Ein Raum, zwei Welten

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Julian

Der Himmel hatte sich bereits in ein tiefes Orange verfärbt, als ich endlich auf den Parkplatz des DFB-Basecamps einbog. Das Brummen des Motors war das einzige Geräusch in der sonst stillen Umgebung. Die letzten Kilometer waren eine Mischung aus Nervosität und Vorfreude gewesen. Ich war viel zu spät. Natürlich, typisch Julian. Aber das war keine Absicht gewesen.

Es fühlte sich alles so seltsam an. Seit Jahren war ich nicht mehr bei der Nationalmannschaft gewesen, und unter Nagelsmann hatte ich noch gar nicht gespielt. Diese Einladung hatte mich überrascht, aber auch unglaublich gefreut. Trotzdem war da diese Nervosität. Wie würde es sein, nach so langer Zeit wieder hier zu sein? Und dann war da Kai. Der Gedanke an Kai war nie wirklich verschwunden.

Als ich aus dem Auto stieg, schulterte ich meine Tasche und sah mich um. Keine Menschenseele zu sehen. Klar, alle anderen waren wahrscheinlich schon längst angekommen und auf ihre Zimmer verteilt. Die Jungs waren immer pünktlich – ich war der einzige, der es wieder nicht geschafft hatte.

Mit einem tiefen Atemzug machte ich mich auf den Weg ins Gebäude. Die Korridore des DFB-Camps waren mir vertraut, aber sie fühlten sich auch fremd an. So viel hatte sich verändert, und doch war die Grundstimmung die gleiche: Leidenschaft für den Fußball und Kameradschaft. Aber ich war jahrelang nicht dabei gewesen – nicht mal während der EM. Das Gefühl, zurückzukehren, war bittersüß.

„Julian!", rief mir eine bekannte Stimme entgegen, und als ich aufsah, sah ich den Bundestrainer, Julian Nagelsmann, auf mich zukommen. Sein breites Lächeln war freundlich, aber da war auch etwas in seinem Blick, das mir signalisierte, dass er mich genau beobachtete.

„Nagelsmann!", rief ich zurück und grinste, während ich auf ihn zuging. Er war einer der wenigen Trainer, bei denen ich mich immer willkommen fühlte, egal wie es gerade in meiner Karriere lief.

„Schön, dich endlich hier zu haben", sagte er, als wir uns die Hand gaben. „Ich freue mich wirklich, dich im Kader zu sehen. Du hast es dir verdient."

„Danke", antwortete ich und versuchte, das Zittern in meiner Stimme zu verbergen. Es war überwältigend, wieder hier zu sein. Es hatte so lange gedauert, bis ich endlich zurück war.

„Hoffentlich hast du dich gut vorbereitet. Die Jungs sind motiviert, und wir haben einen klaren Plan für die kommenden Spiele." Er musterte mich kurz. „Es wird nicht einfach, aber du passt gut ins Team."

Ich nickte und warf einen kurzen Blick in den Flur, wo ein paar der Co-Trainer und Assistenten standen. Sie lächelten mich ebenfalls freundlich an, aber ich spürte das Unbehagen. Ich war ein Außenseiter, zumindest fühlte es sich so an. Die meisten Spieler hatten zusammen die EM 2024 durchlebt, und ich hatte alles nur aus der Ferne verfolgt.

Doch dann fiel der nächste Satz, der mich innerlich erzittern ließ.

„Ach übrigens", sagte Nagelsmann und blickte kurz auf sein Tablet, als er die Zimmereinteilung überflog, „du teilst dir das Zimmer mit Kai. Ich dachte, ihr zwei würdet euch freuen, nach so langer Zeit mal wieder zusammenzusein."

Mit Kai?

Ich nickte mechanisch, zwang mich zu einem Lächeln. „Ja, klar. Ähm, danke."

Was sollte ich auch sonst sagen? Natürlich wusste jeder im Team, dass Kai und ich früher unzertrennlich gewesen waren. Die beste Freundschaft im Fußball. Und irgendwie hatten alle angenommen, dass sich das nicht geändert hatte. Aber es hatte sich geändert. Wir waren nicht mehr die Freunde, die wir einmal waren. Und jetzt sollten wir uns ein Zimmer teilen?

„Zimmer 207", fügte Nagelsmann hinzu. „Kai ist wahrscheinlich schon da. Also... viel Spaß!"

„Danke", sagte ich nur, bevor ich mich auf den Weg machte. Mein Kopf fühlte sich plötzlich schwer an. Was würde passieren, wenn ich ihm gegenüberstand? Würden wir so tun, als wäre nichts passiert? Als wären die letzten Jahre einfach normal verlaufen?

The last Match- Jule & KaiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt