Näher als gedacht

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Julian

Die Sonne stand hoch am Himmel, und obwohl der Tag perfekt für einen Ausflug war, konnte ich mich nicht wirklich auf die Umgebung konzentrieren. Wir waren mitten im Park, umgeben von der Natur, und doch fühlte es sich an, als würde der Fokus des gesamten Teams nur auf den Aufgaben liegen, die vor uns lagen.

Ein typisches Team-Building-Event – Hindernisse, Vertrauensspiele und viel Zusammenarbeit. Normalerweise freute ich mich auf solche Events, vor allem, wenn sie außerhalb des Spielfelds stattfanden, aber heute war es anders. Heute war ich mit Kai in einem Team. Und ich konnte nicht sagen, dass ich mich darauf freute.

„Julian, Kai, ihr zwei seid als Nächstes dran", rief der Coach und winkte uns zu sich. „Eure erste Aufgabe ist ein Vertrauensspiel. Einer von euch bekommt die Augen verbunden, und der andere führt ihn durch diesen Hindernisparcours."

Ich lachte nervös und warf Kai einen kurzen Blick zu. Vertrauensspiel. Ausgerechnet. Die Ironie lag schwer in der Luft. Vertrauen war etwas, das zwischen uns immer da gewesen war – zumindest früher. Aber jetzt? Jetzt fühlte sich alles kompliziert an. So viel war unausgesprochen.

„Also, wer macht die Augen zu?", fragte Kai, während er mich schmunzelnd ansah. Sein Gesicht wirkte entspannt, aber ich konnte spüren, dass auch er innerlich mit der Situation rang.

„Ich mach's", sagte ich schnell, bevor ich es mir anders überlegen konnte. Vielleicht würde es einfacher sein, nichts zu sehen. Weniger Ablenkung, dachte ich. Ich könnte mich nur auf seine Stimme konzentrieren, ohne mir über alles andere Gedanken zu machen.

Kai trat einen Schritt näher, um mir die Augenbinde zu geben. Seine Hände streiften leicht mein Gesicht, und obwohl die Berührung nur flüchtig war, schickte sie einen Schauer über meine Haut. Es war verrückt, wie sehr mich diese Kleinigkeit aus dem Gleichgewicht brachte.

„Bereit?", fragte er leise, als die Binde fest saß und die Welt um mich herum dunkel wurde.

„Ja", murmelte ich und versuchte, die Nervosität in meiner Stimme zu unterdrücken. Es war seltsam, mich ihm so völlig auszuliefern. Früher hätte ich ohne zu zögern auf ihn vertraut. Jetzt... Jetzt war da diese Spannung, die uns beide beherrschte.

„Okay, mach einen Schritt nach rechts", sagte er ruhig, während seine Hand sanft meinen Arm berührte, um mich in die richtige Richtung zu lenken. Seine Stimme war ruhig, aber da war ein Hauch von Unsicherheit darin, als ob er genauso wie ich versuchte, sich zu orientieren.

„Langsam, du bist fast an einem Ast dran", warnte er, und ich hielt inne. Seine Hand war wieder da, diesmal auf meinem Rücken, als er mich vorsichtig um das Hindernis führte. Die Berührung war so leicht, aber sie hinterließ eine Wirkung, die ich nicht ganz verstand.

„Du kannst weitergehen", sagte er leise, und ich folgte seinen Anweisungen. Es fühlte sich merkwürdig intim an, obwohl es doch nur ein harmloses Spiel war. Nur wir zwei, alleine, während die restlichen Teammitglieder weiter entfernt waren.

„Jetzt nach links", befahl er, und ich gehorchte. Sein Atem war nah an meinem Ohr, und ich konnte spüren, wie meine Nerven sich immer weiter anspannten. Es war seltsam, wie vertraut und gleichzeitig befremdlich diese Situation war. Es war, als ob wir uns in einem Raum zwischen Vergangenheit und Gegenwart bewegten – zwischen dem, was wir einmal waren, und dem, was wir jetzt waren.

„Noch ein kleiner Schritt", sagte er, und dann lachte er leise. „Nicht stolpern."

„Ja, danke", murmelte ich trocken und zwang mich zu einem Lächeln. Es war einfacher, wenn wir scherzten. Es war leichter, wenn wir so taten, als wäre alles normal, obwohl es das ganz und gar nicht war.

Wir machten den Rest des Parcours stillschweigend weiter. Kai gab mir Anweisungen, und ich folgte ihnen blindlings. Jede Berührung, jede kleine Bewegung fühlte sich intensiver an, als sie es eigentlich sollte. Vielleicht lag es daran, dass ich ihm wieder vertrauen musste. Vielleicht lag es aber auch daran, dass da so viel mehr unausgesprochen war.

Als wir das Ende des Parcours erreicht hatten, zog Kai mir die Augenbinde ab, und für einen Moment standen wir nur da, schauten uns an, ohne ein Wort zu sagen.

„Gut gemacht", sagte er schließlich, aber seine Stimme klang distanzierter als zuvor. Es war, als hätten wir beide gemerkt, wie nah wir uns gerade gekommen waren – nicht nur physisch, sondern auch emotional.

„Danke", erwiderte ich leise und sah kurz weg. Die Sonne blendete mich, aber es war mehr als nur das Licht, das mich aus dem Gleichgewicht brachte. Es war die Tatsache, dass ich mich in dieser Nähe zu Kai so unwohl und gleichzeitig so... richtig fühlte. Es machte keinen Sinn.

„Ihr habt das gut gemacht", rief einer der Trainer, der zu uns kam. „Jetzt zur nächsten Aufgabe."

Wir wurden zum nächsten Posten geschickt, aber ich konnte die Spannung zwischen uns spüren, diese unausgesprochene Spannung, die immer mehr an die Oberfläche drängte. Wir hatten es geschafft, den Parcours zu meistern, aber ich war mir sicher, dass wir das wirkliche Hindernis noch lange nicht überwunden hatten.

Die restlichen Aufgaben verliefen ähnlich. Wir mussten zusammenarbeiten, uns blind aufeinander verlassen, aber jedes Mal spürte ich diese Schwere, die über uns lag. Jede Berührung, jede Anweisung wurde intensiver, je länger der Tag dauerte.

Als der Ausflug endlich zu Ende ging, fühlte ich mich erschöpft. Nicht nur körperlich, sondern auch emotional. Die Zusammenarbeit mit Kai hatte alte Erinnerungen geweckt, aber auch neue Gefühle hervorgebracht, die ich nicht einordnen konnte. Es war, als ob da etwas zwischen uns wuchs, das ich nicht benennen wollte.

„War ein guter Tag", sagte Kai, als wir zurück zum Camp gingen. Sein Ton war locker, aber ich konnte spüren, dass auch er mit seinen Gedanken kämpfte.

„Ja", murmelte ich und steckte die Hände in die Taschen. Aber es war mehr als das. Es war verwirrend, intensiv, und ich wusste nicht, wohin uns das führen würde.

The last Match- Jule & KaiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt