-PoV Stegi-
Ich ging die Treppe herunter, um nach meiner Mutter zu sehen, die wider meiner Erwartung nicht im Wohnzimmer zu finden war. Auch im Schlafzimmer war sie nicht anzutreffen, das Badezimmer war frei und die Küche leer. Ich würde ja nach ihr rufen, aber die Gefahr Amelie damit zu wecken war mir zu groß, also suchte ich lieber noch dreimal das Haus ab, bis mir auffiel, dass die Terassentür nicht geschlossen war. Ich zog mir Schuhe an und begab mich in den Garten. Auf der Hängematte, die auch schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hatte, fand ich Mum dann schließlich. "Mum?" "Ja?" "Kann ich mal mit dir reden?" "Was ist denn?" Sie wendete ihren Kopf und sah mich an. "Fällt dir denn gar nicht auf, wie es Amelie geht?" "Was soll denn mit ihr sein?" "Hmm.. Vielleicht wird sie in der Schule runtergemacht, kommt mit dem Stoff nicht hinterher und wenn sie nachhause kommt, muss sie sich mit ansehen, wie du in Selbsttrauer versinkst, weil du nicht weiter weißt?" "Wieso kommt sie denn dann nicht zu mir?" "Sie ist nicht dumm und will dich nicht weiter belasten! Du weißt genau, dass sie in einem Alter ist, in dem man die Unterstützung der Eltern braucht und die gibst du ihr nicht. Du bist verantwortlich für sie. Wie soll sie in der Schule zurechtkommen, wenn sie es zuhause schon nicht tut?" "Stegi, jetzt unterstellst du mir aber was!", zischte sie mich wütend an. "Ach ja? Nur weil ich nicht mehr hier wohne soll sich in dem Monat was geändert haben, wenn es doch schon seit drei Jahren so ist?!" "Und wieso hast du dann nie etwas gesagt?!" Ihre Stimme wurde lauter. "Ich war damals 17 und bereits erwachsen genug, mit meinen Problemen ohne meine Eltern klarzukommen. Die Freunde, die mich damals unterstützt haben, habe ich immernoch und wenn sie nicht wären, bzw. wenn vor allem Tim nicht wäre, dann wäre ich schon längst tot!", schrie ich sie an. All die Verzweiflung, die sich während meines Abiturs gebildet hat, über die Jahre immer mehr wurde, wollten endlich raus. Ich wollte Mum endlich die Augen öffnen und ihr klarmachen, dass sie nicht die beste Mutter war. Und ja, wäre Tim nicht, gäbe es mich, Stegi, nicht mehr. Meine genässten Wangen und das Zittern in meiner Stimme ignorierte ich gekonnt. Sollte sie doch wissen, was sie damit angerichtet hat. Sie erhob sich aus der Hängematte und kam auf mich zu, doch ich wich zurück. "Bei mir ist es zu spät. Ich lebe mein Leben, mit Tim. Mich kannst du nicht mehr auf deine Seite ziehen. Ich bin selbstständig. Aber Amelie ist es nicht und wird es auch nicht so leicht werden, auch wenn sie gerade auf die Hilfe der Mutter verzichten muss. Bei mir war es immerhin nur der Abiturstress, aber bei Amelie ist es noch nicht einmal so weit und wenn der in zwei Jahren noch dazu kommt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass du sie auf verlierst. Ob nur psychisch oder physisch kann ich nicht sagen. Also kümmer dich verdammt noch mal um sie!" Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen ging ich wieder in das Haus, kickte die Schuhe von meinen Füßen in die nächste Ecke und ging in mein Zimmer.