Der Bürgermeister hielt seine Rede wie gewohnt – ein Schwall von leeren Versprechungen, politischem Getöse und der üblichen Bitte um Spenden für seinen Wahlkampf. Er war gut darin, die Leute zu manipulieren, sie in seinen Bann zu ziehen, ohne dass sie es merkten. Ich hingegen war abwesend, hörte nur die Worte, die ich schon unzählige Male zuvor gehört hatte, doch sie erreichten mich nicht wirklich.
Meine Gedanken waren ganz woanders.
Immer wieder driftete mein Blick unauffällig durch den Raum, bis er sie fand – Sophie Mitchell, oder besser gesagt, Sophie Montgomery. Die Kette, die sie um den Hals trug, war ein Stück ihrer Vergangenheit, das sie wahrscheinlich nie loslassen würde. Das letzte Mal, als ich sie gesehen hatte, war vor 15 Jahren. Damals war sie erst sechs Jahre alt, ein kleines, unschuldiges Mädchen, das mitten in einem Chaos erwachsen werden musste, für das ich verantwortlich war.
Ich war selbst erst 23, doch meine Seele war damals schon weitaus älter. Das Leben, das ich führte, war dunkel, voll von Gewalt, Lügen und Geheimnissen. Es hatte mich zu dem Mann gemacht, der ich heute bin – kalt, berechnend und ohne Skrupel, wenn es darum ging, einen Auftrag zu erledigen. So auch an jenem Tag, als ich den Auftrag bekam, die Montgomerys zu töten.
Es war eine klare, kalte Nacht in Seattle, der Wind wehte leicht und die Straßen glänzten vom Regen, der zuvor niedergegangen war. Ich saß in einem unscheinbaren schwarzen Auto, das in einer Seitengasse parkte, keine 500 Meter vom Anwesen der Montgomerys entfernt. Der Motor lief leise, das leise Brummen kaum hörbar. Die Waffe lag auf dem Beifahrersitz, bereit. Wie immer.
Die Uhr zeigte kurz nach 22 Uhr, als ich die Straße hinaufblickte und sah, wie ein dunkler Mercedes vor dem Haus der Montgomerys hielt. Die Scheinwerfer des Autos schnitten scharfe Kanten in die Fassade des eleganten Gebäudes, das von Reichtum und Macht zeugte. Ein Mann stieg aus – Richard Montgomery. Er trug einen teuren Anzug, den Mantel lässig über der Schulter, als wäre er unantastbar, als könnte ihm nichts und niemand etwas anhaben.
Aber er lag falsch.
Ich beobachtete ihn, wie er die Haustür aufschloss und ins Haus ging, als wäre es ein ganz normaler Abend für ihn. Als wäre seine Frau nicht mehr als eine weitere Trophäe, die irgendwo in den Fluren des Anwesens lag, ohne Leben, ohne Zukunft.
Catherine Montgomery war tot. Sie hatte ich zuvor bereits erschossen, als sie gerade von einer ihrer Shopping Touren kam, Und jetzt war Richard an der Reihe.
Ich wartete noch ein paar Minuten, bis das Haus völlig still und die Straßen leer waren. Die Dunkelheit war mein Vertrauter, mein Schutz. In dieser Welt existierte ich. In der Dunkelheit fand ich meine Ruhe, meine Kontrolle.
Als ich die Straße überquerte, fühlte ich keinen Nervenkitzel, keine Angst. Nur die kalte Präzision eines Mannes, der wusste, was zu tun war. Ich betrat das Anwesen durch eine Seitentür, die ich schon Stunden zuvor für den Rückweg entriegelt hatte, bevor Catherine starb. Der Plan war simpel. Schnell, effizient, wie immer.
Drinnen war es still. Das Haus war in ein warmes Licht getaucht, doch es war eine seltsame Stille. Nicht die friedliche Ruhe eines Heims, sondern die Stille, die nach einer Katastrophe herrscht. Ich wusste, dass Richard oben in seinem Büro war. Er verbrachte dort oft seine Abende, nach Geschäftstreffen oder Veranstaltungen, um sich mit seinen illegalen Aktivitäten zu beschäftigen. Seine Geschäfte waren ein Netz aus Lügen, Betrügereien und Verbrechen, das ihm schließlich zum Verhängnis wurde.
Ich bewegte mich durch die Flure des Hauses, leise und unauffällig. Es gab keinen Platz für Fehler. Richard hatte keine Ahnung, dass er in wenigen Minuten tot sein würde.
Danach lief ich weiter durch das Haus, bis ich die Tür zu Richard's Büro erreichte und lauschte. Drinnen hörte ich leises Murmeln, als ob er mit jemandem telefonieren würde. Ohne zu zögern, öffnete ich die Tür und trat ein.
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Shattered Innocence - Ich bin dein Verderben
RomanceSophie wuchs als kleines Mädchen in der beschaulichen Kleinstadt Chelsea, Michigan auf, nachdem sie von dem liebevollen Pastorenehepaar Claire und Joseph Mitchell adoptiert wurde. Ihr Leben war behütet, doch geprägt von strengen kirchlichen Werten...