Schritte auf vertrautem Boden

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Kai

Nach dem Training fühlte ich mich besser. Die körperliche Anstrengung hatte mir geholfen, den Kopf freizubekommen, und das Spiel hatte mich abgelenkt. Es war das erste Mal seit langem, dass ich wirklich abschalten konnte. Für einen Moment war alles andere unwichtig gewesen – die Distanz zwischen mir und Julian, die unausgesprochenen Fragen, das ständige Gefühl, dass etwas nicht stimmte.

Aber jetzt, zurück im Zimmer, spürte ich die Stille wieder. Die Ruhe des Raumes erinnerte mich daran, dass nichts wirklich geklärt war. Doch etwas war anders als zuvor. Nach dem Training hatte sich etwas zwischen uns verändert, und ich wusste, dass ich es nicht ignorieren konnte.

Ich musste die Spannung durchbrechen.

Julian saß auf seinem Bett, das Handy in der Hand, während er hin und wieder nach oben schaute. Er wirkte entspannter als zuvor, und ich konnte sehen, dass das Training auch ihm gutgetan hatte. Vielleicht war es der richtige Moment, die Distanz ein wenig zu überwinden.

Ich setzte mich auf mein Bett und zögerte kurz, bevor ich das Thema ansprach. „Das Tor heute war echt stark", sagte ich schließlich, meine Stimme ruhig, aber ehrlich.

Julian blickte überrascht auf, als hätte er nicht damit gerechnet, dass ich das Thema wieder aufgreife. Sein Gesichtsausdruck entspannte sich, und er lächelte leicht. „Danke", murmelte er. „War mehr Glück als alles andere."

„Nee", widersprach ich und lehnte mich etwas nach vorne. Es war seltsam, wie leicht mir die Worte plötzlich fielen. „Das war nicht nur Glück. Du hast die Lücke gesehen und dann genau das Richtige gemacht. Ich war wirklich beeindruckt."

Julian schien einen Moment zu überlegen, bevor er leise lachte. Es war ein ehrliches Lachen, das mir sofort ein gutes Gefühl gab. „Du musst dich nicht so anstrengen, mir Komplimente zu machen, Kai. Aber danke, trotzdem."

Ein kleiner Moment der Lockerheit. Etwas, das wir lange nicht mehr zwischen uns gespürt hatten. Vielleicht war es das, was wir brauchten – kleine Schritte. Wir mussten nicht sofort alles klären. Vielleicht mussten wir einfach wieder lernen, normal miteinander zu reden.

„Du hast mich echt an unsere alten Zeiten erinnert", fügte ich hinzu und ließ meinen Blick für einen Moment auf ihm ruhen. Die Worte kamen leichter, als ich erwartet hatte. „Weißt du noch, wie wir früher im Training bei Leverkusen immer versucht haben, uns gegenseitig auszuspielen?"

Julian nickte, und ich sah, wie seine Augen kurz aufleuchteten. „Ja, natürlich. Ich hab dir immer einen Schritt voraus gewesen."

„Na klar", erwiderte ich grinsend. „So hab ich das damals nicht gesehen."

Das Gespräch fühlte sich plötzlich leichter an. Es war, als würden wir ein Stück dieser Leichtigkeit zurückgewinnen, die wir früher gehabt hatten. Wir redeten nicht über die schwierigen Dinge, nicht über unsere Freundschaft oder was damit passiert war. Aber das war okay. Es fühlte sich gut an, einfach über Fußball zu reden, über die Vergangenheit, ohne dass die Spannung alles überschattete.

„Weißt du noch das Spiel gegen Bayern, als wir diesen verrückten Doppelpass gespielt haben?", fragte Julian und lehnte sich etwas zurück. Sein Lächeln war breiter jetzt, offener. „Das war so ein geiles Spiel. Ich hab die ganze Nacht nicht schlafen können vor Aufregung."

„Oh ja, daran erinnere ich mich. Das war einer unserer besten Momente", erwiderte ich. Ich konnte sehen, dass Julian sich genauso an die alten Zeiten erinnerte wie ich. Wir hatten so viele Momente zusammen erlebt, und jetzt, in diesem Gespräch, schien ein Teil dieser Verbindung wieder aufzuleben.

Es war kein schweres Gespräch. Wir redeten einfach über Fußball, über alte Spiele, über die gemeinsamen Erinnerungen, die uns so lange verbunden hatten. Für einen Moment war es fast, als wäre nichts dazwischengekommen. Fast, als könnten wir wieder die Freunde sein, die wir einmal gewesen waren.

Und je mehr wir redeten, desto mehr wurde mir klar, wie sehr ich Julian vermisst hatte. Nicht nur die Gespräche, sondern auch die Vertrautheit. Die Art, wie wir uns verstanden hatten, ohne viele Worte zu brauchen. Es war schwer zu beschreiben, aber in diesem Moment fühlte es sich an, als hätten wir einen kleinen Teil dieser Vertrautheit zurückgewonnen.

„Ich muss zugeben", sagte ich schließlich und lehnte mich leicht zurück, „ich hab dich echt vermisst, Mann. Die letzten Jahre waren..." Ich brach ab, weil ich nicht sicher war, wie ich den Satz beenden sollte. Es war schwer, die richtigen Worte zu finden, ohne zu tief in die Gefühle einzutauchen, die ich gerade erst wiederentdeckte.

Julian sah mich an, sein Gesichtsausdruck etwas weicher. Er schien zu verstehen, was ich sagen wollte, ohne dass ich es aussprechen musste. „Ja", sagte er leise. „Ich hab dich auch vermisst."

Das war alles. Wir ließen es dabei. Es war keine tiefgründige Aussprache, keine dramatische Wiedervereinigung. Aber es war ehrlich. Für einen Moment waren wir einfach nur zwei Freunde, die sich nach langer Zeit wiedergefunden hatten. Das war genug.

Die Spannung, die in den letzten Tagen zwischen uns gehangen hatte, war nicht komplett verschwunden, aber sie war weniger drückend. Wir hatten einen kleinen Schritt gemacht, einen Schritt in Richtung der Normalität, die wir beide so sehr vermisst hatten.

Das Gespräch wurde wieder leichter. Wir sprachen weiter über Fußball, über das kommende Training, über die Pläne für den Tag. Es war fast, als würden wir den Raum langsam mit etwas füllen, das wir beide so lange vermisst hatten – Freundschaft.

Aber tief in mir wusste ich, dass es noch mehr zu sagen gab. Es gab noch so viel, was wir nicht angesprochen hatten, so viele Dinge, die uns voneinander getrennt hatten. Aber jetzt war nicht der Moment dafür. Jetzt brauchten wir einfach nur diesen kleinen Moment der Vertrautheit, um zu merken, dass nicht alles verloren war.

„Also, hast du schon Pläne für den Rest des Tages?", fragte ich, als das Gespräch eine kurze Pause machte.

Julian zuckte mit den Schultern. „Nicht wirklich. Wahrscheinlich einfach das Übliche – Training, Mittagessen, dann mal sehen. Was hast du vor?"

„Nichts Konkretes", sagte ich. Es war merkwürdig, wie normal das alles klang. Aber es fühlte sich gut an. Vielleicht konnten wir doch wieder zu einer Art Normalität zurückfinden. „Vielleicht sollten wir später zusammen ein bisschen rausgehen. Mal sehen, was die anderen machen."

Julian nickte und lächelte leicht. „Klingt gut."

Das Gespräch war nicht revolutionär, und es klärte nichts von dem, was uns wirklich beschäftigte. Aber es war ein Anfang. Es war ein Schritt zurück zu dem, was wir einmal gehabt hatten. Und vielleicht, nur vielleicht, war das genug für den Moment.

Als wir schließlich beschlossen, das Zimmer zu verlassen, um zum Mittagessen zu gehen, hatte ich das Gefühl, dass sich etwas verändert hatte. Die Spannung war nicht komplett weg, aber sie war weniger erdrückend. Wir hatten einen kleinen Schritt gemacht, und das war genug für jetzt.

Und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte es sich an, als könnten wir vielleicht wirklich wieder Freunde werden.

The last Match- Jule & KaiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt