20. Silvesterpläne

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Die Weihnachtsfeiertage verbrachte ich im Kreise meiner Liebsten. Wie jedes Jahr besuchten uns meine Großeltern und meine Tante mütterlicherseits. Sie lebten in Colorado in einer kleinen Stadt auf dem Land, weshalb wir uns selten sahen. Ich genoss die Zeit mit ihnen sehr, jedoch kam ich nicht darum herum mit meinen Gedanken ständig zu Grant zu schweifen. Zum einen ging mir sein komisches Verhalten, als er einfach davon geeilt war, nicht aus dem Kopf und zum anderen malte ich mir aus, wie es wohl wäre, mit ihm zusammen zu sein. Natürlich kam ich mir dabei komplett bescheuert vor, aber die Gefühle und Gedanken wurden immer stärker und somit schwerer zu verdrängen. Manchmal bevor ich einschlief, stellte ich mir vor, wie es wäre, neben ihm einzuschlafen und aufzuwachen, doch dabei kam ich mir so unendlich dumm vor, dass ich mich zum schlafen zwang bevor ich mir noch mehr Dinge vorstellen konnte. Dinge, die niemals so passieren würden.

Ich hätte gern mit jemandem über meine Gefühle gesprochen, doch die einzige Person, die dafür infrage kommen würde, war Ruby.
Mittlerweile war ich nicht mehr wütend auf sie. Ich sehnte mich einfach nur noch nach ihr und unserer Freundschaft. Niemals hätte ich gedacht, dass ein paar Tage am College uns auseinanderbringen konnten. Ich vermisste sie so, dass ich öfters eine Nachricht an sie verfasste, diese aber sofort wieder löschte und mein Handy ans andere Ende des Raums warf. Wir verhielten uns lächerlich, das war mir sehr wohl bewusst. Jedoch war ich mir sicher, dass Ruby mich nicht mehr brauchte. Sie sah glücklich aus. Wirkte ausgelassen und warf mir nur noch selten Blicke auf dem Campus zu. Wie würde sie reagieren, wenn ich sie anrief?
Vermutlich würde sie meinen Namen wegdrücken.

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Mein Gedankenkarussell kam zum Stillstand, als ich die Silhouette meines Bruders im Türrahmen wahrnahm.
„Was hast du an Silvester vor?" fragte er geradeheraus und sah sich naserümpfend in meinem Zimmer um.
„Von Aufräumen hältst du auch nicht viel, wie ich sehe."
„Sei still", murrte ich genervt.
„Dein Zimmer sieht doch auch nicht besser aus."
„In meinem Zimmer fließt allerdings auch künstlerisches Chi, da darf es ruhig ein bisschen chaotischer sein." Ich verdrehte die Augen. Ja, das Chi floss tatsächlich in seinem Zimmer, da er ein totaler Feng-Shui-Fanatiker war, aber ob das eine Ausrede für alles sein konnte, wagte ich zu bezweifeln.

„Wie du meinst. An Silvester werde ich vermutlich eine neue Serie schauen und ins neue Jahr hinein schlafen", antwortete ich nun endlich auf seine Frage und freute mich insgeheim jetzt schon auf einen entspannten Serienabend, an dem mich keiner störte, weil alle anderen außer Haus waren, um die Stadt unsicher zu machen.
„Nope, das wirst du nicht. Du kommst mit mir zu einer Party Schwesterherz." Siegessicher lief er zu meinem Kleiderschrank hinüber und öffnete ihn.

„Was? Wieso sollte ich mit dir auf eine Party gehen?"
Ich erinnerte mich noch ganz genau an das letzte Mal, als ich mit Aiden auf eine Party gegangen war. Ich hatte missmutig in der Ecke gestanden, während er mit irgendwelchen Kerlen und Frauen tanzte, rummachte und mich am Ende des Abends nicht mal nach Hause begleitete.
„Weil ich Mom und Dad versprochen habe, dich dieses Jahr nicht allein zu Hause zu lassen. Du weißt doch, sie fahren über Silvester nach New York."
„Ja eben, dann kann ich doch zu Hause bleiben, ohne das es jemand mitbekommt."
Er drehte sich zu mir und sah mich über den Rand seiner Brille - die er eigentlich gar nicht brauchte - hinweg an.
„Du wirst mitkommen, und wenn du dich auf den Kopf stellst."
Mit diesen Worten warf er mir ein dunkelblaues Kleid mit kleinen Glitzer Applikationen zu, welches eigentlich in erster Linie für Tanzauftritte gedacht war, und nicht für den Alltag.

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Natürlich sollte mein Bruder Recht behalten und mich erfolgreich mit auf die Party schleppen können. Zwar hatte ich mich nicht kampflos mitschleifen lassen, mich als Verteidigungstechnik in meinem Zimmer eingeschlossen und so getan, als würde ich Aidens auffordernde Rufe nicht hören. Doch als er irgendwann drohte, die Party sonst einfach zu uns nach Hause zu verlegen, huschte ich geschlagen aus meinem Zimmer. Bloß keine fremden Leute bei uns zu Hause. Sonst würde ich den ersten Tag des neuen Jahres noch mit Putzen und Aufräumen verbringen müssen.
Er zwang mich sogar in das von ihm ausgesuchte Kleid und kombinierte es mit schwarzen Overknee Stiefeln, welche eine seiner besten Freundinnen mir geliehen hatte. Überflüssig zu erwähnen, dass ich mich viel zu aufgebrezelt und nackt fühlte. Obwohl das Kleid alles verdeckte, was verdeckt sein sollte, keinen großen Ausschnitt hatte und lediglich hauteng an mir klebte.

The Silent Side of LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt