Kapitel 22

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POV Unbekannt

Der Fußgänger

Es ist einer dieser heißen Sommertage, an denen man es sich einfach nicht in der stickigen Wohnung aushalten will, also schlendere ich durch die Straßen von Bremen.

Die Menschen wuseln um mich herum, manche in Eile, andere entspannt wie ich. Eine gute Gelegenheit, um neue Inspiration zu finden, vielleicht für ein Designprojekt oder einfach nur für die Seele.

Gerade als ich vor einer kleinen Buchhandlung stehen bleibe, um das Schaufenster zu betrachten, sehe ich vor mir einen älteren Mann, der lautstark mit einem jüngeren Pärchen diskutiert.

Der ältere Mann trägt einen grauen Anzug, makellos gebügelt, sein Auftreten wirkt streng, fast schon geschäftlich.

Das Paar hingegen sieht irgendwie bedrückt aus, besonders der junge Mann – blond, sportlich – er schaut fast resigniert zu Boden, während die Frau neben ihm, elegant und freundlich, versucht, die Situation zu entschärfen.

„Du verstehst nicht, was auf dem Spiel steht! Du kannst nicht einfach tun, was du willst, Julian!“, donnert der ältere Mann. Jetzt höre ich es klar heraus – Vater und Sohn. Doch der Vater wirkt eher wie ein Manager, so distanziert und kalt, wie er redet.

„Es ist nicht so einfach...“, murmelt der junge Mann, aber sein Blick wandert unsicher zu Boden. Die Frau, seine Freundin, sieht ihn besorgt an. Sie greift sanft nach seinem Arm, als wolle sie ihm Mut machen, schaltet sich dann vorsichtig in das Gespräch ein.

„Vielleicht sollten wir einfach mal eine kleine Pause machen? Da vorne ist eine Eisdiele“, sagt sie und deutet mit einem gezwungenen Lächeln in Richtung einer Gelateria am Straßenrand.

Sie scheint alles zu versuchen, um die Situation zu entschärfen, aber der Vater schüttelt nur genervt den Kopf.

„Dafür habe ich keine Zeit“, faucht er, „ich muss mich noch um die Fehler deines Bruders kümmern!“ Seine Worte sind scharf, und ich merke, wie der junge Mann – Julian, heißt er anscheinend – noch tiefer in sich zusammensinkt.

Das Pärchen wirkt völlig unglücklich, aber sie lassen die harte Art des Mannes über sich ergehen.

Die Frau scheint einen letzten Versuch zu starten, etwas Leichtigkeit in die Situation zu bringen. „Julian, wie wär’s, wenn wir uns ein Eis holen? Ich lade dich ein.“ Ihr Lächeln ist bemüht, doch der Vater fährt ihr unfreundlich dazwischen.

„Er sollte dich einladen, nicht umgekehrt“, knurrt er. Es ist fast, als ginge es ihm um Prinzipien, um ein Machtspiel. Es wirkt alles so unnatürlich, so kontrolliert. Ich frage mich, wie die beiden das aushalten.

Der junge Mann, Julian, scheint keinen Widerstand leisten zu wollen. Er hebt den Kopf nur leicht, blickt kurz zu seiner Freundin, dann wieder zu seinem Vater. „Ja, Papa“, murmelt er, als würde er den Kampf schon lange aufgegeben haben.

Ich kann die Spannung in der Luft fast greifen. Es ist klar, dass dieser Mann, dieser Vater, alles bestimmt. Die Frau lächelt schwach, wahrscheinlich um die Stimmung zu retten.

„Wir könnten Fotos machen, während wir das Eis essen“, sagt sie, ihre Stimme leicht, als wolle sie die dunklen Wolken zerstreuen.

Der Vater nickt endlich, offenbar zufrieden. „Das erwarte ich auch von euch“, sagt er. „Vergiss nicht, Julian – reiß dich zusammen. Du hast ein Image zu retten.“

Mit diesen Worten dreht er sich um und geht schnellen Schrittes die Straße hinunter. Für einen Moment bleibt das Paar regungslos stehen, als ob der Abgang des Vaters erst verarbeitet werden muss.

Der letzte PassWo Geschichten leben. Entdecke jetzt