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Mit jedem Tag, den sie miteinander schrieben, wuchs Berivans Sehnsucht, ihn wiederzusehen. Die Worte, die sie tauschten, waren voller Wärme und Bedeutung, aber sie wollte wissen, ob diese Nähe auch in der Realität bestehen konnte. Die Wochen vergingen, und obwohl ihre Nachrichten zu einem festen Bestandteil ihres Tages geworden waren, spürte sie eine leise Unruhe.

Sie stellten sich oft vor, wie es wäre, wenn sie wieder beieinander wären – was sie gemeinsam tun würden, wie sie lachen und reden würden. Aber in den stillen Momenten fragte sich Berivan, ob er in echt genauso sein würde, wie er es in seinen Nachrichten zeigte. Es war eine wunderschöne Seite von ihm, die sie in all den Gesprächen entdeckt hatte, doch die Unsicherheit blieb.

Eines Abends, als sie wieder miteinander schrieben, fragte er: „Wann sehen wir uns endlich wieder? Ich will dir so viel erzählen, aber ich möchte es dir ins Gesicht sagen und nicht mehr nur tippen."

Berivan spürte, wie ihr Herz einen kleinen Sprung machte. Der Gedanke, ihm bald wieder gegenüberzustehen, war aufregend, aber auch ein wenig beängstigend. Würde diese neue, tiefere Verbindung, die sie aufgebaut hatten, auch halten, wenn sie sich in die Augen sahen? Sie lächelte, während sie seine Nachricht las, und antwortete: „Bald. Sehr bald."

Berivan schrieb ihm eines Abends: „Ich kann nicht einfach die Arbeit liegen lassen und in die Türkei kommen. Wenn ich das tun würde, könnte ich gekündigt werden." Sie wusste, dass er sie gern bei sich haben wollte, und sie wünschte sich nichts mehr, als ihn endlich zu sehen, aber die Realität hielt sie zurück.

Seine Antwort kam schnell, aber sie irritierte sie: „Hmm." Mehr nicht. Kein Verständnis, kein Zuspruch, einfach nur dieses eine Wort. Es fühlte sich distanziert an, fast emotionslos, und für einen Moment wusste Berivan nicht, was sie davon halten sollte.

Sie starrte auf das Display, unsicher, was sie als Nächstes schreiben sollte. Die Leichtigkeit, mit der sie sich sonst miteinander unterhielten, schien plötzlich verschwunden. Sie hatte gehofft, dass er ihre Situation verstehen würde – wie wichtig ihr Job war und wie viel Verantwortung sie trug. Aber jetzt, mit diesem „Hmm", fühlte es sich an, als ob er das nicht nachvollziehen konnte.

Nach einer Weile schrieb er weiter: „Es tut mir leid, ich weiß, dass es schwierig für dich ist.  Aber Ich vermisse dich viel ."

Berivan atmete erleichtert auf. Sie konnte die Enttäuschung in seinen Worten spüren, aber jetzt klang es, als ob er wirklich versuchte, ihre Lage zu akzeptieren. Dennoch blieb ein leises Unbehagen in ihr zurück. Sie fragte sich, ob es ihm wirklich bewusst war, wie ernst die Situation für sie war – dass sie nicht einfach alles stehen und liegen lassen konnte, selbst wenn sie es noch so sehr wollte.

„Ich vermisse dich auch," tippte sie. „Mehr, als du dir vorstellen kannst. Aber ich brauche diesen Job, und wir müssen einen Weg finden, damit umzugehen, ohne dass einer von uns etwas aufgibt."

Seine Antwort kam etwas langsamer: „Du hast recht. Wir werden es schaffen. Es ist nur schwer, so weit weg voneinander zu sein. Aber ich werde geduldig sein. Für uns."

Berivan lächelte. Auch wenn es nicht die perfekte Antwort war, fühlte sie, dass er es ernst meinte. Und sie wusste, dass sie beide stark sein mussten, um diese Distanz zu überbrücken.

Der Taubenjunge Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt