da klingelt was. Obwohl ..."
Harry verstummte und klopfte mit den Fingerknöcheln leicht gegen das Tumblerglas. Sekunden gingen ins Land und Harry konnte spüren, wie Snape innerlich zu kochen begann. Die Lippen des Goldjungens kräuselten sich. Nein, diesmal würde er keine Jagdbeute sein. Mit zitternden Händen hob er das Glas und schüttete sich die restliche bernsteinfarbene Flüssigkeit in den Hals und schluckte. Dabei erschauderte er und er hatte Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr der Alkohol in seiner Kehle brannte.
„Verzeihung, der Grund ist mir entfallen."
Der Gryffindor klatschte sich mit der Handfläche vor die Stirn und gab einen angestrengten Ton von sich.
Seine Gedanken rasten, alles stürmte gleichzeitig auf ihn ein. Es waren viel zu viele Emotionen, die er gerade empfand. Harry hasste diese Anbahnungen, die sich in letzter Zeit häuften.
Der Gryffindor presste sich die Hand vor den Mund, ganz fest, um den frustrierten Laut, der in seiner Kehle aufstieg, nicht herauszubrüllen. Sein Gemüt fuhr Achterbahn und er tat sich schwer, die impulsive Neigung, die in ihm keimte, zu kontrollieren. Die Hand wieder sinken gelassen, zuckte er teilnahmslos mit der Schulter.
„Verdammt, mir will es ums Verrecken nicht einfallen. Tut mir ehrlich leid, Professor."
Harry stellte das Glas in den Sand und blickte zu Snape auf. In seinem Tonfall schwang mit, wie sehr es ihm wirklich leidtat. Nämlich gar nicht.
„So? Sie wissen es also nicht?", sagte der Professor mit schneidender Stimme. Der Goldjunge Dumbledores schüttelte den Kopf und schob die Lippen leicht vor.
„Sie sagen ja immer regelmäßig, dass mein Gehirn kein Hauptgewinn war und zu nichts zu gebrauchen ist. Es ist nicht alles Gold, was glänzt, nicht wahr?"
Wenn Blicke töten könnten, wäre Harry spätestens jetzt lichterloh in Flammen aufgegangen und tot umgefallen. Das war der perfekte Augenblick, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen.
„Jetzt weiß ich es. Mir wurde von Malfoy gesagt, ich soll mein Stresslevel dauerhaft senken und auf die heilende Kraft von echt darauf geschissen vertrauen, Sir. Nur exklusiv erhältlich in dieser Wüste", nuschelte er mit provokanter Stimme und blickte den Älteren stur in die Augen, während er die Arme vor der Brust verschränkte.
Verdammt, er war so betrunken. Das wurde ihm mehr oder weniger bewusst, als er seine letzten Gedanken durchging und überlegte, was er gerade gesagt hatte.
Normalweise kuschte er gerne vor Snape und versuchte alles, um die Fledermaus nicht zu reizen. Doch jetzt war er jemand Anderes und er hatte keinen Bock, den Kopf einzuziehen. Vielleicht wäre es dennoch klüger, die letzten Worte etwas abzuschwächen.
Der Gryffindor deutete ungerührt auf Dobby und Nero, die sich kichernd einen Tumbler teilten und ausschweifend diskutierten, welcher Tropfen besser schmeckte. Dabei schienen sie sich nicht einig zu werden, und er hatte den Eindruck, dass die beiden die Fledermaus noch nicht einmal bemerkt hatten.
„Ich bin offensichtlich mit Freunden hier."
Die Worte kamen ihm undeutlich über die Lippen und Snapes Miene verdüsterte sich weiter.
„So? Diese beiden Hauselfen sind Ihre Freunde?"
Harry konnte sehen, wie er angelächelt wurde. Okay, das war gruselig. Snape lächelte nie.
Der Professor war gerade wie ein Raubtier, das seine Beute in Augenschein nahm. Den Goldjungen Dumbledores ging dieses Verhalten gehörig gegen den Strich.
„Sie sind doch allwissend, sagen Sie es mir."
Ein leises kieksen kam dem Burschen über die Lippen und er begann sich zunehmend leichter zu fühlen.
„Mr Potter! Haben Sie etwa getrunken?"
„Keine Ahnung", sagte Harry betont langsam, während Snape ihm etwas genauer unter die Lupe nahm und sich über ihn beugte. Der Blick des Älteren haftete auf den Gryffindor, der sich keine Mühe gab, das Glas, das vor ihm auf dem Boden stand, zu verbergen.
Snapes dunkle Augen huschten über die beiden Flaschen, dann blieben sie auf dem kleinen silbernen Teller liegen.
„Was haben Sie da für seltsame Kekse? Zeigen Sie her."
Mit einem stummen Zauber holte Snape sich einen der Brownies.
Harry verzog das Gesicht. Allerdings versuchte er sich nichts anmerken zu lassen, als Snape den Brownie mit dem besonderen Benefit in einer eleganten Bewegung zerpflückte und die Brösel zwischen den Fingerspitzen zerrieb.
Der Bursche verfolgte, wie der Hogwarts-Lehrer nachdenklich seine Nase in die Überbleibsel steckte und dann einen der Brösel probierte.
„Was ist da drin? Es riecht abscheulich und schmeckt bitter."
Fast schwarze Augen trafen auf grüne und Harry verschränkte die Arme stur vor der Brust.
„Rollen Sie ruhig weiter mit den Augen, Sir! Vielleicht finden Sie dabei Ihr Gehirn. Das wird Ihnen gewiss sagen, was da drin ist."
Harry brachte die Worte hinter der vorgehaltenen Hand gehüstelt hervor und griff nach seinem Zauberstab. Er hätte es dabei belassen sollen, aber er konnte den Mund nicht halten.
Die erstaunlichen Augen des Älteren schienen zu glühen, und Harry konnte das Donnerwetter spüren, das aufzog.
„Stehen. Sie. Auf!"
Die bedrohlich ruhige Stimme machte deutlich, dass er Widerspruch nicht gewohnt war und auch nicht dulden würde. Harry presste die Lippen zusammen. Jede Bewegung war eine Qual und alles um ihn herum begann zu verschwimmen. Er hatte definitiv viel zu viel getrunken und dazu nur ein paar modifizierte Brownies gegessen.
„Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!", knurrte der Zaubertrankmeister leise, als der Bursche sich nicht bewegte und abwesend in die Ferne starrte.
Harry sprang schwankend auf und richtete den Zauberstab auf Snape. Dabei kam er auf eine dämliche Idee. Er hatte den Zaubertrankmeister schon einmal im dritten Jahr außer Gefecht gesetzt.
„Stu ..."
Er konnte kaum einen Atemzug tun, da hielt ihm eine starke, warme Hand am Handgelenk fest und riss ihm mit einem kräftigen Ruck nach vorne. Der Bursche knallte gegen den Brustkorb des Älteren und der herbe Geruch von Kräutern und Sandelholz hüllte ihn ein.
Snape hatte sich rasch und lautlos bewegt, so schnell, dass der Bursche es nicht gehört hatte.
Seine dunklen Augen schienen Löcher in Harrys Gesicht zu brennen, und er beugte sich so weit herunter, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten.
„Sie werden nicht noch einmal den Zauberstab gegen mich erheben. Das war das erste und letzte Mal, dass Sie mich so respektlos behandelt haben, Potter. Haben Sie mich verstanden?", knurrte er leise, doch gut verständlich.
Snapes Hand schnellte vor und nahm sein Kinn mit festem Druck zwischen zwei Fingern. Harry blickte in die dunklen Augen. Es war seltsam, wie warm die Hand des Mannes war. Er hatte immer gedacht, Snape war innerlich ein Eisblock.
„Was dann?", provozierte er lallend zurück und begann sich wie ein Aal zu winden.
„Was dann, Professor? Wir sind nicht in Hogwarts. Hier können Sie mich nicht mit unsäglichen Arbeiten quälen, wie Sie wollen. Obwohl Sie das wahrscheinlich auch nicht aufhalten würde. Also los, machen Sie schon! Lassen Sie mich spüren, was für ein Fiesling Sie doch sein können."
Er fühlte sich wie ein unartiges Kind. Ein Gefühl, das er hasste. Sein Gesicht wurde heiß und er wusste nicht, wo er hinschauen sollte.
Harry wollte Snape wegstoßen, doch blitzartig packten die Hände fester zu und er stieß ein Ächzen aus. Es war schmerzhaft, doch irgendwie fühlte es sich seltsam lebendig an. Er fühlte einmal etwas.
„Was bilden Sie sich eigentlich ein? Ich bin gewiss nicht gewillt, Sie mit Malfoy zusammen zu unterrichten. Doch ich mache es, weil niemand Sie vor dem dunklen Lord retten kann, Potter. Sie werden sterben ohne Anleitung. Das sollte Ihnen doch eigentlich klar sein. Nicht, dass mich das kümmern würde. Mich interessiert nicht, was aus Ihnen wird."
Der Bursche starrte ihn an und Hass strömte in seine Brust. Seine Lippen zitterten und sein Blick verschleierte sich. Ja, es kümmerte wirklich niemanden, was aus ihm wurde. Hauptsache, er nahm den dunklen Lord mit sich ins Grab.
„Wobei es in Ihrer Situation besser wäre, wenn Sie uns allen einen Gefallen tun und verschwinden würden. Niemand braucht Sie, Potter. Selbst Ihre Freunde scheinen das erkannt zu haben."
Wieder brannte eine Woge quälender Schmerz über den Burschen hinweg. Ein paar heiße Tränen liefen Harry über das Gesicht, und er glaubte, Snape konnte seine zerrissene Seele sehen. Ihm war, als wäre sein Innerstes gerade nach Außen gekehrt worden. Viel zu viele Emotionen machten sich in Harry breit. Hass, Schmerz, Verzweiflung und eine seltsame Leere.
Mühsam blinzelte er die Tränen weg, dann sammelte er sich.
Der Goldjunge Dumbledores spuckte dem dunkelhaarigen Mann ohne jegliche Vorwarnung in das Gesicht und versuchte sich zu befreien. Die Retourkutsche war eine saftige Ohrfeige, die es in sich hatte.
Harrys Kopf schnellte zur Seite und für einen Augenblick lang stand er regungslos da.
Hätte Snape ihm nicht festgehalten, wäre er rückwärts in den Sand gefallen.
Ein ekelhafter Kopfschmerz explodierte hinter seinen Augenlidern und er stöhnte ungehalten auf.
Das hatte gesessen.
Zweifelhafte Bitterkeit legte sich über ihm und das Gefühl kam auf, es Snape irgendwann heimzuzahlen.
Ein leerer Ausdruck legte sich in die grünen Augen. Den Schmerz, den er stets mit Alkohol betäubte, war mit voller Wucht zurückgekehrt.– Unpassender Moment, nicht wahr?–
Gequält kniff Harry die Augen zusammen und biss die Zähne zusammen. Unpassend war kein Ausdruck. Er brauchte ein paar Sekunden, um sich zu fangen, dann starrte er Snape an.
„Wissen Sie was? Vielleicht tue ich uns allen den Gefallen und bringe mich um. Dann ist Voldemort nicht mehr Problem, und Sie und die gesamte Zauberergemeinschaft können sich dann selbst um diese Angelegenheit kümmern."
„Natürlich", ätzte Snape, und man konnte hören, dass er ihm kein einziges Wort glaubte.
„Der berühmte Harry Potter ist ein Feigling durch und durch. Dafür haben Sie nicht den Schneid, auch wenn Sie ein Gryffindor sind. Um einen passablen Zaubertrank des schwarzen Todes hinzubekommen, fehlt Ihnen eindeutig das nötige Talent. Und wie Sie bestimmt wissen, ist der Todesfluch nicht auf sich selbst auszusprechen. Ihr Zauberstab wird Ihnen den Dienst verweigern."
Eine seltsame Miene legte sich dem Burschen über das Gesicht, als er Snape anstarrte. Es war ein Ausdruck, der den Professor stutzen ließ.
Ob Harry es Ernst meinte, war nicht zu erkennen. Allerdings war da etwas in den grünen Augen, etwas, das einen Grund zur Sorge liefern könnte.
„Es gibt auch andere Wege, um sich ..."
Harry räusperte sich und ließ seine Gedanken wandern.
Kurz dachte er daran, wie er sich vor einen Spiegel stellte und den Zauber sprach, der sein Leben beenden würde. Ob das Glas den Zauber auf ihn zurückwerfen würde? Ein Versuch war durchaus drin.
Der Goldjunge erwachte aus seiner kurzen Starre und blickte den Älteren an, der leicht vor seinen Augen verschwamm.
„Klappt die eine Idee nicht, ist es die andere. Ich bin erfinderisch, zur Not schlage ich in der verbotenen Abteilung nach."– Oder du gehst in den Wald und lasst dich von den Spinnen fressen. Aragog wäre bestimmt scharf darauf, dich auszusaugen wie ein Vampir.–
Es war zu sehen, dass Snape ihm am liebsten noch eine Ohrfeige verpasst hätte. Das Gespräch, das zuerst so hitzig gewesen war, hatte eine unschöne Wendung genommen. Etwas, das dem Zaubertrankmeister ganz und gar nicht zu passen schien.
„Halten Sie den Mund! Sie sind betrunken, Potter und vollgepumpt mit irgendeiner anderen Substanz, die sich meiner Kenntnis entzieht. Sie haben keine Ahnung von dem, was Sie reden."
„Oh, gewiss habe ich eine Ahnung! Ich war mir meiner Selbst noch nie so bewusst."
„Schluss damit! Zuerst werden Sie wieder nüchtern, dann führen wir dieses Gespräch weiter."
„Oh, ich kann es kaum erwarten, Professor", spuckte der Bursche bitter aus.
„Ich wollte schon immer mit Ihnen reden."
Der Zaubertrankmeister warf Harry ohne Weiteres wie ein Kartoffelsack über die Schulter. Obwohl der Bursche sich nach Leibeskräften wehrte, schrie, ihn beschimpfte und verlangte, sofort heruntergelassen zu werden, hielt Snape ihm ungerührt fest.
„Sie sind ein Dreckschwein, durch und durch! Nichts als ein hinterhältiges Arschloch!", beschimpfte Harry ihn bitter lallend und schlug mit den Fäusten auf den Älteren ein.
Ohne ein weiteres Wort apparierte er.
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Three souls - one fate
Fiksi PenggemarVor den Sommerferien vor seinem sechsten Jahr in Hogwarts kommt Harry mit einem uralten Zauber in Berührung, der sein gesamtes Leben mit einem Mal auf den Kopf stellt. Nichts ist von dem lieben Burschen übriggeblieben, den man vor diesem Zwischenfal...