Verdrängte Gedanken

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Kai

Es war spät geworden, und die Dunkelheit füllte das Zimmer, während der flimmernde Bildschirm vor uns die einzigen Lichtquellen war. Der Film lief, doch ich konnte mich kaum darauf konzentrieren. Meine Gedanken waren überall, nur nicht bei der Handlung.

Julian lag direkt neben mir. Es war nicht ungewöhnlich, dass wir zusammen in einem Bett einen Film schauten, das hatten wir früher oft gemacht. Doch heute fühlte es sich anders an. Früher war da immer diese unschuldige Leichtigkeit, die man als beste Freunde hatte. Aber jetzt... jetzt war da eine Spannung zwischen uns, die ich nicht deuten konnte.

Meine Haut kribbelte, und ich war mir nicht sicher, warum. Es war, als ob ich den Raum, der uns trennte – der kaum mehr als ein paar Zentimeter betrug – überdeutlich spürte. Jede Bewegung von Julian zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Wenn er sich leicht bewegte oder seine Hand über die Decke streifte, konnte ich es spüren, als ob die Luft zwischen uns plötzlich elektrisch aufgeladen war.

„Ist der Film nicht gut?", fragte Julian leise und sah mich aus dem Augenwinkel an. Sein Gesicht wurde von dem bläulichen Licht des Fernsehers sanft erleuchtet. Ich konnte den Schatten seines Lächelns erkennen.

„Doch, doch", murmelte ich schnell und versuchte, mich zusammenzureißen. Mein Herz klopfte schneller, und ich wusste nicht genau, warum.

Es war nur ein Film, und wir waren nur Freunde. Es sollte nicht so kompliziert sein.

Ich lenkte meinen Blick wieder auf den Bildschirm und versuchte, mich auf die Handlung zu konzentrieren. Aber es war, als hätte mein Körper eine eigene Agenda. Die Nähe zu Julian fühlte sich... intensiv an. Nicht unangenehm, aber intensiv. Da war dieses seltsame, warme Gefühl, das ich nicht einordnen konnte. Es war wie Nervosität, aber auch etwas anderes. Etwas, das ich nicht benennen wollte.

"Ist dir kalt?", fragte Julian plötzlich und zog die Decke etwas mehr zu sich, sodass sie über uns beide reichte.

„Nein, mir ist nicht kalt", antwortete ich, obwohl ich spürte, wie sich mein Herzschlag beschleunigte. Julians Arm war jetzt näher an meinem, und ich konnte die Wärme seiner Haut durch die dünne Stoffschicht zwischen uns spüren. Es war verrückt, dass ich so auf eine so kleine Berührung reagierte.

Ich bewegte mich leicht zur Seite, um etwas mehr Platz zwischen uns zu schaffen, aber irgendwie zog es mich immer wieder zurück. Es war, als wäre da eine unsichtbare Kraft, die mich dazu brachte, ihm näherzukommen.

Es war nicht rational. Nichts daran war rational. Aber ich konnte es nicht stoppen.

„Welchen Teil vom Film fandest du bis jetzt am besten?", fragte Julian beiläufig, während er auf den Bildschirm starrte. Er tat so, als wäre das Gespräch locker, aber ich konnte den leichten Unterton in seiner Stimme hören. Er spürte es auch.

„Ähm", stammelte ich und versuchte, mich daran zu erinnern, was überhaupt im Film passiert war. „Keine Ahnung. Alles ist irgendwie... gut."

Julian lachte leise, ein tiefes, warmes Lachen, das mich noch nervöser machte. „Klingt, als ob du dich wirklich konzentrierst."

„Ja, ja, klar", erwiderte ich und zwang mich zu einem Lächeln. Ich fühlte, wie meine Nerven anfingen, mit mir durchzugehen. Das war doch lächerlich. Ich saß hier, neben meinem besten Freund, und doch fühlte sich jede Bewegung, jede Berührung, jedes Wort plötzlich so... bedeutungsvoll an.

Ich warf einen kurzen Blick zu Julian, und in dem Moment trafen sich unsere Augen. Es war nur ein flüchtiger Blick, aber es war, als hätte sich etwas in der Luft verändert. Für einen Moment hielt die Welt den Atem an, und ich konnte spüren, wie mein Magen sich zusammenzog.

Ich senkte schnell den Blick, bevor es zu offensichtlich wurde. Es war verrückt, aber ich konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken. Warum war ich so nervös? Warum fühlte sich alles so... anders an?

Julian lehnte sich ein wenig zurück, und ich spürte, wie sein Arm meinen leicht berührte. Es war nur eine leichte Berührung, aber sie schickte einen Schauer über meine Haut. Es war, als hätte mein Körper auf jede Kleinigkeit reagiert, die er tat.

„Was ist los mit dir?", fragte er plötzlich und sah mich neugierig an. Seine Augen funkelten leicht, aber ich konnte sehen, dass da auch ein Hauch von Unsicherheit in seinem Blick lag.

„Nichts", antwortete ich schnell und lachte nervös. Ich musste es überspielen. „Ich bin einfach müde vom Training."

„Müde, ja klar", sagte er leise und sah mich weiter an. Sein Blick war durchdringend, als würde er versuchen, mich zu durchschauen. „Du wirkst... angespannt."

Ich schluckte hart und versuchte, die Nervosität abzuschütteln. „Ich bin einfach kaputt", wiederholte ich, obwohl ich wusste, dass es nicht ganz stimmte. Da war etwas, das mich beschäftigte, aber ich wollte es nicht zugeben. Nicht jetzt.

„Weißt du", begann Julian langsam und lehnte sich etwas näher an mich heran, „wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dass du irgendwas verheimlichst."

Sein Ton war locker, aber seine Worte trafen mich wie ein Schlag. Ich zwang mich zu einem Lächeln und schüttelte den Kopf. Natürlich wollte ich nichts verheimlichen, aber gleichzeitig... war da so viel, das ich nicht aussprechen konnte.

„Ich verheimliche gar nichts", sagte ich leise, aber meine Stimme klang unsicherer, als ich es wollte.

Die Stille, die danach folgte, war fast unerträglich. Wir saßen nebeneinander, der Film lief weiter im Hintergrund, aber keiner von uns sagte etwas. Die Spannung zwischen uns war greifbar, und ich wusste nicht, wie ich sie durchbrechen sollte.

„Weißt du", sagte Julian plötzlich, und seine Stimme war leiser als zuvor, „ich habe auch manchmal das Gefühl, dass wir Dinge nicht wirklich aussprechen."

Meine Nerven waren am Ende, aber ich konnte mich nicht bewegen. Ich saß einfach da, starrte auf den Bildschirm und spürte, wie mein Herz in meiner Brust hämmerte.

„Wie meinst du das?", fragte ich vorsichtig, obwohl ich tief im Inneren wusste, worauf er hinauswollte.

Julian zögerte einen Moment, bevor er antwortete. Seine Augen wanderten kurz zu mir, und dann sah er wieder auf den Bildschirm. „Ich weiß nicht. Ich meine... manchmal habe ich das Gefühl, dass wir uns in den letzten Jahren... verloren haben. Aber jetzt..."

Er brach ab, und ich konnte den Rest seiner Gedanken fast spüren, als würden sie in der Luft hängen.

„Jetzt... was?", fragte ich, obwohl ich wusste, dass ich wahrscheinlich besser nicht weiter nachfragen sollte.

„Jetzt fühlt es sich an, als wären wir auf dem Weg, wieder Freunde zu werden", sagte er schließlich und drehte sich leicht zu mir. Sein Blick war offen, ehrlich, und ich konnte sehen, dass er es ernst meinte. „Aber es ist anders. Findest du nicht?"

Ich nickte langsam. Ja, es war anders. Alles an uns fühlte sich anders an. Die Nähe, die Vertrautheit, die Spannung. Es war nicht mehr wie früher. Etwas hatte sich verändert, aber ich wusste nicht genau, was.

Julian seufzte leise und lehnte sich wieder zurück. „Ich weiß auch nicht. Vielleicht bilde ich mir das alles nur ein."

Die Stille füllte den Raum erneut, und ich wusste, dass das Gespräch noch lange nicht vorbei war. Aber für heute... war es genug.

Wir sahen den Film zu Ende, aber meine Gedanken waren weit weg. Weg von der Handlung, weg von der Leinwand. Sie waren bei Julian.

The last Match- Jule & KaiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt