Kapitel 14

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Anna

Roman sah mich nur an, wahrscheinlich war er sprachlos. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Du musst wirklich gelitten haben“, sagte Roman leise. „Lass uns nicht mehr darüber reden, ich habe damit abgeschlossen“, erwiderte ich und nahm einen Schluck aus meinem Becher. Er nickte und schluckte kurz. „Bitte, Roman, die Stimmung ist ohnehin schon fast ruiniert. Verhalte dich normal, ich hätte das gar nicht erzählen sollen, jetzt ist die Stimmung...“ Plötzlich zog Roman mich in seine Arme. „Du hast sie nicht ruiniert, ich musste es nur verarbeiten, und die Stimmung ist auch nicht kaputt. Es ist Vergangenheit, Anna. Wir leben in der Gegenwart und nicht in der Vergangenheit“, flüsterte Roman. Lächelnd schmiegte ich mich an ihn. So blieben wir auf der Decke sitzen und unterhielten uns, die Stimmung war ausgelassen. Am Abend räumten wir die restlichen Sachen wieder in den Korb. Roman brachte den Korb zu seinem Auto, danach liefen wir am Phönixsee entlang. „Es war ein wundervoller Tag, Roman, ich habe es wirklich genossen“, sagte ich zu ihm. „Mir auch. Jetzt kommt deine Überraschung: Wir schauen uns deinen Lieblingsfilm im Kino an“, grinste er mich an. „Wirklich, du schaust mit mir Titanic an?“, fragte ich aufgeregt. „Ja, ich habe auch Taschentücher dabei“, lachte Roman. Kopfschüttelnd stieg ich in sein Auto ein, er lachte immer noch und setzte sich ebenfalls hinein. Leicht boxte ich ihn gegen den Arm. „Hey, ich fahre!“, sagte er gespielt ernst. „Natürlich, natürlich“, lachte ich jetzt. Im Kino angekommen, bezahlte Roman die Tickets und kaufte noch zwei Softdrinks und Popcorn. Wir setzten uns auf unsere Plätze; nur wir beide waren im Raum. Gespannt sah ich mir den Film an, selbst Roman sagte kein Wort. Schluchzend nahm ich ein Taschentuch und wischte mir die Tränen weg. „Es ist immer wieder so traurig... Jack und Rose haben sich getroffen, und dennoch werden sie niemals zusammen sein“, sagte ich schluchzend. Lächelnd umarmte mich Roman und tröstete mich. Schließlich verließen wir das Kino, und Roman fuhr mich nach Hause. „Es war ein wundervoller Tag heute, lass uns das wiederholen?“, flüsterte Roman. „Das stimmt, du kannst dich jederzeit bei mir melden, Roman“, antwortete ich leise und umarmte ihn zum Schluss, bevor ich ins Hotel ging.

Im Hotelzimmer zog ich meinen Pyjama an und legte mich ins Bett. War es richtig, Roman von meiner Vergangenheit zu erzählen? Ich hatte schon ein wenig Zweifel, aber rückgängig machen konnte ich es nicht. Und es war ja nicht meine gesamte Vergangenheit, das Schlimmste hatte ich nicht erzählt und würde ich auch nie. Am liebsten würde ich alles einfach vergessen oder aus meinem Gedächtnis löschen, doch das ist einfach nicht möglich. Schluchzend drückte ich das Kissen an mein Gesicht und weinte bitterlich. Die Erinnerungen kamen wieder hoch, ich sprang aus dem Bett und lief zur Toilette, wo ich mich übergab. Danach spülte ich mich ab und stellte mich unter die Dusche. Mit der Badebürste schrubbte ich meinen Körper, bis er blutig war, dann drehte ich das Wasser auf ganz heiß und ließ es über mich laufen. Schluchzend sank ich zu Boden, und das heiße Wasser brannte nach einer Weile auf meiner Haut. Nachdem ich mich beruhigt hatte, stellte ich das Wasser ab, stieg vorsichtig aus der Dusche und betrachtete meinen Körper. Schon liefen die Tränen wieder über mein Gesicht; mein ganzer Körper war entstellt, an manchen Stellen bluteten die frischen Wunden. "Wer könnte jemanden wie mich lieben oder mit mir zusammen sein? Ich bin ein Wrack, niemand weiß, wie sich seelischer Schmerz auf den Körper auswirkt", flüsterte ich erstickt. Warum konnte Roman mich berühren oder umarmen? Mein Körper geht eigentlich in Abwehrhaltung, wenn mich jemand anfasst.

Roman

Mit dem Handy in der Hand ging ich in den Garten, setzte mich auf die Liege und rief Marco an. „Roman? Weißt du, wie spät es ist?“, fragte Marco, als er abnahm. „Ja, das weiß ich, Marco! Ich mache mir Sorgen um Anna. Wir haben gesprochen, und sie hat mir von ihrer Vergangenheit erzählt, aber ich habe das Gefühl, dass sie mir etwas verschweigt, und das belastet sie sehr“, antwortete ich. „Roman, vielleicht ist sie einfach noch nicht bereit. Gib ihr Zeit, sie wird es dir bestimmt erzählen“, meinte er. „Nein, das wird sie nicht. Ich glaube, sie hat Angst vor meiner Reaktion, Marco. Sie hat mir sehr persönliche Dinge aus ihrer Vergangenheit anvertraut, also hätte sie auch das andere erzählen können. Ich vermute, dass sie etwas Schlimmes erlebt hat“, sagte ich. „Wenn das der Fall ist, Roman, dränge sie nicht, es dir zu erzählen. Das würde die Situation nur verschlimmern. Sei für sie da und unterstütze sie, vielleicht öffnet sie sich irgendwann. Ein Psychologe wäre auch ratsam, wahrscheinlich hat sie das Erlebte nicht verarbeitet und ein Trauma erlitten“, meinte Marco schließlich. „Du hast recht, ich werde sie morgen früh anrufen. Danke“, bedankte ich mich. Nach dem Gespräch mit Marco fühlte ich mich kein bisschen beruhigter; stattdessen breitete sich ein mulmiges Gefühl in meinem ganzen Körper aus. Ich schüttelte schnell den Kopf – ihr ist nichts passiert, ich mache mir einfach zu viele Sorgen um sie. Als es etwas kühler wurde, ging ich wieder in die Wohnung. Das unangenehme Gefühl verschwand jedoch nicht, es wurde immer präsenter. Im Badezimmer schnitt ich mir den Bart, dann ging ich unter die Dusche und wusch mich. Wenige Minuten später trat ich aus der Dusche und wickelte ein Handtuch um meine Hüfte. Plötzlich überkam mich eine starke Gänsehaut am ganzen Körper, obwohl die Temperatur über 20 Grad lag. Dieses unangenehme Gefühl wurde immer intensiver, also trocknete ich mich schnell ab und verließ das Bad. Die Gänsehaut verschwand sofort. Nein! Ich werde nicht bis morgen früh warten; mein Bauchgefühl sagt mir, dass Anna genau jetzt jemanden an ihrer Seite braucht.

Gefundene Liebe  (Roman Bürki ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt