5 | Kunstgalerie

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Nach einem langen, aber erfolgreichen Arbeitstag setzte ich mich an meinen neuen Schreibtisch und ging die letzten Aufgaben noch einmal sorgfältig durch. Die Termine für die nächsten Tage standen fest, und ich hatte sichergestellt, dass alles für die Wohltätigkeitsveranstaltung am Abend organisiert war. Der Anzug für den Bürgermeister war abgeholt, die Gäste eingeladen, und alle Vorbereitungen liefen reibungslos. Es fühlte sich gut an, alles unter Kontrolle zu haben. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich noch genug Zeit hatte, um mich in Ruhe für den Abend fertig zu machen.

Mit einem erleichterten Seufzen schnappte ich mir meine Tasche und machte mich auf den Weg zu Clarissa, die mir großzügig ein Kleid für den Abend leihen würde. Sie war jetzt schon so etwas wie meine persönliche Heldin, und ich war ihr unendlich dankbar. Als ich an ihrem Büro ankam, war sie gerade in ein Telefongespräch vertieft. Sie warf mir einen kurzen Blick zu und zeigte stumm auf einen Kleidersack, der über einem der eleganten Ledersessel hing. Ich wartete schweigend und bewunderte ihr Büro. Es war beeindruckend, wie schick und modern alles wirkte – sie war gerade mal vier Monate hier und hatte sich schon ein so professionelles Umfeld geschaffen. Ihre Abteilung musste wirklich einiges zu bieten haben.

Neugierig öffnete ich den Kleidersack. Zum Vorschein kam ein elegantes schwarzes Kleid, das auf den ersten Blick schlicht wirkte, aber mit einem raffinierten Schnitt punktete. Der dezente Ausschnitt war zurückhaltend, doch der hohe Beinschlitz verlieh dem Kleid eine auffällige, mutige Note. Es war... atemberaubend, aber gleichzeitig war ich unsicher. Ich hatte noch nie etwas so Elegantes getragen.

In dem Moment bemerkte ich, dass Clarissa ihr Telefonat beendet hatte und mich mit einem erwartungsvollen Lächeln ansah. >>Und? Gefällt es dir?<< fragte sie.

Ich zuckte leicht zusammen, weil ich so in Gedanken gewesen war. >>Es ist wunderschön<<, antwortete ich ehrlich, >>aber... meinst du nicht, dass es vielleicht etwas zu aufreizend ist?<< Ich war mir wirklich nicht sicher, ob ich in so einem Kleid die richtige Figur abgeben würde.

Clarissa lachte auf, ihre Augen funkelten vor Belustigung. >>Das, meine Liebe, ist alles andere als aufreizend<<, sagte sie und legte eine Hand auf meine Schulter. >>Glaub mir, wenn du heute Abend die reichen und einflussreichen Leute dort siehst, wirst du feststellen, dass die ganz andere Kaliber auffahren, wenn sie in der Öffentlichkeit stehen. Du wirst super aussehen. Mach dir keine Sorgen.<<

Ich biss mir auf die Lippe und lächelte leicht. Clarissa hatte wahrscheinlich recht. Diese Welt der High Society war noch völlig neu für mich, und ich musste mich erst daran gewöhnen. >>Danke<<, sagte ich schließlich, >>wirklich. Du hast mir mit dem Kleid den Abend gerettet.<<

Sie winkte ab. >>Kein Problem. Aber Schuhe – damit kann ich dir leider nicht helfen.<<

Ich grinste. >>Das musst du auch gar nicht. Bevor ich nach Seattle kam, habe ich mir ein paar verschiedene Paare hohe Schuhe gekauft. Wer hätte geahnt, dass ich sie so schnell brauchen würde?<<

>>Perfekt<<, sagte sie mit einem Nicken. >>Dann bist du ja komplett ausgestattet. Du wirst den Abend rocken, Sophie.<<

Ich atmete tief durch. >>Hoffentlich<<, sagte ich leise, doch in mir wuchs die Vorfreude. Die Ereignisse des Tages hatten sich überschlagen, und nun stand ich kurz davor, an einer der wohl wichtigsten Veranstaltungen meiner jungen Karriere teilzunehmen. Es fühlte sich surreal an, aber gleichzeitig war ich bereit, diese neue Herausforderung anzunehmen.

>Na los<<, sagte Clarissa und gab mir einen freundschaftlichen Schubs in Richtung Tür. >>Du hast noch einiges vor dir. Wir sehen uns später.<<

Shattered Innocence  - Ich bin dein VerderbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt