Die Nacht war kurz, und ich hatte kaum ein Auge zugemacht. Sophie lag an meiner Seite, friedlich schlafend, als würde sie all das Chaos, das sie umgab, für einige Stunden in einer Blase halten können. Ich dagegen lag wach, die Gedanken fest und dunkel in mir verankert. Ihre Ruhe war mein Gegenteil; mein Inneres war ein einziges brodelndes Unwetter, und das Zentrum dessen hieß Johnson. Der Gedanke an ihn ließ meine Muskeln anspannen und meine Zähne aufeinanderbeißen, und je länger ich daran dachte, desto intensiver wurde der Wunsch, alles aufzudecken, was er verbarg.
Als der Morgen anbrach, wusste ich, dass es ein langer Tag werden würde. Sophie musste früh los – die Wahl rückte immer näher, und mit jedem Tag schien sie sich mehr in Johnsons Nähe zu verlieren, ohne auch nur zu ahnen, wie sehr er bereits die Fäden zog. Als sie wach wurde und sich aufsetzte, warf sie mir einen müden Blick zu, der jedoch ein leichtes Lächeln in sich barg. Ich ließ meine Hand über ihr Gesicht gleiten und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, beobachtete sie einen Moment lang schweigend, als wolle ich diesen Anblick in mir festbrennen.
>>Ich muss los<<, murmelte sie schließlich und stand langsam auf.
Ich nickte. >>Ich fahr dich<<
Nach einem kurzen Frühstück fuhr ich sie zur Arbeit. Wir schwiegen während der Fahrt, jeder von uns verloren in eigenen Gedanken, aber ich ließ meine Hand nicht von ihrem Knie los. Sie nahm die Berührung an, und in diesem kleinen Moment fühlte sich alles ruhig an – als wäre der Rest der Welt vergessen.
>>Ruf mich an, wenn du was brauchst<<, sagte ich, als wir ankamen.
Sie lächelte mich an, und bevor sie ausstieg, drückte sie kurz meine Hand. >>Danke, dass du mich gebracht hast.<<
>>Ich bin immer da. Denk dran.<<
Sie nickte nur und schloss die Tür hinter sich. Ich beobachtete sie, wie sie das Gebäude betrat, und drehte erst dann ab.
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Ich fuhr direkt zur Galerie. Willow war immer meine erste Anlaufstelle, wenn ich Ordnung in das Chaos in meinem Kopf bringen musste. Schon als Kinder hatten wir uns aufeinander verlassen – waren immer nur wir gegen den Rest. In der Galerie angekommen, atmete ich tief ein. Der Duft von Farbe und frisch gemahlenem Kaffee lag in der Luft, gemischt mit dem leichten Geruch von Leinwänden und Lösungsmitteln. Willow stand mitten im Raum, umgeben von großen, abstrakten Leinwänden, eine Hand in die Hüfte gestemmt und eine gerunzelte Stirn. Sie bemerkte mich, hob eine Augenbraue und gab mir dieses typische "Schwester schaut durch dich hindurch und erkennt alles"-Lächeln.
>>Welch Überraschung<<, sagte sie und legte den Pinsel beiseite. >>Du siehst furchtbar aus. Hast du überhaupt geschlafen?<<
Ich schnaubte und ließ mich auf einen der Sessel sinken. >>Dir auch einen "guten Morgen"<<
Sie zog einen Stuhl zu mir heran und setzte sich mit einer Tasse Kaffee, die sie mir reichte. Sie musterte mich mit einem durchdringenden Blick. >>Also? Was ist los?<<
Ich nahm einen tiefen Schluck, spürte, wie der bittere Geschmack auf meiner Zunge blieb. >>Es geht um Sophie. Sie weiß nichts von Johnsons Machenschaften, nichts von dem, was ich herausfinden will. Und ich... verdammt, Willow, ich bin dabei, mich zu sehr an sie zu binden. Dabei weiß ich genau, was passiert, wenn sie alles erfährt.<<
Willow legte ihre Hand auf meine Schulter und sah mich ernst an. >>Tristan, du kannst nicht alles kontrollieren. Nicht sie. Nicht Johnson. Und schon gar nicht dich selbst, wenn du weiter so tust, als könntest du diese Gefühle einfach abschalten.<<
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Shattered Innocence - Ich bin dein Verderben
RomanceSophie wuchs als kleines Mädchen in der beschaulichen Kleinstadt Chelsea, Michigan auf, nachdem sie von dem liebevollen Pastorenehepaar Claire und Joseph Mitchell adoptiert wurde. Ihr Leben war behütet, doch geprägt von strengen kirchlichen Werten...