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Am nächsten Morgen weckte sie das sanfte Licht der Morgensonne, das durch die Vorhänge ihres Zimmers schien. Berivan blinzelte verschlafen und fühlte das schwere Gewicht der letzten Nacht noch immer in ihrem Herzen. Sie drehte sich zur Seite und sah das Handy auf dem Kissen neben ihr liegen. Für einen Moment überlegte sie, ob sie nachsehen sollte, ob er geantwortet hatte. Doch dann entschied sie sich dagegen. Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, ihre Gedanken und Hoffnungen weiter an diese ungewisse Erwartung zu knüpfen.

Stattdessen stand sie langsam auf und zog die Vorhänge zur Seite, um das Zimmer mit Licht zu füllen. Sie atmete tief ein und fühlte die frische Luft, die durch das gekippte Fenster strömte. Es war, als würde das Licht ein wenig Wärme in ihr kaltes, trauerndes Herz bringen. Sie entschied, dass sie nicht länger in diesem Zustand der Ungewissheit verharren konnte. Es gab eine Welt da draußen, die auf sie wartete, eine Welt, die trotz allem voller Möglichkeiten war.

Berivan beschloss, den Tag mit einem Spaziergang zu beginnen. Sie zog sich an, griff nach ihrer Jacke und trat hinaus in die kühle, klare Morgenluft. Jeder Schritt fühlte sich an wie ein kleiner Akt des Widerstands gegen die Traurigkeit, die sie noch immer umgab. Sie ging durch den Park in der Nähe ihrer Wohnung, lauschte dem Zwitschern der Vögel und dem sanften Rauschen der Bäume im Wind. Die Bewegung tat gut, brachte sie auf andere Gedanken und ließ sie das Hier und Jetzt spüren.

Sie wusste, dass sie Zeit brauchte, um den Schmerz zu verarbeiten und die Enttäuschung zu überwinden. Aber sie wusste auch, dass sie stark war. Sie erinnerte sich an all die Momente in ihrem Leben, in denen sie gedacht hatte, sie könne nicht weitermachen, und wie sie es trotzdem immer wieder geschafft hatte. Diese Erkenntnis gab ihr neue Kraft.

Als sie den Park verließ und sich auf den Weg zu ihrem Lieblingscafé machte, beschloss sie, dass es an der Zeit war, sich auf sich selbst zu konzentrieren. Auf das, was sie glücklich machte und ihr Freude brachte. Sie hatte zu lange auf jemanden gewartet, der vielleicht nicht die gleiche Bedeutung in ihren gemeinsamen Erinnerungen sah wie sie. Und das war in Ordnung. Sie würde lernen, diese Kapitel in ihrem Leben mit einem Lächeln abzuschließen, auch wenn es mit einem bittersüßen Schmerz verbunden war.

Im Café bestellte sie ihren Lieblingsgetränk und setzte sich ans Fenster, um den Menschen auf der Straße zuzusehen. Sie zog ein Notizbuch aus ihrer Tasche und begann zu schreiben, ihre Gedanken und Gefühle auf das Papier fließen zu lassen. Es war eine kleine Geste, aber es fühlte sich wichtig an, wie ein erster Schritt auf einem neuen Weg.

Die Traurigkeit war noch da, tief in ihrem Inneren, aber sie spürte auch etwas anderes: eine leise, aber wachsende Entschlossenheit. Sie würde diese Zeit nutzen, um sich selbst besser kennenzulernen, um herauszufinden, was sie wirklich wollte und wer sie wirklich war. Und vielleicht, eines Tages, würde sie zurück in das Dorf gehen, um sich den Erinnerungen zu stellen, nicht wegen des braunhaarigen Jungen, sondern für sich selbst.

Während sie so dasaß und ihre Gedanken niederschrieb, fühlte Berivan, wie ein kleiner Funke in ihr auflebte. Es war kein überwältigendes Gefühl, keine plötzliche Erleuchtung, sondern einfach das leise Wissen, dass sie die Kraft hatte, weiterzugehen. Dass sie ihren eigenen Weg finden würde, egal, wohin er sie führte.

Die Tage vergingen langsam, und Berivan fand sich in einer Routine wieder, die ihr half, mit ihren Gefühlen umzugehen. Sie begann, mehr Zeit draußen zu verbringen, erkundete neue Orte in der Stadt, die sie noch nie zuvor besucht hatte, und traf sich häufiger mit Freunden, die sie mit ihrer guten Laune aufmunterten. Es tat gut, von Menschen umgeben zu sein, die sie verstanden und sie zum Lachen brachten, auch wenn ihr Herz noch schwer war.

Trotzdem gab es Momente, in denen die Traurigkeit sie wieder einholte. Wenn sie abends allein in ihrer Wohnung war und die Stille zu laut wurde, dachte sie immer wieder an den braunhaarigen Jungen aus dem Dorf und an die Zeiten, die sie zusammen verbracht hatten. Sie fragte sich, was er jetzt tat, ob er je an sie dachte, oder ob sie für ihn nur eine Erinnerung war, die langsam verblasste.

Der Taubenjunge Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt