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Nachdem ich mich umgezogen hatte, packte Tristan meine nassen Kleider in eine kleine Tüte und reichte sie mir, als wir uns auf den Weg machten. >>Hier, deine Sachen. Sind nicht mehr so schön, aber sie sollten trocken werden, wenn du sie aufhängst,<<, sagte er und lächelte leicht.

>>Danke, Tristan<<, murmelte ich, ein wenig verlegen, weil er so aufmerksam war.

Wir fuhren in seinem Auto in Richtung meines Apartments, und die Atmosphäre war still, fast friedlich, unterbrochen nur von der sanften Musik, die leise aus den Lautsprechern spielte. Ich schaute zum ersten Mal an diesem Abend wieder auf mein Handy. Es gab keine Antwort von Claire und Joseph und das bedrückte mich ein wenig. Normalerweise hätte zumindest einer von ihnen geantwortet, selbst wenn wir uns gestritten hatten. Clarissa schien auch noch nicht zu Hause zu sein, sonst hätte sie mir längst geschrieben oder mich angerufen. Die Leere in meinem Handy fühlte sich beunruhigend an.

Ich starrte aus dem Fenster und beobachtete, wie die Stadt im Regen glänzte, als plötzlich Tristans Stimme die Stille durchbrach. >>Ich habe vorhin meinem Freund geschrieben. Er wird sich um deinen Wagen kümmern. Er repariert den Reifen und stellt ihn dir morgen früh vor dein Haus.<<

Überrascht schaute ich zu ihm. >>Wow, das ging schnell. Danke. An wen soll ich das Geld für die Reparatur überweisen?<<

Er schüttelte den Kopf und grinste leicht. >>Mach dir keine Sorgen darum. Er schuldet mir noch einen Gefallen. Es ist alles geregelt.<<

>>Das ist wirklich nett von dir, aber ich will dich nicht auf den Kosten sitzen lassen<<, protestierte ich leise.

>>Es ist wirklich kein Problem, Sophie<<, sagte er, und ich spürte, dass er das Thema abschließen wollte. >>Das nächste Mal kannst du mir einen Gefallen tun, wenn du unbedingt möchtest.<<

Ich nickte, auch wenn ich mich unbehaglich dabei fühlte, ihm etwas schuldig zu sein. Trotzdem konnte ich nicht anders, als beeindruckt von seiner Großzügigkeit zu sein. Die Fahrt verlief wieder in Stille, aber es war eine angenehme, fast vertraute Ruhe. Es war, als würden wir beide den Moment genießen, ohne Worte zu brauchen. Ich wünschte, die Fahrt hätte noch länger gedauert, doch viel zu schnell näherten wir uns meinem Apartment.

>>Da wären wir<<, sagte Tristan und hielt vor meinem Gebäude an. Ich sah ihn an, spürte plötzlich einen leisen Stich der Enttäuschung, dass der Abend vorbei war.

>>Danke nochmal für alles<<, sagte ich und drehte mich zu ihm, während ich meine Tasche griff. >>Für die Hilfe, die Kleidung, einfach... alles.<<

Unsere Blicke trafen sich, und plötzlich war da diese Intensität in der Luft. Seine dunklen Augen durchbohrten meine, und ich konnte spüren, wie mein Herz schneller schlug. Er sah auf meine Lippen, und in meinem Kopf schwirrten all die Filmszenen, die ich je gesehen hatte. Würde er mich jetzt küssen? Alles in diesem Moment schien darauf hinauszulaufen. Ich hielt den Atem an, unsicher, ob ich das wollte oder nicht – aber doch irgendwie hoffend, dass es passieren würde.

Tristan zögerte, seine Augen wanderten von meinen Lippen zurück zu meinen Augen, als ob er selbst mit dem Gedanken spielte. Doch stattdessen legte er seine Hand auf das Lenkrad und lehnte sich leicht zurück. >>Gute Nacht, Sophie<<, sagte er leise, mit einem unergründlichen Lächeln.

Die Enttäuschung traf mich stärker, als ich erwartet hatte. Ich wusste nicht einmal, warum ich mich so fühlte – wir kannten uns kaum, und doch war da dieser Moment zwischen uns gewesen, den ich mir fast gewünscht hatte, weiterzuführen. Vielleicht war ich nur zu jung oder zu unerfahren, um zu verstehen, was genau ich von ihm wollte. Vielleicht war es besser so.

Shattered Innocence  - Ich bin dein VerderbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt