24. Unerfreulicher Morgen

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Mason, der mittlerweile feste Freund meines Bruders, saß nun schon seit einigen Wochen jedes Wochenende mit uns am Frühstückstisch. Davon abgesehen, dass ich immer noch nicht ganz glauben konnte, dass mein Bruder eine Beziehung führte, die länger als eine Woche anhielt, empfand ich Mason einfach nur als widerlich. 

Nicht nur die Tatsache, dass ich die beiden regelmäßig beim Sex hören musste oder es mich störte, dass er auch gerne mal halbnackt durch unsere Wohnung stolzierte. Nein, noch dazu kamen die ewigen Flirtereien und das ätzende Rummachen und Anfassen wann immer sie sich in der Nähe des jeweils anderen befanden. Wirklich, ich gönnte meinem Bruder sein Glück, doch neben dem Würgereiz spürte ich auch die eifersüchtigen Stiche in meiner Magengegend. Ja, ich gab zu, dass meine Abneigung Mason gegenüber hauptsächlich mit Eifersucht zu tun hatte, weil ich auch endlich eine Person finden wollte, die mich liebte und die ich meinen Eltern vorstellen konnte. Vorzugsweise jedoch jemanden der wusste, warum Kleidung erfunden wurde und wie man sie anwandte.

In Gedanken schwelgend stand ich vor dem Spiegel und putzte mir die Zähne, als Mason plötzlich hinter mir in der Tür erschien. Im Spiegelbild sah ich, wie meine Augen sich ungläubig weiteten und ihn durch den Spiegel nur anstarren konnten. Beinahe tropfte mir die Zahnpasta aus dem offenen Mund und ich machte eine schnappende Bewegung, um das Schlimmste zu verhindern.
„Oh sorry Avery, ich wusste nicht, dass du hier drin bist", grinste er, machte aber keine Anstalten, das Badezimmer wieder zu verlassen.
„Geschlossene Badezimmertüren bedeuten meistens, dass besetzt ist", nuschelte ich mit Zahnpasta im Mund und wandte mich genervt wieder dem Waschbecken zu. Durch den großen, mit Schnörkeln verzierten Spiegel über dem Waschbecken konnte ich ihn genau beobachten. Ausnahmsweise trug er sogar sowohl ein T-Shirt als auch eine Boxershorts und lehnte sich lässig an das hölzerne Regal, in dem wir unsere Drogerieartikel verstauten.

„Naja, du putzt dir ja nur die Zähne. Du bist ja nicht nackt oder so." Er lachte und besaß nun allen Ernstes die Frechheit, sich neben mich zu stellen und ebenfalls die Zähne zu putzen.
Er hatte zwar Recht und hätte ich ihn gemocht, wäre es kein großes Ding, mit ihm zusammen im Bad zu stehen, doch das Gegenteil war der Fall.
Als ich fertig mit Zähne putzen war, spuckte ich die Überreste hörbar aus und verließ mit dem Knallen der Tür das Badezimmer.

Bevor ich jedoch das Haus verließ, machte ich noch einen Abstecher zum Zimmer meines Bruders.
„Sag deinem Freund gefälligst, dass man nicht einfach ins Badezimmer spazieren kann, sondern wenigstens vorher klopfen sollte. Auch wenn ihr keinen Wert auf Privatsphäre legt, heißt das nicht, dass ich und der Rest der Familie das auch so sehen. Klopfen ist ja wohl nicht zu viel verlangt", warf ich ihm zickig an den Kopf.

Aiden zuckte ahnungslos die Schultern und sagte in gleichgültiger Sing-Sang Stimme:
„Da ist wohl jemand unzufrieden mit seinem Leben."
„Halt die Klappe Aiden", zischte ich zurück und war schon fast aus der Tür heraus, als ich seine nächsten gehässigen Worte hörte und sie erneut öffnete.
„Was kann ich dafür, dass dein Macker dich nicht ranlässt."
Währenddessen räumte er seinen Kleiderschrank ein, als wäre nichts gewesen und beachtete mich kein bisschen.

Irritiert zog ich die Augenbrauen zusammen und pustete hörbar Luft aus meinen Wangen.
„Was? Du... spinnst- ach, lass mich in Ruhe, Aiden!"
Wieder zog ich die Tür hinter mir lautstark ins Schloss und hörte meinen Bruder nur erheitert auflachen.

„Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?" flüsterte Kenny unbemerkt in meine Richtung, während unserer während unser Professor irgendeinen langweiligen Exkurs hielt. Ich hatte noch nicht mal mitbekommen, um welches Thema es ging. Gelangweilt stützte ich meinen Kopf auf meine Hände und versuchte mit aller Kraft, meine Augen offen zu halten.
„Nichts", murrte ich und starrte stur geradeaus, damit es so aussah, als würde ich dem Professor aufmerksam zuhören. 

-⁕-

„Ahja, und deshalb kritzelst du die ganze Zeit in dein Buch, und drückst so fest zu, dass das Papier fast durch ist?" Belustigung schwang in seiner Stimme mit und obwohl Kenny der Letzte war, auf den ich sauer sein dürfte, hätte ich seinen Kopf am liebsten auf den Tisch geknallt. Kenny trug heute ein weißes Hemd, welches für seine Verhältnisse erstaunlich weit aufgeknöpft war und sich fast gar nicht von seiner porzellanweißen Haut abhob. Dazu zierten unzählige dünne Silberketten seinen Hals und erinnerten mich an einen zu doll geschmückten Christbaum. Doch natürlich hätte ich ihm das niemals so gesagt.

Warum ich so sauer war, hing natürlich mit meinem Bruder und seinem super Freund zusammen. Ich kam jedoch nicht umhin, zuzugeben, dass es vor allem seine Worte gewesen waren, die mich mehr getroffen hatten, als ich jemals zu träumen gewagt hätte.
Ich ignorierte Kenny so gut es ging, auch wenn ich gleichzeitig ein schlechtes Gewissen hatte. Schließlich wollte ich meine einzigen Freunde nicht auch noch mit meinem Verhalten vergraulen jedoch konnte ich meine schlechte Laune auch nicht verbergen.
Deshalb entschloss ich mich für die einzig logische Antwort.

„Sorry Kenny, aber heute ist einfach nicht mein Tag."
„Und das ist vollkommen in Ordnung. Solche Tage muss und darf es geben", gab er philosophisch zurück und bedachte mich mit einem aufmerksamen Seitenblick. Ich konnte praktisch riechen, wie sehr er sich nach mehr Informationen verzerrte. Als er jedoch bemerkte, dass ich nicht vorhatte, noch etwas zu sagen, platzte er heraus: „Hat es was mit Grant zu tun?"
Ein erneutes Grollen staute sich in meiner Brust.

„Wieso denkt jeder, dass meine Laune mit ihm zusammenhängt?" fauchte ich zurück und Kenny konnte sich ein Grinsen nur mühsam verkneifen. Anscheinend war ihm mein patziger Tonfall schon Antwort genug.
„Na, ihr hängt nur noch aufeinander und dass du nicht auf ihn stehst, kannst du mir nicht erzählen. Ich meine, hast du dir den Typ mal genau angesehen", wisperte er und blickte gedankenverloren auf den Tisch, als würde ein Abbild von Grant auf diesem erscheinen, wenn er es sich nur stark genug vorstellte. Als wären wir in einem Disneyfilm gefangen.

Natürlich hatte ich mir Grant genauer angesehen. Sogar so genau, dass ich auf der Stelle ein detailliertes Porträt von ihm hätte anfertigen können. Doch leider fehlte mir dafür das zeichnerische Talent. Allerdings konnte ich Kenny natürlich auch nicht widersprechen. Aber zugeben, dass ich auf Grant „stand" oder sogar verliebt in ihn war, konnte ich auch nicht. Möglicherweise könnte ich es mir selbst heimlich eingestehen, aber laut auszusprechen traute ich es mich nicht. Die Vorstellung erschien mir lächerlich und erbärmlich, denn schließlich würde er niemals dasselbe empfinden wie ich.

„Versuch du doch mal dein Glück vielleicht steht er ja auch auf Jungs", konterte ich deshalb, um meine Person aus dem Scheinwerferkegel zu manövrieren.
Kenny schenkte mir einen argwöhnischen Blick, formte nur ein „haha" mit dem Mund und schien sich vorerst wieder auf den Unterricht zu konzentrieren.

„Dann müsste ich dich erst aus dem Weg schaffen, weil derzeit hat er nur Augen für dich."
Beinahe hätte ich laut aufgelacht, doch wir befanden uns ja immer noch in Gesellschaft anderer, weshalb ich Kenny nur einen „Du- hast- doch- einen- Knall- Blick" zuwarf.
„Ihr müsst euer Leben mal in den Griff bekommen", grummelte dieser und wandte sich endgültig ab.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 19 ⏰

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