Die Leichtigkeit des Spiels

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Julian

Das Frühstück war überstanden. Es fühlte sich an, als hätte ich die ganze Zeit versucht, durch einen Nebel zu navigieren, ohne zu wissen, was auf der anderen Seite wartet. Die ständigen Fragen der Jungs, das angespannte Lächeln von Kai – alles schien so schwer zu ertragen. Es war, als wäre ich in einem Raum voller Menschen, aber die einzige Person, auf die ich achten konnte, war Kai. Jeder seiner Blicke, jede seiner Gesten schien so bedeutungslos und doch voller unausgesprochener Dinge.

Jetzt war es Zeit für das Training. Endlich. Endlich eine Gelegenheit, den Kopf frei zu bekommen, den Fokus auf etwas anderes zu legen und mich von der ständigen Unsicherheit zu lösen, die mich seit unserer Ankunft im Camp verfolgt hatte.

Ich zog mir die Trainingsklamotten an, schnürte die Schuhe und machte mich auf den Weg zum Platz. Der Wind war kühl und erfrischend, und die Sonne war noch nicht so stark, dass sie unangenehm wurde. Es war der perfekte Morgen zum Trainieren.

Als ich auf dem Platz ankam, war bereits viel Bewegung zu sehen. Die Jungs wärmten sich auf, ein paar machten Scherze, und für einen Moment fühlte es sich an, als wäre alles wieder normal. Es war immer so – der Fußball hatte eine Art, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Egal, wie chaotisch das Leben außerhalb des Platzes war, sobald der Ball rollte, zählte nichts anderes mehr.

„Na, Brandt! Bereit für ein bisschen Action?", rief David Raum mir zu und grinste breit.

Ich konnte nicht anders, als zurückzulächeln. Es war gut, hier zu sein. „Natürlich. Mal sehen, ob du heute besser verteidigst als beim letzten Spiel."

„Pff", schnaubte David, „ich lass dich heute nicht mal in die Nähe des Tores."

Ich lachte, während wir uns gemeinsam mit den anderen in die Aufwärmroutine stürzten. Es tat gut, die Spannung abzuschütteln und einfach wieder in den Rhythmus zu kommen. Die Übungen, die Bewegung, das Adrenalin – alles half mir, den Kopf frei zu bekommen.

Kai war natürlich auch da, aber beim Training war es einfacher, sich aus dem Weg zu gehen. Wir mussten uns nicht direkt miteinander beschäftigen. Der Fokus lag auf dem Spiel, auf den Übungen, und das machte es erträglicher. Trotzdem konnte ich nicht leugnen, dass ich immer noch auf ihn achtete. Jedes Mal, wenn er den Ball spielte, seine Anweisungen an die anderen Jungs, selbst sein Lachen, wenn jemand einen Scherz machte – es war alles präsent in meinem Kopf.

Doch für einen Moment war die Anspannung weniger greifbar. Die Bewegung, der Wettbewerb auf dem Platz, das ständige Hin und Her des Spiels – all das half mir, den Fokus woanders hinzulenken.

„Okay, Jungs, jetzt geht's ans Eingemachte!", rief unser Trainer schließlich. Es war Zeit für das Mannschaftsspiel.

Wir wurden in zwei Teams aufgeteilt, und ich landete auf der gegnerischen Seite von Kai. Ich atmete erleichtert auf. Nicht, dass ich Angst hatte, gegen ihn zu spielen, aber es war einfacher, wenn ich mich nicht die ganze Zeit damit auseinandersetzen musste, was zwischen uns lag. Wir waren auf dem Platz Gegner, und das war das Einzige, was zählte.

Das Spiel begann, und sofort stieg das Tempo an. Es war genau das, was ich brauchte – ein schnelles, intensives Spiel, bei dem ich keine Zeit hatte, über irgendetwas anderes nachzudenken als den Ball.

Der Schweiß lief mir den Nacken hinunter, meine Muskeln brannten, aber es fühlte sich gut an. Es war das erste Mal seit Tagen, dass ich wirklich abschalten konnte. Jeder Sprint, jeder Pass, jede Zweikampfsituation – all das ließ mich für einen Moment vergessen, was außerhalb des Platzes vor sich ging.

Und dann kam der Moment, der mich überraschte.

Ich hatte den Ball in der Mitte des Spielfeldes erhalten, drehte mich schnell um meinen Gegenspieler herum und sah die Lücke in der Verteidigung. Ohne zu zögern, stürmte ich nach vorne. Meine Füße bewegten sich automatisch, mein Körper reagierte rein instinktiv, und ich spürte das Adrenalin in meinen Adern.

Ich sah, wie der Torwart aus seinem Tor herauskam, aber ich hatte den perfekten Winkel. Mit einem schnellen Schuss schickte ich den Ball in die linke Ecke des Tores.

Tor. Ein befriedigendes Gefühl überkam mich, als ich das Netz zittern sah.

„Geil gemacht, Brandt!", rief plötzlich eine vertraute Stimme.

Kai. Er war auf der anderen Seite des Feldes, aber er hatte das Tor gesehen und mich gelobt. Es war das erste Mal seit Tagen, dass er mir etwas Positives gesagt hatte. Für einen Moment war ich zu überrascht, um zu reagieren.

„Danke", sagte ich schließlich und sah kurz zu ihm hinüber. Es war ein flüchtiger Moment, aber es fühlte sich fast an wie ein kleines Zeichen der Normalität. Vielleicht war es das, was ich gebraucht hatte – ein Zeichen, dass es nicht nur diese Distanz zwischen uns gab.

Das Spiel ging weiter, aber die Worte von Kai hallten noch in meinem Kopf nach. Es war nur ein Lob, ein einfaches Kommentar, aber es bedeutete mir mehr, als es sollte.

Ich konnte nicht leugnen, dass ich erleichtert war. Vielleicht war das ein Anfang. Vielleicht konnten wir doch wieder so etwas wie Freunde werden. Nicht alles war verloren.

Doch die Realität holte mich schnell wieder ein. Nach dem Spiel, als wir uns alle zum Cool-Down trafen, war die Spannung wieder da. Kai war höflich, ja, aber er hielt immer noch Abstand. Die Distanz zwischen uns war nicht verschwunden.

Vielleicht war ich naiv gewesen zu denken, dass ein einfaches Lob alles ändern würde. Es war ein kleiner Schritt, ja, aber es würde mehr brauchen, um das, was zwischen uns lag, zu überwinden.

Während wir uns streckten und der Trainer Anweisungen für den Rest des Tages gab, ließ ich meinen Blick über das Team schweifen. Alle waren entspannt, lachten und unterhielten sich. Es war die übliche Kameradschaft, die man nach einem guten Training spürte.

Aber in meinem Kopf war es nicht so einfach. Der Lob von Kai hatte mir Hoffnung gegeben, aber gleichzeitig hatte es mich daran erinnert, wie kompliziert alles war. Was auch immer zwischen uns lag, war noch lange nicht geklärt.

Als das Training zu Ende ging, standen wir alle zusammen in kleinen Gruppen, um uns über den weiteren Tagesablauf auszutauschen. Ich konnte sehen, dass Kai auf mich zuging, aber er wechselte dann die Richtung und sprach stattdessen mit David. Es war fast, als hätte er es sich in letzter Sekunde anders überlegt.

Es war seltsam, dieses ständige Hin und Her. Eine Minute schien er sich zu öffnen, die nächste schloss er sich wieder ab. Und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte.

„Hey, Julian, bist du heute Abend beim Teambuilding dabei?", fragte Joshua plötzlich und riss mich aus meinen Gedanken.

„Ja, klar", antwortete ich automatisch. Es war gut, dass ich dabei sein würde. Vielleicht würde das helfen, ein paar Dinge zu klären – oder zumindest die Spannung zu lindern.

„Super. Wird sicher lustig", meinte Joshua grinsend, bevor er sich mit den anderen Jungs zum Ausgang begab.

Ich blieb kurz stehen und atmete tief durch. Das Training hatte mir geholfen, aber die Anspannung war noch da. Der Tag war noch nicht vorbei, und vielleicht würde der Abend mir die Chance geben, endlich mit Kai zu reden.

Vielleicht.

The last Match- Jule & KaiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt