Wie das Meer ...

85 10 4
                                    

„ Katharina?"

„ Mh?"

„ Ist hier alles in Ordnung?"

Alexander stand nur ungefähr 5 Meter von mir entfernt vor seiner Haustür, hielt einen schwarzen Kaffeebecher in der einen und eine Aktenmappe in der anderen Hand.

Ich war gerade völlig überfordert.

Er war Polizist.

Ich ging sämtliche Gespräche mit Jule im Kopf durch, ob sie mir irgendwann etwas DAVON erzählt hatte...

Nein.

„ Du stehst hier mitten im Weg", drängelte sich Stefan an mir vorbei, um die restlichen Kartons aus dem Haus zu holen.
„ Entschuldige bitte", reagierte ich nur leise darauf.
Mein Blick blieb an dem hellblauen Hemd mit den Schulterklappen hängen. Drei silberne Sterne konnte ich darauf erkennen.

Wieder schob mich Stefan mit einem Karton jetzt fast in unser Vorgartenbeet und ein dumpfer Schmerz in meinem Rippenbogen, ließ mich aus meiner Schockstarre erwachen.
„ Aua, verdammt...", und ich hielt mir die schmerzende Seite. Jan bekam kaum etwas mit, er war mit dem Stapeln der Kartons im Auto beschäftigt. Stefan hatte meinen Nachbarn noch gar nicht richtig registriert, er war viel zu sehr mit sich selber beschäftigt.

Ich sah, wie Alexander alles aus seinen Händen auf die Stufe vor seiner Haustür legte und sich auf den Weg zu mir machen wollte.
Mit einem Kopfschütteln gab ich ihm zu verstehen, dass er nicht rüber kommen sollte !
„ Oh, wie nett .... die Polizei dein Freund und Helfer !", blieb Stefan jetzt doch plötzlich stehen.

Kein Wunder...

Alexander sah so, wie er selbstbewusst, mit in die Hüfte gestemmten Händen vor uns stand, ziemlich heiß aus!
Sein Gesicht jedoch sprach Bände...
Er erkannte die Situation in der ich mich gerade befand sofort und hatte wahrscheinlich auch schon von drinnen Zeuge unserer kleinen Vorführung sein dürfen.

Um hier nicht noch mehr Unruhe reinzubringen, reagierte ich instinktiv und drehte mich zu Stefan.
„ Stefan, darf ich dir meinen neuen Nachbarn vorstellen... Das ist Alexander Schulz, er ist vor zwei Wochen mit seiner Tochter in das Haus eingezogen.
Herr Schulz, das ist mein Mann Stefan!"

„ Eigentlich Ex-Mann, ich ziehe gerade aus. Nett sie kennenzulernen".
Stefan hielt ihm zur Begrüßung die Hand über den Zaun hin.
Alexander starrte die Hand an, ignorierte Stefan aber komplett und sah wiederholt zu mir.
„ Kommen sie zurecht?", fragte er und wollte mir damit still zu verstehen geben, dass er sah, was sich hier gerade abspielte.

„ Natürlich kommt sie klar, sie ist Krankenschwester und eine ziemlich gute ... wenn sie verstehen was ich meine", zwinkerte Stefan Alexander zu und ging zum Auto.
Ruhig bleiben Katharina...
Mach hier jetzt kein Theater!
Stolz hob ich mein Kinn... Ich traute mich nicht mehr,  Alexander in die Augen zu sehen!

Mir war eiskalt.
Ich stand in einem knielangen Schlabberpulli, Strumpfhose und meinen Birkenstock Latschen vor unserem Beet und hielt mir meine schmerzende Seite.
Runterschlucken.
Durchatmen.
Augen geradeaus.
„ Aber klar doch! Ich habe schon ganz andere Sachen geschafft, Herr Schulz! Trotzdem danke", drehte mich um und ging zu „unserem„  Auto .

„ Stefan, bist du so gut und gibst mir bitte den zweiten Haustürschlüssel? Du kannst mir jederzeit Bescheid geben, wenn du kommen möchtest, das ist kein Problem! Ich fühle mich einfach besser wenn ich weiß, dass in meiner Abwesenheit niemand ins Haus kann", fragte ich ihn ganz ruhig und appellierte an seinen Verstand .

Jan drehte sich wissend vor dem was kommen würde zur Seite, blieb aber in Stefans Nähe. Man konnte ihm anmerken, dass ihm die Situation sehr unangenehm war!
„ Niemand?"
Stefan baute sich jetzt dicht vor mir auf und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an.
„ Seit wann bin ich denn niemand? Ich würde sagen , dass ich zumindest auf dem Papier immer noch dein EHEMANN bin!"

Die letzten Worte hatte Stefan so laut gesprochen, dass wahrscheinlich die halbe Straße es hören musste.
„ Bitte, Stefan...!"
Ich drehte mich etwas zur Seite, um sicher zu gehen, dass Alexander eventuell wieder ins Haus gegangen war, als ich sah, wie er in einer geschmeidigen Bewegung über den Zaun zwischen unseren Grundstücken setzte und mit langen Schritten auf uns zu kam.

Er stellte sich schützend vor mich und hüllte mich in einen Geruch aus Wasser und Wind ein.
Frisch, wie das Meer...
„ Ich bin zwar diese Woche noch nicht offiziell wieder im Dienst, Stefan ... aber das, was ich hier in den letzten fünfzehn Minuten von Ihnen mitbekommen habe, reicht für eine Anzeige wegen Ruhestörung!"

Seine Aussage duldete eigentlich keinen Widerspruch...
„ Aaah, jetzt verstehe ich.... Weiß ihre Frau eigentlich, dass sie meiner Frau hier zur Hilfe eilen?", und Stefan hörte nicht auf.
Jan kam jetzt von der Seite und fasste Stefan vorsichtig am Arm.
„ Stefan komm, du redest mit einem Polizeibeamten! Wir sind hier doch fertig! Entschuldigen Sie bitte das unangemessene Verhalten meines Partners, Herr Schulz!"

„ Danke Jan", sagte ich und schob mich hinter Alexander wieder hervor.
Stefan sah ihn böse an, aber hielt jetzt endlich den Mund.
Ich machte meine Hand auf und hoffte einfach, dass es jetzt schnell ging.
„ Gib mir bitte den Schlüssel, Stefan! Lass uns im Guten hier auseinander gehen, BITTE!"
Stefan nahm den Schlüssel aus seiner Tasche und legte ihn unter Alexanders wachen Augen, ganz langsam in meine Hand.

„ Wenn sie schlau sind Herr Schulz, dann halten Sie sich von meiner Frau fern! Sie sehen ja, wohin mich die Ehe mit ihr geführt hat..."
Ich schwankte ganz kurz nach hinten vor Entsetzen, doch Alexander hielt mich an den Schultern fest, damit ich nicht das Gleichgewicht verlor.
Ich fühlte Wärme...
Sie breitete sich in kleinen Wellen von meinen Schultern aus.
Ich fühlte Dankbarkeit ...

„ Danke", sagte ich eigentlich viel zu leise für das, was er gerade für mich getan hatte.
Er stand noch immer hinter mir und zusammen sahen wir zu, wie Stefan ins Auto stieg und hinter Jan davon fuhr.
Wie lange ich noch dort an der Straße gestanden hatte, mit dem Schlüssel fest in meiner Hand, wusste ich später gar nicht mehr.

Der Duft von Wind und Wasser in meiner Nase machte mir Mut!
Ich schrieb meinen Eltern, ob die Kinder heute bei ihnen übernachten könnten und Nike, dass sie um 20.00 Uhr bei mir sein sollte, mit einer Flasche Sekt.
Die nächste Zeit wird nicht einfach, aber während ich in meinem Sessel saß und das Kärtchen in der Hand hielt, welches auf meiner Fußmatte gelegen hatte, freute ich mich auf den Abend mit Nike.

Alexander Schulz
Polizeihauptkommissar
Privat: xxx
Handy: xxx

Keine Angst, Liebes ! ( Dritter Teil )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt