Wenn Worte wehtun

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Julian

Es war eine Erleichterung, als wir endlich im Hotel ankamen und mir klar wurde, dass jeder von uns ein eigenes Zimmer hatte. Nach der langen Busfahrt, bei der ich neben Kai saß und es so gut wie keine Worte zwischen uns gegeben hatte, brauchte ich Abstand. Abstand von ihm und von den ganzen Gefühlen, die in mir hochkamen, die ich einfach nicht einordnen konnte.

Ich war froh, allein zu sein.

Das Zimmer war ruhig, nur das entfernte Summen der Klimaanlage war zu hören, während ich meinen Koffer öffnete und die nötigsten Sachen auspackte. Endlich konnte ich durchatmen. Die ganze Anspannung, die sich in den letzten Stunden aufgebaut hatte, schien sich langsam zu lösen, aber der Knoten in meinem Magen blieb.

Ich ließ mich auf das Bett fallen und starrte an die Decke. Warum musste alles so kompliziert sein? Warum konnte ich nicht einfach normal mit Kai umgehen, so wie früher? Früher, als wir einfach nur Freunde waren und die Welt noch nicht so kompliziert erschien. Jetzt war alles anders.

Ich drehte mich auf die Seite und versuchte, die Gedanken abzuschütteln. Ich wollte schlafen, wenigstens ein paar Stunden Ruhe finden, bevor wir morgen das Spiel hatten. Aber der Schlaf kam nicht. Die Gedanken an Kai und den Kuss, an das, was zwischen uns passiert war, ließen mich nicht los. Es war, als würde mein Verstand immer wieder zurückkehren zu diesem einen Moment.

Es machte mich fertig, dass wir nicht darüber geredet hatten. Es hing in der Luft, zwischen uns, aber keiner von uns hatte den Mut, es anzusprechen.

Plötzlich hörte ich ein Klopfen an meiner Zimmertür.

Wer klopfte um diese Uhrzeit? Es war spät, und ich war mir sicher, dass die meisten anderen längst in ihren Zimmern waren. Ich setzte mich auf und ging zur Tür, öffnete sie einen Spalt – und da stand Kai.

„Kai? Was... was machst du hier?" Ich war ehrlich überrascht. Er sah anders aus, als wäre er ebenfalls unruhig. Es war, als hätte auch er nicht wirklich Schlaf gefunden.

„Julian", sagte er, und seine Stimme klang angespannt. Er wirkte, als würde er mit sich ringen, als ob er nicht sicher war, ob er wirklich hier sein sollte.

„Kann ich reinkommen?" fragte er schließlich. Ich nickte, obwohl ich innerlich nicht wusste, ob ich das wirklich wollte. Aber ich ließ ihn rein.

Er ging ein paar Schritte ins Zimmer und blieb dann stehen, drehte sich zu mir um und verschränkte die Arme vor der Brust. Die Spannung war sofort spürbar. Es war nicht das erste Mal, dass wir uns in den letzten Tagen so gegenüberstanden, aber diesmal schien es anders. Er war ernst, und ich spürte, dass es kein nettes Gespräch werden würde.

„Es geht so nicht weiter", begann er, ohne Umschweife. „Was passiert ist, das... das darf nicht nochmal passieren. Verstehst du das?"

Ich schluckte schwer und versuchte, ruhig zu bleiben. Sein Ton war hart, härter als ich es erwartet hatte. „Was meinst du?" fragte ich, obwohl ich genau wusste, worauf er anspielte.

„Du weißt genau, was ich meine." Er klang fast wütend. „Dieser Kuss... das war ein Fehler. Ich... ich hab eine Frau, Julian. Sophia. Das darf einfach nicht passieren. Das kann nicht sein."

Ich wollte etwas sagen, aber die Worte blieben mir im Hals stecken. Ein Fehler? Hatte es sich für ihn wirklich so angefühlt? Als wäre es nichts? Als wäre es einfach nur ein Ausrutscher, den er am liebsten vergessen wollte?

„Ich bin..." Ich suchte nach den richtigen Worten, fühlte, wie mein Herz schneller schlug. „Ich weiß, dass du eine Frau hast, aber..."

„Nein, Julian." Er unterbrach mich sofort, seine Stimme war scharf und entschlossen. „Das darf nicht nochmal passieren. Ich... ich brauche Abstand. Wir können nicht einfach so weitermachen, als wäre nichts passiert. Ich kann das nicht."

Abstand. Das Wort traf mich härter, als ich erwartet hatte. Abstand von mir.

Ich spürte, wie sich meine Brust zusammenzog, als würde mir jemand die Luft abschnüren. Es tat weh, obwohl ich es mir nicht anmerken lassen wollte. Ich wollte nicht, dass er das sah.

„Ich verstehe", murmelte ich schließlich, obwohl ich es nicht wirklich verstand. Was genau wollte er? Dass wir einfach aufhörten, miteinander zu reden? Dass wir uns aus dem Weg gingen? Wie sollte das funktionieren?

„Ich..." Kai fuhr sich mit der Hand durch die Haare, ein Zeichen dafür, dass auch er unsicher war. „Es tut mir leid, Julian, aber ich kann das nicht. Wir müssen... wir müssen einfach wieder einen klaren Kopf bekommen. Ich brauche Zeit, um nachzudenken. Du solltest das auch tun."

Nachdenken? Als könnte ich einfach einen Schalter umlegen und meine Gefühle abstellen. Als wäre es so einfach.

Ich nickte, obwohl alles in mir sich dagegen sträubte. Ich wollte ihm widersprechen, wollte ihm sagen, dass es für mich nicht so einfach war, aber ich tat es nicht. Vielleicht hatte er recht. Vielleicht brauchten wir wirklich Abstand.

„Okay", sagte ich schließlich. „Wenn das das ist, was du willst." Aber es fühlte sich an, als würde etwas in mir zerbrechen.

Kai nickte und sah mich einen Moment lang an, bevor er sich umdrehte und zur Tür ging. Es war, als wäre er froh, dass das Gespräch vorbei war. Als wäre es eine Last, die er endlich losgeworden war.

Als er die Tür hinter sich schloss, blieb ich allein im Zimmer zurück. Die Stille war überwältigend. Ich ließ mich zurück aufs Bett fallen und starrte an die Decke.

Wie sollte ich damit klarkommen? Wie sollte ich einfach so tun, als wäre es mir egal? Wie sollte ich die Gefühle abschalten, die in mir tobten?

Es war, als hätte er einen Teil von mir mitgenommen, als er gegangen war. Und ich wusste nicht, wie ich es wiederfinden sollte.

The last Match- Jule & KaiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt