The Tommo Way

"Bitte wenden Sie jetzt" {9}

Ohne groß zu überlegen simste ich ein „Ja, gerne" mit angehängtem Smiley zurück. „G, wo bleibst du denn?". Emma drehte sich im Laufen zu mir um. Durch die Ablenkung mit dem Handy war ich langsamer geworden und etwas zurückgefallen. Ich steckte das Gerät in meine Hosentasche und holte die anderen zügig wieder ein.

Heute hatten wir das erste Mal wieder Nachmittagsunterricht und waren somit wieder endgültig im Schulalltag gefangen. Ich hasste dieses neue alte Gefühl aber ich musste schließlich damit leben. Ehe ich mich versah war die Mittagspause nur noch eine Stunde entfernt.

Aber wir hatten Englisch und das war ein minder glücklicher Umstand, denn das hieß mit meinem Platzt an der Sonne und Mrs. Gewitteraugenbraue vorlieb zu nehmen. Auf den ersten Blick sah ich dass sie wieder H&M trug. Das war so seltsam, ich wusste das ein paar Mädchen an der Schule genau den gleichen Cardigan und die enganliegenden Jeans besaßen. Aber sie war dennoch bestimmt schon 30. Unsere Banknachbarn waren beide schon da und starrten jeder für sich in sein Handy.

„Wir überleben das schon", wisperte mir Em zu bevor ich mich auf den Stuhl setzte. Er hob nicht den Kopf und ignorierte mich wie eh und je. Ich glaube das war vielleicht das beste so. Ich holte meinen Block aus der Tasche und blieb schweigend auf meinem Platz. Wir sahen uns zu Beginn der Stunde einen zehnminütigen Clip über einzelne Epochen an um unser Wissen vom letzten Jahr, sofern es vorhanden war, aufzufrischen. Die ersten paar Minuten folgte ich dem Film sogar aufmerksam, bis mich ein anderes Geräusch aus meiner Konzentration riss.

So sehr ich auch versuchte Louis Atemzüge auszublenden, es ging nicht. Ich wollte ja dem Mann mit der rauen Stimme zuhören, der gerade die Motive der Romantik erklärte doch unterbewusst wartete ich nur immer darauf, dass er ein oder ausatmete. Sein Atem ging schwer, schneller als meiner und war in meinen Ohren tierisch laut.

Obwohl, naja es war ja nicht laut, vielleicht könnte Liam es noch hören oder die Schüler in der Reihe hinter uns aber für mich betrug der Lärmpegel so circa 130 Dezibel und war somit hart an der Schmerzgrenze. Sein Atmen machte mich bekloppt. Wie hypnotisiert lauschte ich nur noch ihm und brachte mich um den Verstand weil es mich einfach so nervte. Dieser scheiß Alki. Mit fast 18 schon so schnaufen wie ein alter Greis der sin Leben als Kettenraucher verbracht hatte, wenn das mal nicht was erstrebenswertes war. Die Minuten verstrichen und ich wurde immer gereizter. Ich bekam immer mehr den Drang ihn einfach anzuschnauzen damit er endlich aufhörte zu atmen. Da ließ ich heute wohl mal wieder meine Schokoladenseite raushängen. Yo Louis, würds dich was stören wenn du einfach aufhörst zu atmen, danke. Verbissen durchstand ich den Rest der Stunde und war so erleichtert als es Krach gab indem alle von ihren Stühlen aufstanden.

Ich behielt die Sache lieber für mich, ich wollte Emma nicht mit meinen komischen Gedanken verwirren. Es war zu kompliziert zu erklären weshalb ich von seinem Weg Luft zu holen so aggressiv wurde, schließlich musste ja irgendwie jeder atmen. Ich musste einfach drauf hoffen dass ich es in Zukunft nicht mehr bemerken würde oder einfach ignorieren konnte.

In der Cafeteria gab es heute leckerste Pizza. Wir saßen immer auf dem gleichen Platz, im hinteren Teil an den Fenstern, dort wo sich die meisten aus unserer Jahrgangsstufe aufhielten. Zumindest die, die keine Nerds waren. „Hey Em hast du eigentlich Tristan schon gesehen?", fragte ich zwischen zwei Bissen. Man konnte sehen wie sich ihre Miene verfinsterte. „Total ignoriert hab ich ihn". „Gut so", mischte sich Claire ein und legte ihr Besteck auf den geleerten Teller. Alle waren so gut wie fertig, nur ich knabberte immer noch an gut der Hälfte meiner Pizza herum. Wenn es ums langsam Essen ging war ich der King. „In welchen Kursen seit ihr eigentlich? Ich hab Mathe, Matheeeee", heulte Edda gespielt und sie tat mir echt Leid. Das war der Horror. Ich traute mich schon gar nicht zu erwähnen dass ich in Bio bei Mr. Schwartz war, das war nämlich so ziemlich der beste Kurs. Edda war mit Mads in Physik, auch nicht besser und Emma war in Englisch.