3 | Erster Job

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Die Nacht war unruhig. Trotz der Erschöpfung vom Umzug und der vielen neuen Eindrücke wachte ich immer wieder auf, wälzte mich hin und her und spürte, wie die Aufregung tief in mir brodelte. Mein erster Tag in Seattle, mein erster richtiger Job – all das kreiste in meinem Kopf, als könnte mein Gehirn einfach keinen Schalter finden, um abzuschalten. Ich dachte an das Praktikum, an die Arbeit im Büro des Bürgermeisters, an Clarissa und an die Stadt selbst.

Irgendwann sah ich auf die Uhr. Es war 5:30 Uhr. Ein leises Seufzen entwich mir. >>Na gut<<, murmelte ich zu mir selbst, >>dann steh ich halt auf.<< Schlafen würde ich jetzt sowieso nicht mehr. Ich griff nach meinem Handy, um nachzusehen, ob Joseph und Claire mittlerweile geantwortet hatten. Nichts.

In Chelsea war es schon 8:30 Uhr. Sie mussten meine Nachricht längst gelesen haben. Ich biss mir leicht auf die Lippe, um den Anflug von Enttäuschung zu verdrängen. >>Geduld, Sophie<<, flüsterte ich mir zu, als wäre es ein Mantra. >>Sie brauchen einfach noch Zeit.<<

Ich legte das Handy beiseite, warf die Decke zur Seite und stand auf. In der Küche war es still, und ich hoffte, dass ich irgendwo Kaffee finden würde. Das College hatte mich abhängig gemacht, und jetzt brauchte ich dringend eine Tasse, um in die Gänge zu kommen. Ich öffnete den ersten Schrank: leere Regale. Den zweiten: nur ein paar Tassen. Im dritten Schrank: nichts.

Ich drehte mich um und lauschte. Es war noch still in der Wohnung. Clarissa schlief wohl noch.

>>Na toll<< flüsterte ich, >>kein Kaffee.<<

Ich beschloss, mich schnell anzuziehen und einen Starbucks in der Nähe zu suchen. Das war der Vorteil an Seattle – es gab an jeder Ecke ein Café. Ein paar Klicks auf meinem Handy später und ich hatte einen gefunden, nur fünf Minuten entfernt. Perfekt. Ich zog eine Jeans und ein T-Shirt an, steckte meinen Wohnungsschlüssel und etwas Bargeld in die Tasche und verließ leise die Wohnung.

Draußen war es noch ruhig. Die Sonne ging gerade auf, und die Straßen waren fast menschenleer. Ein Hauch von Morgenluft wehte durch die Gassen, und ich sog sie tief ein. Es war angenehm warm, aber nicht drückend – ideal für einen kurzen Spaziergang. Ich konnte schon jetzt fühlen, wie anders Seattle im Vergleich zu Chelsea war. Hier war alles größer, lebendiger, selbst in diesen frühen Morgenstunden. Doch gleichzeitig gab es auch eine Stille, eine Ruhe, die mich willkommen hieß.

Während ich die Straßen entlangging, fiel mein Blick auf die kleinen Läden und Cafés, die nach und nach öffneten. Einige Leute joggten bereits, und die ersten Fahrradfahrer rollten gemächlich über die breiten Straßen. Die Atmosphäre fühlte sich anders an als das verschlafene Chelsea, und ich merkte, dass ich diesen Wechsel brauchte. Es fühlte sich an, als könnte ich hier etwas Neues beginnen – etwas Großes.

Der Starbucks kam in Sicht, das grüne Logo leuchtete durch die morgendliche Dämmerung. Die wenigen Kunden, die sich bereits dort aufhielten, saßen an den großen Fenstern oder holten sich schnellen Kaffee für den Weg. Ich trat ein, die Türglocke klingelte leise, und der Duft von frisch gebrühtem Kaffee empfing mich.

>>Guten Morgen<<, sagte der Barista freundlich, als ich zur Theke trat.

>>Guten Morgen<<, antwortete ich lächelnd. >>Ich hätte gerne einen großen schwarzen Kaffee, bitte.<<

>>Kommt sofort<<, sagte er und begann mit geübten Handgriffen, meinen Kaffee zu machen. >>Erster Morgen in der Stadt?<< fragte er beiläufig, während er arbeitete.

>>Ja, tatsächlich,<< sagte ich und sah mich um. >>Gerade gestern angekommen.<<

>>Willkommen in Seattle<<, sagte er und stellte mir meinen Kaffee auf die Theke. >>Du wirst es hier lieben.<<

Shattered Innocence  - Ich bin dein VerderbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt