Wieso ausgerechnet sie? Warum musste er sich erneut um Aarons Tochter kümmern? Weil Dumbledore meint, du bräuchtest jemanden, der dir hilft. Er schnaubte und griff nach seiner Tasche. Er hatte noch nie jemanden gebraucht. Sonst hattest du auch mehr Zeit... Das war durchaus richtig. Es stieß ihm nicht zum ersten Mal schlecht auf, dass er die Ferien diesmal hatte im Schloss bleiben müssen. Nur so war es nun soweit gekommen.
Aber ausgerechnet Avessa Carrow? Es kam ihm fast so vor, als sei genau dies Dumbledores Absicht gewesen. Er hatte schon im letzten Jahr ein besonderes Augenmerk auf ihnen beiden liegen gehabt. Seit Snape sie in ihrem Geist besucht hatte, ihr zu helfen, als sie unter dem Einfluss des verfluchten Trankes stand. Oder sogar schon davor...?
Allerdings hatte Dumbledore ihm die Entscheidung überlassen, wen er mitnehmen wollte. Hat er das? Ja und er hatte nicht wissen können, dass Malfoy Nachsitzen bekommen würde. Nicht? Snape knurrte und stopfte ein paar Sachen in die Tasche. Nein, nicht mal Dumbledore konnte voraussehen, wann Draco Unsinn anstellen würde. Sooft ließ er sich nicht bei etwas erwischen, das gegen die Schulregeln verstieß, dazu hatte er viel zu viel Respekt vor seinem Vater, der so ein Verhalten nicht duldete. Nicht, weil er die Schulregeln so stark respektierte, sondern weil der Name Malfoy nicht diskreditiert werden durfte.
Der Professor hüllte sich in seinen schwarzen Mantel und verließ seine Räumlichkeiten, sich zu dem Büro des Schulleiters zu begeben, von dem aus er mit der jungen Miss Carrow aufbrechen würde. Erneut schüttelte er verstimmt den Kopf über diese Bürde, die der Schulleiter ihm da auflegte, auch wenn er zugeben musste, dass, wenn er schon jemanden mitnehmen musste, sie wahrscheinlich die beste Wahl war.
Besonders, nachdem er im letzten Jahr ihren Kräutergarten gesehen hatte, aber auch durch ihr Verhalten im Unterricht, dem Umgang mit den Zutaten, der Gewissenhaftigkeit beim Brauen, wusste er, dass sie ein außerordentliches Talent in seinem Fach hatte. Eine Tatsache, die ihn gleichermaßen beeindruckte wie nervte.
Wie ihn auch das gesamte Mädchen gleichsam beeindruckte wie nervte. Ihre Eigenschaft, sich für das einzusetzen, was ihr am Herzen lag, die daraus resultierende vorlaute Art...er hasste es, wenn sie widersprach und musste dennoch zugeben, dass sie des Öfteren Recht mit dem hatte, was sie sagte. Und, dass ihr starker Wille ihn durchaus reizte. Nur würde er ihr das natürlich nie sagen. Schülerinnen und Schülern sollte man generell nie zu viel durchgehen lassen, sie tanzten einem sonst auf der Nase rum.
Snape schritt weit aus und schon nach einigen auseinandersprengenden Jugendlichen kam er bei den Wasserspeiern an, die den Eingang zum Büro Dumbledores bewachten. „Schokoladenkringel", knurrte er das Wort, das wie immer äußerst albern war. Er schritt die Treppe hinauf und betrat das Büro des Schulleiters.
Ein kurzer Blick sagte ihm, dass er und Dumbledore allein waren und Missbilligung machte sich auf seinen Zügen breit. Dumbledore trat hinter seinem Schreibtisch hervor und lächelte. „Na na, Severus. Nun schau nicht so. Miss Carrow wird uns sicher gleich Gesellschaft leisten." Der Zaubertrankmeister schürzte die Lippen und gab einen unwilligen Laut von sich, den Dumbledore mit einem kleinen Lachen kommentierte.
„Oh, bitte, Severus. Miss Carrow ist sicher schon aufgeregt genug, da braucht sie nicht noch deine offenkundige Missbilligung der Situation. Du selbst hast gesagt, es sei sinnvoll, jemanden mitzunehmen." Snapes Augenbraue zuckte in die Höhe. „Das habe ich. Aber ich hatte dabei sicher nicht an Miss Carrow gedacht", erwiderte er, woraufhin Dumbledore nickte.
„Ich weiß, das hast du schon ein paar Mal erwähnt. Doch weißt du so gut wie ich, dass sie dir im Gegensatz zu anderen, wirklich helfen kann. Und deine Freundschaft zu ihrem Vater war natürlich auch passend, da wir so seine Erlaubnis bekommen haben. Aber auch das weißt du alles und ich möchte nicht, dass du deine schlechte Laune an deiner Schülerin auslässt, Severus."
Snape schnaubte. „Meine schlechte Laune...", murrte er und Dumbledore nickte ernst. „Ich weiß, dass sie weit mehr davon abbekommt, als andere. Selbst wenn man bedenkt, in welchem Haus sie ist. Ich versuche wirklich, mich da rauszuhalten und ich verstehe zumindest zum Teil, warum du Harry nicht magst, aber sie..." Der Blick des Zaubertrankmeisters wurde kalt. „Das geht Sie nicht das Geringste an, Schulleiter und ich würde begrüßen, wenn Sie dieses Thema nun fallen lassen würden."
Seine Stimme war schneidend und es fehlte der sonst zumindest in Teilen vorhandene Respekt, den er Dumbledore gegenüber definitiv empfand. Nur war dies einfach ein Thema, über das er nicht diskutieren wollte und würde. Mit niemandem. Nicht mal mit Dumbledore. Dieser seufzte und nickte dann ergeben. „Wie du willst, Severus. Dann lass mich wenigstens sagen, dass Miss Carrow deine Wut nicht verdient hat."
Der Slytherin legte seine Hände auf den Rücken und schritt missmutig zum Fenster. „Ich empfinde ihr gegenüber keine Wut, Albus. Du kannst ganz beruhigt sein", sagte er dunkel und sah in die einsetzende Dunkelheit. „Außer, sie lässt noch länger auf sich warten", setzte er ein wenig brummend hinzu und sah zur Tür, als es an dieser klopfte.
Dumbledore lächelte gutgelaunt und wippte mit den Augenbrauen. „Sie scheint dich gehört zu haben. Severus", sagte er amüsiert und wandte sich dann der Tür zu. „Herein!" Die Tür öffnete sich und die in einen ebenfalls dunklen Wintermantel gehüllte schmale Gestalt der jungen Gryffindor kam herein.
Snapes Blick glitt über sie und er nahm erfreut zur Kenntnis, dass die kleine Reinblüterin keinen ganzen Koffer mit Dingen dabeihatte, die sie angeblich für zwei Tage Reise benötigte. Sie trug lediglich einen schwarzen Beutel und war zusätzlich zum Mantel in ihren dicken Gryffindorschal gehüllt. Seine Lippen verzogen sich, stand ihr das grünsilber seines Hauses so viel besser.
Oh, bitte... Er ignorierte das innere Aufstöhnen und sah über seine Hakennase hinweg auf die Schülerin. „Wie schön, dass Sie uns mit Ihrer Anwesenheit beehren, Miss Carrow", sagte er mit einem deutlich sarkastischen Unterton, der ihr zeigen sollte, dass sie zu spät war! Offensichtlich verstand sie den Seitenhieb, denn ihr Kinn reckte sich und sie sah kühl zu ihm.
„Oh, ich wusste nicht, dass es so eine Ehre für sie ist, Professor. Dann wäre ich natürlich auch zu früh hier gewesen", sagte sie und lächelte schmal. Snape knirschte leicht mit den Zähnen, doch bevor er etwas auf diese Unverschämtheit sagen konnte, ergriff Dumbledore das Wort. Schmunzelnd deutete er zum Kamin. „Sie sind absolut zur rechten Zeit hier, Miss Carrow. Ich hoffe, Sie haben alles dabei, was sie für die Tage benötigen?"
Snape sah, wie Avessa leicht die Augenbrauen zusammenzog. Eine sehr feine Geste des Unwillens. „Nun, da ich nicht weiß, wohin es geht und was genau wir tun werden, ist es etwas schwierig, dies zu sagen, Sir, aber...ich denke, schon." Er verzog den Mund. „Reizend. Können wir also?" Der Blick seiner Schülerin traf ihn und er konnte unter der kühlen Maske diesmal recht deutlich ihre Nervosität sehen, dazu brauchte es nicht ihrer Gedanken, die wie immer ungefiltert zu ihm drangen.
Doch nickte sie nur respektvoll und trat ebenfalls an den Kamin. Fragend sah sie von ihm zu Dumbledore, der sie weiterhin beide anlächelte, als sei dies ein für alle Beteiligten erfreulicher kleiner Ausflug. Was auch immer seine Beweggründe sind. Denn, dass der Schulleiter keinen Hintergedanken verfolgte bei dieser Sache, war für den Tränkemeister höchst unwahrscheinlich.
„Es geht in die Winkelgasse, Miss Carrow", sagte der alte Zauberer und sah zwischen den beiden Reisenden umher. „Von dort werden Sie mit Professor Snape Seit-an-Seit apparieren, um zu ihren Zielen zu kommen. Nun, dann passen Sie auf sich auf und...viel Erfolg." Er sah Snape einen Moment länger an, was diesen dazu animierte, leicht die Augen zu verdrehen, bevor er ruppig zum Kamin trat.
„Ich werde als erstes flohen", sagte er und vermied dabei die Erklärung, dass die Gryffindor so nicht allein sein würde, konnten für Schüler und Schülerinnen manchmal selbst Sekunden reichen, ein Chaos anzurichten. Oder du willst sie in Sicherheit wissen... Er hielt sich gerade noch so davon ab zu schnauben. Wer, bitte, sollte eine Gefahr für Aaron Carrows Tochter sein? Sicher keiner der üblichen Verdächtigen.
Die müßigen Gedanken abschüttelnd trat er ins Feuer, warf das Pulver hinein und ließ seine Stimme klar und deutlich ertönen: „Winkelgasse."
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𝒜𝒞 - Im Zeichen der Schlange
Fanfiction𝐁𝐀𝐍𝐃 𝟐 Avessa Carrow. Jüngster Spross einer der ältesten reinblütigen Familien. Eine der unantastbaren Achtundzwanzig. Das vierte Schuljahr hat noch nicht mal begonnen, da fangen die Schwierigkeiten schon an: Sie soll ihre Familie zur Quidditch...