Kapitel 4

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POV Kai

Das Wasser prasselte auf meinen Rücken, heiß und unbarmherzig, als könnte es all die Kälte in mir wegspülen. Aber es funktionierte nicht. Die Wärme, die ich brauchte, kam von woanders.

Sie war nicht in der Dusche, nicht im heißen Wasser, sondern in Julian – und er war jetzt nicht bei mir.

Ich presste die Handflächen gegen die kühlen Fliesen und ließ meinen Kopf sinken, während mir die Tränen unkontrolliert über das Gesicht liefen.

Sie mischten sich mit dem Wasser, verschwanden in den Strudeln, die den Abfluss hinabflossen, aber der Schmerz blieb.

Es war nicht der Schmerz über die Worte, die mir diese Fremden in der Mall entgegen geschleudert hatten, auch wenn sie tief schnitten.

Diese homophoben Kommentare, die hasserfüllten Blicke, das Gefühl, dass wir nur wegen unserer Liebe verurteilt wurden – das war schlimm, ja.

Es traf mich, wie es jeden treffen würde. Aber das war nicht der Kern. Der wahre Schmerz, der mich überwältigte, war Julian. Es war der Gedanke daran, wie sehr ihn das alles verletzte.

Er hatte das schon einmal durchgemacht. Damals, als er unter so viel Druck stand, als er psychisch nicht mehr konnte und seine Leistung im Fußball darunter litt.

Sie hatten ihn online in Stücke gerissen, ihn fertig gemacht, als wäre er nichts wert. Diese Menschen, die nicht ein einziges Mal hinter die Fassade geblickt hatten, hatten ihn zerstört.

Und jetzt, jetzt durchlebte er das alles wieder – wegen mir. Wegen uns.

Mein Körper zitterte unter der heißen Dusche, und ich konnte nichts dagegen tun. Ich wollte stark sein, für ihn, für uns beide, aber ich fühlte mich so hilflos.

Wie kann man jemanden beschützen, wenn die ganze Welt gegen ihn ist? Wie kann man jemanden so sehr lieben und trotzdem zusehen, wie er leidet?

Ich ließ den Kopf gegen die Fliesen sinken, die kühle Oberfläche war ein schwacher Trost gegen das brennende Gefühl in meiner Brust.

Julian... Gott, er verdient die Welt. Er verdient alles, was gut und rein ist, und doch bekam er so viel Schmerz.

Es war, als ob die Liebe, die ich ihm geben wollte, von dieser Welt in etwas Verdorbenes verwandelt wurde, etwas, das uns beide auseinanderreißen könnte. Und das... das war unerträglich.

Meine Tränen kamen schneller, heftig, und ich ließ sie zu. Es gab keinen Grund, sie zu verbergen, nicht hier.

Es war, als ob ein Damm in mir gebrochen war, als ob all die aufgestaute Angst und der Schmerz in einem Strom aus mir herausquollen. Ich schluchzte, laut und heftig, so wie ich es noch nie getan hatte.

Mein ganzer Körper verkrampfte sich unter der Last dieser Gefühle, und ich wusste nicht, wohin damit.

Es war der Schmerz, nicht nur über die Dinge, die heute passiert waren, sondern über alles. Über das Gefühl, dass ich Julian nicht beschützen konnte.

Dass ich ihn vielleicht verlieren könnte. Diese Angst... sie zerriss mich innerlich.

Ich liebte ihn. So sehr, dass es wehtat. Ich liebte ihn auf eine Weise, die ich nie für möglich gehalten hatte, und diese Liebe machte mich schwach, verwundbar.

Aber noch mehr tat es weh zu sehen, wie er litt. Ich wollte ihn festhalten, ihn in Sicherheit wiegen, ihn von all diesem Schmerz befreien, aber wie?

Wie konnte ich ihn schützen, wenn ich nicht einmal wusste, wie ich mich selbst schützen sollte?

Der letzte PassWo Geschichten leben. Entdecke jetzt