POV Kai
Das kühle Morgenlicht von Los Angeles glitt langsam über die Straßen, während meine Füße monoton den Asphalt unter mir trafen.
Das sanfte Geräusch des Aufpralls und mein eigener gleichmäßiger Atem waren fast beruhigend. Doch in meinem Kopf schien nichts still zu stehen.
Ich hatte versucht, es wegzulaufen – diese innere Unruhe, die mich seit Tagen begleitete. Aber selbst das Laufen, das früher immer meine Flucht war, half nicht mehr.
Stattdessen fühlte sich alles schwerer an. Mein Herz hämmerte nicht nur vom Joggen, sondern auch von den Gedanken, die sich unaufhörlich drehten.
Julian.
Er war immer da, in jeder Sekunde. Egal, wie weit ich rannte, ich konnte nicht vor der Angst fliehen, ihn zu verlieren.
Es war nicht nur diese Beziehung, um die ich mich sorgte – es war mehr. Es war seine Seele, seine Stärke, die durch all die Kommentare, die Schlagzeilen und den Hass, den wir erlebten, in Gefahr schien.
Julian versuchte, alles an sich abprallen zu lassen, aber ich wusste, dass es ihn traf. Ich konnte es in seinen Augen sehen, in den stillen Momenten, wenn er dachte, ich bemerke es nicht.
Und was, wenn es zu viel für ihn wurde? Was, wenn er den Druck, den Hass und die ständige Beobachtung nicht mehr aushielt?
Was, wenn er sich entschied, dass ich das nicht wert bin? Dass all dieser Schmerz, all die Kommentare und die Verurteilungen nicht gerechtfertigt sind für das, was wir haben?
Es waren nicht nur seine Ängste – es waren meine. Wie konnte ich ihn beschützen, wenn ich selbst nicht wusste, wie ich mit all dem umgehen sollte?
Jeder Artikel, jeder Online-Kommentar, der ihn angriff, fühlte sich an wie ein direkter Schlag in die Magengrube.
Und was war mit mir? Ich war derjenige, der ihn all die Jahre leiden ließ. Ich war es, der nicht den Mut hatte, zu mir und meiner Liebe zu stehen.
Ich hatte ihn verletzt, ihn im Dunkeln gelassen, meine Ex-Frau betrogen, während ich mich manipulieren ließ von den homophoben Meinungen anderer – Menschen, die mir nichts bedeuten.
Doch jetzt war es anders. Jetzt wollte ich es der Welt zeigen. Julian ist meine Welt.
Aber wie konnte ich das tun, wenn jeder Versuch, uns zu öffnen, ihn weiter verletzte? Die Marken und Firmen, die uns plötzlich für ihre Pride-Kampagnen wollten, wollten nur unser Bild.
Sie wollten die Oberfläche. Aber ich wusste, dass mit jedem Bild, mit jedem Auftritt, der Hass noch größer werden würde. Und das Letzte, was ich wollte, war, Julian noch mehr zu schaden.
Ich konnte ihn nicht verlieren. Aber die Angst, dass er eines Tages aufwachen und denken könnte, dass das alles – ich, unser Leben – nicht genug für ihn ist, nagte an mir. Und vielleicht hatte er recht. Vielleicht war ich das alles nicht wert.
Die körperliche Anstrengung des Laufens wurde immer spürbarer. Meine Beine brannten, meine Lunge zog, und trotzdem spürte ich, dass die Last in meinem Kopf schwerer war als die des Körpers. Das Laufen half nicht.
Als ich schließlich das Café erreichte, hatte ich das Gefühl, in meiner eigenen Haut zu ersticken.
Ich bestellte Frühstück, doch die normalen Freuden, die mich sonst an einem Morgen wie diesem begleitet hätten, blieben aus. Selbst der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee konnte die Schwere in meiner Brust nicht vertreiben.
Ich liebte Julian. Aber was, wenn ihm das nicht genug war?
_____Ich sitze auf dem Sofa im Wohnzimmer, Lilly auf meinem Schoß, die mit wackeliger Stimme versucht, nicht zu weinen.
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Der letzte Pass
Fanfiction**Fortsetzung von Abseits der Herzen** Julian liebt Kai. Kai liebt Julian. Doch reicht das aus? Trotz ihrer Liebe droht das Unausweichliche: Dunkle Geheimnisse und unversöhnliche Konsequenzen lauern, während ihre Welt immer mehr aus den Fugen gerät...