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„Darf ich vorstellen. Dies ist Malochim, Hauptmann der Stadtwache." Malochim betrat gerade den Raum, schnell wurde ihm ein Stuhl gebracht welcher unweit des Gastgebers und des Meisters seinen Platz fand.
„Nun, ich bin wirklich erfreut Drachenjäger hier zu sehen und ich bedaure zutiefst, dass man euch den Zutritt zum Palast verwehrt hat. Ich wurde schon kurz nach eurem Eintreffen in der Stadt von eurer Anwesenheit in Kenntnis gesetzt. Ich wollte gerade zum Palast aufbrechen, als mir gesagt wurde wo ich euch finde." Seine Sprache war gehobener als die der meisten anderen, er hatte sich diese Sprache wahrscheinlich während seiner Zeit in der Königsgarde angeeignet.
„Ich würde diesen Idioten nur zu gerne zeigen wie gut wir kämpfen können." Diese Worte kamen von der Drachenjägerin, die in dem Armenviertel der Hauptstadt geboren war.
„Zügle deine Wut Anna, ich kann sie zwar durchaus nachvollziehen, dennoch würde es ein schlechtes Bild auf uns werfen, wenn wir Wachen auf ihrem Posten angreifen würden." Der Meister lächelte sie freundlich an.
„Sie sind nicht mehr auf ihrem Posten, sie sitzen wahrscheinlich in einer der billigen Schenken und trinken."
„Und wenn eure Stadt bei Nacht angegriffen wird? Dann haben die Angreifer gegen lauter betrunkene zu Kämpfen?" Fragte Lilith zögernd.
„Damit dem nicht so wäre, habe ich bei der Stadtwache strenge Regeln eingeführt. Ungefähr die Hälfte meiner Männer darf an einem Abend nichts trinken, die andere Hälfte am nächsten. Und die Wachen auf ihren Posten haben eh ein Trinkverbot. Aber bei der Palastwache gibt es solche Regeln nicht, sie unterstehen auch nicht meinem Befehl."
„Wie alt seid Ihr eigentlich Hauptmann? Ihr wirkt noch sehr jung für einen Mann der diesen Posten innehat." Wollte Tom wissen.
„Ich bin 30 Jahre alt. Mit achtzehn habe ich meine Ausbildung im Institut beendet, doch ich habe meinen Eid nicht abgelegt, damals war mein großes Ziel ein Mitglied der Königsgarde zu werden. Ein weiteres Jahr wurde ich ausgebildet, dann hat man mich in ihre Reihen aufgenommen. Von Anfang an stand ich hoch in der Gunst des Königs, deshalb wurde ich vor vier Jahren auch zum Hauptmann der Stadtwache ernannt. Ich weiß, dass ich noch sehr jung bin, doch die Soldaten akzeptieren mich. Ich mag manchmal streng sein, aber ich bin gerecht und hier werden Menschen die in der Akademie ausgebildet wurden hoch angesehen."
„Werdet Ihr den König ebenfalls über diesen Vorfall unterrichten?" fragte der Meister.
„Ja, natürlich wird er es von mir erfahren. Ich war zwar nicht dabei als es geschah, aber er bat mich, als er mich hier her schickte, dass ich ihm von allen Vorfällen unterrichte. Manchmal erhält er fast täglich einen Boten von mir. Warum er noch nichts gegen den Stadthalter unternommen hat weiß ich nicht, aber bestimmt schiebt dieser alle Schuld auf seine Wachen."
„Wie gerne würde ich ihnen eine kleine Lektion erteilen. Damit sie wissen, wen sie fort geschickt haben."
„Nein Anna, es wäre nicht richtig sie öffentlich heraus zu fordern." Die Stimme des Meisters klang streng.
„Wenn wir den Angaben von Sir Malochim Glauben schenken können, dann betrinken sich diese beiden Wächter gerade in einer der Schenken. Was spricht dagegen, ihren Zustand auszunutzen? Wenn sie mich zu einem Kampf herausfordern, dann bin ich unschuldig." Ihre Augen leuchteten.
„Ich kann deinen Rachewunsch nur zu gut verstehen, sie haben dich in deiner Ehre verletzt. Dieses eine Mal erlaube ich dir, ihnen eine Lektion zu erteilen, solltest du weiter im Norden allerdings meine Befehle nicht befolgen und nicht auf mich hören, so schicke ich dich unverzüglich zurück. Hast du das verstanden?"
„Ja Meister und ich danke euch. Ich verteidige nicht nur meine eigene Ehre, diese Männer haben unseren Orden beleidigt, ein Vergehen, was ich nicht ungestraft davonkommen lassen kann."
„Aber du wirst nicht alleine gehen, Tom du wirst sie begleiten. Artiom und Carlo ebenfalls. Schau mich nicht so an Jack, es wäre unvernünftig dich mitgehen zu lassen. Du weißt genau, dass ich Lilith dann ebenfalls mitschicken müsste."
„Meister, wäre es nicht für diese Wachen eine noch schönere Lektion wenn sie von mir geschlagen würden? Immerhin bin ich wesentlich jünger als sie." Fragte Lilith vorsichtig.
„Natürlich wäre es das, aber ich kann und werde dir das nicht erlauben. Du bist unser jüngstes Mitglied." Liliths Blick wurde traurig.
„Wie alt ist sie Meister?" fragte Malochim.
„Fünfzehn, fast sechzehn."
„Und schon auf einer Jagd dabei. Du hast deinen Eid wirklich früh abgelegt. Ein grüner oder ein weißer Drache?" Diese Frage war an Lilith gerichtet. Malochims Blick war auf die Kampfpartnerprosche an ihrer Brust gerichtet. Ihr Gesicht bekam eine leicht rötliche Färbung, als ihr bewusst wurde worauf sein Blick gerichtet war, beziehungsweise wo die Brosche befestigt war.
„Ich gehöre der Familie der weißen Flammen an. Er ist der grüne Drache." Lilith nickte in Jacks Richtung.
„Kampfpartner also, ich habe mir früher auch immer einen gewünscht. Hätte ich einen gehabt, wäre ich vielleicht beim Orden geblieben, aber jetzt beschütze ich das Reich auf eine andere Art. Weißt du was man über euch weiße Drachen sagt? Vor allem über die weiblichen Mitglieder deiner Familie?" Ohne dass Lilith es wirklich bemerkte, hatten sich die vier Drachenjäger auf den Weg gemacht, Malochim hatte dem Sohn ihres Gastgebers den Namen einer Schenke gesagt. Er würde die Drachenjäger dorthin führen.
„Nein, es gibt nicht mehr viele weibliche Mitglieder meiner Familie. Meine Tante ist früh gestorben und Cousinen habe ich nicht. Auch sie haben nicht viele Jahre auf der Erde verbracht." Lilith hatte ihre Tante kaum gekannt, sie war damals acht gewesen, als ihre Tante starb. Schon Jahre davor hatte ihre Tante eine Krankheit gehabt, ständig hatte sie im Bett bleiben müssen, konnte ihre Familie in der Hauptstadt kaum besuchen. Als sie dann starb, war sie 25 Jahre alt gewesen, ein Nachzügler ihrer Großeltern. Ihr Vater und Tom waren zehn Jahre älter, sie waren Zwillinge.
„Hast du die Bücher über die alten Drachenjägerfamilien gelesen?"
„Welche Bücher? Es gibt Bücher die von ihren Taten und der Gründung des Ordens erzählen, aber es gibt kein richtiges Buch nur über die einzelnen Familien."
„Nicht? Zu meiner Zeit gab es eins, ich habe es oft gelesen, habe zu euch aufgesehen. Ich stamme ursprünglich aus einem kleinen Dorf, erst durch den König habe ich ein richtiges Wappen erhalten."
„Ich fürchte, ich weiß etwas über den Verbleib der Bücher. Unser Großmeister hat seinen Posten nun seit zwölf Jahren, er ist ein guter Großmeister, er will für den Orden nur das Beste. Anders als viele Großmeister vor ihm, stammt er nicht aus einer der alten Familien, eher aus einer der neueren. Er fand es nie gerecht, dass die Familien der ersten Drachenjäger als so wichtig angesehen werden, inzwischen gibt es auch andere Drachenjägerfamilien. Deshalb hat er dieses und auch andere Bücher aus der Bibliothek entfernt, sie stehen jetzt in einem der Regale in seinen Räumen. Er will zwar nicht offen gegen die alten Familien vorgehen, doch versucht er im Stillen ihre Macht und ihr Ansehen zu schmälern."
„Das erklärt dann wohl so einiges. Ich bin mir sicher mein kleiner Bruder wäre geeignet für den Orden gewesen. Er hat seit seiner Geburt einen lahmen Fuß, natürlich würde es ihn beeinträchtigen, aber sein größter Wunsch war es in den Orden zu kommen. Und der Großmeister hat ihn abgewiesen." Die Drachenjägerin, Mathilde, aus dem Haus der blauen Flammen beugte sich etwas vor um dem Gespräch besser folgen zu können.
„Wäre dein Bruder im Orden wirklich glücklich geworden? Mit einem lahmen Fuß hätte er immer Probleme gehabt, obwohl er bestimmt ein genauso guter Kämpfer geworden wäre und zu Pferd fällt keinem auf wie jemand läuft." Die Stimme des Meisters klang sanft.
„Ich will nicht, dass ihr jetzt schlecht über euren Großmeister redet." Obwohl er kein Ordensmitglied war, sah Malochim streng in die Runde. „Nun, weißt du woher deine Familie ihren Namen hat, weißer Drache."
„Ich heiße Lilith, nicht weißer Drache. Dieser Name wurde ihnen nach der Ordensgründung gegeben."
„Aber warum ein weißer Drache? Drachen in jeder erdenklichen Farbe wird es wohl geben, aber weiße Drachen? Wäre das nicht ein Fehler der Natur. Würden sie nicht darunter leiden wie weiße Kaninchen? Jeder will ihr Fell für Mäntel, sie können sich nicht so gut verstecken wie ihre braunen Artgenossen."
„Wollt ihr damit sagen, dass meine Familie von der Natur benachteiligt ist?" Fragte Lilith spöttisch.
„Nein, natürlich nicht. So etwas würde ich nicht wagen. Ein weißer Drache ist eher ein Nebeldrache. Eine von deinen Vorfahrinnen, zur Zeit der ersten Drachenjäger, war angeblich eine zierliche Person, sie lebte in ihrer eigenen Welt. Sie war glücklich, tanzte viel und sah im Nebel. Hin und wieder hatte sie Visionen. Der damalige König war fasziniert von ihr, ihre Familie liebte sie abgöttisch, obwohl viele andere sie verspotteten. Der König wollte deine Familie für dieses Mädchen ehren, wollte allen anderen zeigen, dass er sie nicht verspottete. Deshalb wurdet ihr zu den weißen Flammen, dem Nebeldrachen."
„Nun, Sir Malochim, jeder weiß, dass die Geschichten aus dieser Zeit meistens nur Märchen sind." Meinte Clara mit abfälliger Stimme.
„Ihr seid nicht aus einer der alten Familien, soweit ich gehört habe sind für alte Familien Märchen sehr wichtig, vor allem über ihre Familien. Denn in allen Märchen steckt ein wahrer Kern."
„Sir Malochim, ihr seid eine interessante Person. Ihr macht auf mich einen weltgewandten Eindruck, vielleicht mag diese Geschichte einen wahren Kern haben, vielleicht auch nicht. Ich habe noch von keinem einzigen Familienmitglied gehört, dass Visionen hatte. Es könnte natürlich sein, dass nur meine Vorfahrin dies hatte." Lilith lächelte ihn freundlich an.
„Und ihr stammt wirklich aus einem Dorf?" wollte jetzt Jack neugierig wissen.
„Ja, aber meine Großmutter war aus einer der alten Familien, ein orangener Drache. Ich will dir und deiner Familie wirklich nicht zu nahe treten, aber sie hat mir von einem Mitglied deiner Familie erzählt, die hin und wieder Visionen hatte. Meine Großmutter war sehr gut mit ihr befreundet und sehr traurig als ihre Freundin im Alter von 35 Jahren starb." Malochims Blick war forschend.
„Ich glaube nicht, dass so persönliche Gespräche in so großer Runde gehalten werden sollten. Ich denke nicht, dass sie die Geschichte von Liliths Familie so interessant finden." Die Stimme des Meisters duldete keinen Widerspruch.
„Natürlich Meister, es tut mir leid, wenn ich dir zu Nahe getreten bin Lilith." Malochim schenkte ihr ein entschuldigendes Lächeln.
„Es ist schon in Ordnung, ich finde es schon interessant, mehr über meine Familie zu erfahren. Doch es ist mir unangenehm, wenn so viele Menschen dabei sind. Ich stehe nicht gerne im Mittelpunkt, doch dies geschieht unweigerlich bei solchen Geschichten." Ihre Stimme klang freundlich und ruhig. Ein Seitenblick genügte Jack um zu wissen, dass sie eigentlich innerlich aufgewühlt war. Er rechnete schon fest damit, dass sie mit ihm deswegen noch reden wollen würde. Und ihr Onkel würde sich wohl oder übel auf ein Gespräch einstellen müssen.
Bis zur Rückkehr der vier Drachenjäger, die den Soldaten eine Lektion erteilen wollten, wurde nur noch über belangloses geredet. Das Leben in der Stadt, die Geschichten die Händler erzählten, Geschichten aus dem Norden...
„Auch wenn ich nicht mit der ganzen Sache in Verbindung gebracht werden möchte, würde mich doch brennend interessieren was euch passiert ist." Sagte der Meister als sie sich hingesetzt hatten.
„Nun, die Schenke war schnell gefunden, wir mussten auch nicht lange nach ihnen Ausschau halten. Von draußen konnte man ihre Stimme hören, sie gaben an, Drachenjäger vertrieben zu haben. Anna hat sich zu ihnen gesetzt, sie waren wohl schon getrunken genug um die Kampfmontur nicht mehr erkennen zu können. Es dauerte nicht mehr lange, nur das eine oder andere Getränk später, da wurden sie übermütig. Beide hielten sich für den besseren Kämpfer, da sagte Anna ihnen, dass der von ihnen, der sie besiegen konnte der bessere war. Sie beide waren kein großes Problem für sie, nicht einmal angreifen musste sie. Der eine fiel in den Dreck als er versuchte sie an zu greifen. Sie waren beide etwas erstaunt als ihnen bewusst wurde, dass sie gegen eine Frau verloren hatten. Ihre Blicke waren wirklich Gold wert." Erzählte Tom belustigt.
„Das war eine einmalige Aktion, das nächste Mal werdet ihr auf andere Weise mit eurer Wut fertig werden müssen. Ich hoffe, das ist euch allen klar." Der Meister sah streng in die Runde. Alle Drachenjäger nickten, keiner wagte etwas zu sagen. „Und es ist schon spät, wir haben morgen wieder einen langen Tag vor uns, deshalb solltet ihr langsam mal schlafen gehen." Der größte Teil der Drachenjäger stand auf, schon bald war Ruhe ein gekehrt.
Lilith brauchte lange, bis sie endlich schlafen konnte, sie versuchte zu verstehen was Malochim er erzählt hatte, es klang einfach zu unwahrscheinlich. Warum sollte ihre Familie Visionen haben, warum wusste sie nichts davon. War es ein Geheimnis, dass ihre Familie vor ihr Geheim hielt damit sie sich keine Sorgen deswegen machen würde? Was wusste ihr Onkel von der ganzen Sache?

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