18. Niemand hat gesagt, dass es einfach wird

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„Wo warst du denn gestern so lange mein Schatz?" fragte mein Vater mich am nächsten Morgen beim Frühstück und versuchte sichtlich sein Mienenspiel nicht zu neugierig zu gestalten.
Mürrisch schob ich mein Rührei von einer Seite des Tellers zur anderen. Die vier Stunden die ich heute Nacht geschlafen hatte, konnten in Kombination mit meiner üblichen Morgenmuffeligkeit ein Todesurteil für meine Mitmenschen bedeuten.
„Ich war bei Grant und Riven."
„Du scheinst viel Zeit mit den beiden zu verbringen, hm?" Oh nein. Ich kannte diesen Ton. Den Erzähl-Mir-Mehr-Ohne-Dass-Ich-Frage-Ton.
„Ja, wir kommen klar."
„Und magst du einen von den beiden mehr als bloß freundschaftlich?" fragte mein Vater, während er wie beiläufig an seinem Kaffee nippte. Total unauffällig, Dad. Augenverdrehend stemmte ich mein Kinn auf meine Faust.
„Ach, Maxwell nun hör aber auf! Lass deiner Tochter doch ihren Freiraum, immerhin ist sie 19 Jahre alt und dir nun wirklich keine Rechenschaft schuldig", mischte sich meine Mutter ein und schickte meinem Vater einen tadelnden Blick über den Küchentisch. Dabei grenzte es an ein Wunder, dass er nicht tot vom Stuhl fiel.
„Entschuldigt, dass ich mich für das Leben meiner Tochter interessiere und einfach nicht verstehe warum sie uns immer noch keinen jungen Mann vorgestellt hat. Ich meine sieh sie dir doch an, sie ist bildhübsch. Ich verstehe nicht, warum die Kerle nicht in Scharen vor unserer Haustür stehen."
Wut brodelte in mir und mit einem knallroten Kopf und einem lauten Klirren ließ ich meine Gabel auf den Teller fallen. Etwas Rührei wurde dabei auf den Boden katapultiert, doch das interessierte mich nicht im Geringsten. Sollte Dad es doch gleich sauber machen. Er hatte ja anscheinend sowieso nicht genug zutun, wenn er mir schon wieder mit diesem Thema auf den Geist gehen konnte.
„Dad! Hör einfach auf, mich mit dem Thema zu nerven!" Fluchtartig stürmte ich aus der Küche, um mich in der Ballettschule zu verkriechen.
Zum Glück hatte ich mir für heute einen Raum reserviert, denn ich musste jetzt unbedingt tanzen, um den Kopf freizukriegen.

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Die Musik erklang und ich fing an mich im Takt zu bewegen. Ohne meine Bewegungen im Spiegel zu verfolgen, tanzte ich einfach drauf los. Die Musik schien von meinem Körper Besitz zu ergreifen. Der Bass dröhnte im Takt meines Herzens. Meine Beine nahmen die Schwingungen der Musik an und flogen nur so über das Parkett.
Der merkwürdige Moment zwischen Grant und mir ging mir immer noch nicht aus dem Kopf, egal wie sehr ich es versuchte.
Mittlerweile erwischte ich mich sogar dabei, wie ich mir wünschte seine Lippen auf meinen spüren zu können. Endlich das Gefühl von Begehren zu fühlen und es mit meinen Händen greifen zu können.
Doch Grant hatte mich nicht geküsst und vielleicht hatte er das auch gar nicht vorgehabt. Oder wenn doch, dann wollte er sich womöglich einfach die Zeit vertreiben. Womöglich hätte er jedes Mädchen geküsst das in sein Zimmer geplatzt wäre.
Aber hätte er mit jedem anderen Mädchen im Bett gelegen und seiner Schwester Märchen vorgelesen?
Bestimmt. Mensch Avery, du bist nichts besonderes für ihn. Also hör auf dir das einzureden!

Ich fiel. Ich fiel tiefer und tiefer in meine Gedanken, rollte mich über den Boden und stand wieder auf. Ließ mich fallen, nur um danach schwer atmend auf dem Boden liegen zu bleiben. Mein Oberkörper hob sich zitternd ehe er sanft zurück auf den Boden glitt und sich mit meinen Beinen in einer innigen Umarmung traf.
Was machte dieser Junge bloß mit mir? Ich wollte ihn vergessen, wollte die Gefühle verdrängen die sich langsam anbahnten. Ich wollte mir nicht vorstellen wie es war ihn zu küssen. Wie es war in seinen Armen zu liegen. Ich wollte mir nicht wünschen zu wissen warum er für Wochen abgetaucht war oder warum er kerngesund im Bett lag, wenn doch sein Bruder behauptete er sei krank.
Ich wollte, dass er mir egal war. Er und seine ganze Familie.
Doch nach und nach musste ich mir eingestehen, dass dem nicht so war.
Grant war mir wichtig. Wichtiger als ich zugeben wollte. Wichtiger als mir lieb war.
Und was das erschreckendste war: er schien mir immer mehr ans Herz zu wachsen.

-⁕-

Die erste Prüfungsphase flog so schnell an mir vorbei, dass ich gar nicht realisieren konnte, das bereits Weihnachten und somit auch die ersten heiß ersehnten Ferien vor der Tür standen. Ich ließ die Prüfungen mit Ach und Krach hinter mir und stellte mein perfektionistisches Mindset mitten in der Geschichtsklausur auf das Motto „Einfach nur bestehen" um.
Lediglich die wöchentlichen Lerntreffen mit Grant erweckten Gefühle jenseits von Stress, Missmut und Anspannung. Nun ja und die Tatsachen, dass Ruby angeblich eine ihrer Prüfungen in den Sand gesetzt hatte und diese im neuen Jahr wiederholen musste. Ich stritt es zwar vehement ab, aber dennoch keimte ein wenig Schadenfreude in mir auf. Karma.
In der Tanzschule hatte meine Mutter bereits allerhand zutun, denn das jährliche Benefiz Weihnachtskonzert stand vor der Tür.


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Hallo :)
Ich weiß nicht, ob sich jemand noch an diese Geschichte erinnert.
Mit hohen Vorsätzen gehe ich das Projekt diese Geschichte hochzuladen erneut an und würde mich über eure Meinung und Herzchen freuen :)

Herzliche Grüße,
Carla

The Silent Side of LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt