Kapitel 28

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POV Julian

Es war ein seltsam kühler Julimorgen, irgendwo um die 17 Grad, und eine dünne Schicht Wolken hing wie ein Schleier über Bremen. Die Straßen waren ruhig, und die Sonne schien zögerlich, als wolle sie den Sommer heute nicht so recht durchlassen.

Ich saß am Fensterplatz im „Kaffeehaus am Markt“ – einem kleinen, gemütlichen Café mitten in der Altstadt, das ich in letzter Zeit so gut kannte, dass es sich fast wie ein zweites Zuhause anfühlte.

Es war 9:23 Uhr, und ich starrte gedankenverloren in meine Tasse schwarzen Kaffees, den ich fast mechanisch bestellt hatte. Der bittere Geschmack brannte leicht auf der Zunge, die Wärme schien jedoch nicht in meinem Inneren anzukommen.

Ich schaute zur Tür und sah Emma Sarah gerade hereinkommen. Elegant und mit diesem bewussten Lächeln, das sie immer aufsetzte, wenn sie wusste, dass Leute sie beobachteten.

Ich war ihr gegenüber freundlich, wie es mein Vater mir gestern wieder eingeprägt hatte – „freundlich und ein bisschen interessiert, Julian. Denk daran, dass sie eine wunderbare Freundin für dich wäre. Das ist wichtig.“

Seine Worte klangen noch immer nach, und ich fühlte den Druck, den er damit auf mich ausübte.

„Hey,“ sagte sie und ließ sich mir gegenüber nieder. Ich erwiderte ihren Gruß, mein Blick schweifte kurz zur Tür, durch die mein Vater vor einer halben Stunde verschwunden war, um „ein paar Dinge zu erledigen“, wie er es vage ausgedrückt hatte. Die Ahnung, dass es irgendwie mit dieser PR-Sache zu tun hatte, ließ sich nicht abschütteln.

„Das war eine interessante Gala, hm?“ Emma lächelte, während sie sich eine heiße Schokolade bestellte. „Du hast wirklich gut ausgesehen im Anzug.“

„Ja, danke,“ murmelte ich und rührte in meinem Kaffee, obwohl da längst kein Zucker mehr drin war, den ich noch umrühren könnte. Das Gespräch über die Gala war das Letzte, worüber ich heute Morgen sprechen wollte.

Sie zog ihr Handy heraus und tippte schnell, bis sie eines der Bilder öffnete und mir hinhielt. Es zeigte uns, Arm in Arm, im Blitzlichtgewitter. Mein Lächeln auf dem Foto wirkte tatsächlich fast überzeugend.

„Er hat sie mir gestern alle geschickt,“ sagte sie leichthin. „Die Reaktionen im Netz sind auch schon vielversprechend.“

„Hm.“ Ich zwang mich, interessiert zu klingen und nickte, doch die Worte schienen an mir vorbeizuziehen. Natürlich war ich hier, um das zu tun, was mein Vater von mir erwartete – Emma an meiner Seite, die perfekte PR-Geschichte, die perfekte Alibi-Freundin. Aber in meinem Kopf war nur ein Gedanke: Kai.

Ich spürte, wie sich mein Herz schmerzhaft zusammenzog, und versuchte, mir ein Bild von ihm vorzustellen – sein Gesicht, sein Lächeln, die Art, wie seine Augen funkelten, wenn er lachte. Und doch konnte ich diese Gedanken nicht zulassen. Ich musste mich zusammenreißen.

„Und, was hast du so zu den Fotos gehört?“

„Ach, so einiges. Im Netz sind die Reaktionen echt gemischt. Manche sagen, wir wären DAS neue Paar, andere finden’s langweilig, und natürlich gibt's die, die mit allen Mitteln versuchen, uns auseinanderzudiskutieren.“ Sie lachte leicht, aber in ihrem Lachen lag etwas Mechanisches, als wäre es bloß eine Maske.

Ich nickte nur. „Ja, willkommen in der wunderbaren Welt der Social Media.“ Mein Versuch, scherzhaft zu klingen, klang kläglich, selbst in meinen eigenen Ohren. Der Kaffee war inzwischen kalt geworden, und ich stellte die Tasse weg. Der Geschmack des Gesprächs passte inzwischen perfekt zum Kaffee – schal und abgestanden.

Emma musterte mich mit einem schrägen Blick. „Julian, ich weiß, dass das für dich auch alles seltsam ist.“

„Mhm,“ bestätigte ich. Sie hatte keine Ahnung. Nicht davon, wie sehr mir all das gegen den Strich ging. Nicht davon, dass ich eigentlich gerade mit Kai … aber nein, ich durfte diesen Gedanken nicht zu Ende denken. Das hier war für Kai.

Der letzte PassWo Geschichten leben. Entdecke jetzt