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Blumen, eine Wiese voll von ihnen, diese Wiese ging direkt in einen weißen Sandstrand über und wenige Meter weiter dann das Meer. Überall fröhliche Menschen, lachende Kinder, fröhlich plaudernde Erwachsene, alle in teure, aufwändige Kleider gehüllt. Etwas abseits Menschen in weniger teurer Kleidung aber nicht weniger glücklich und bunt gekleidet. Ein mit bunten Tüchern und Blumen geschmückter kleiner Pavillon, in ihm Tische voller Essen, eine kleine Gruppe Musiker die sang und spielte. Ein kleiner Baldachin unweit des Pavillons, zwei Stühle unter ihm, es konnte sich also nur um eine Hochzeit handeln, den Gästen nach zu urteilen eine Hochzeit in den höheren Kreisen.
Vom Brautpaar war nichts zu sehen, obwohl ein kleiner Zug über die Wiese geschritten kam, wahrscheinlich kamen sie vom zweiten Teil der Hochzeitszeremonie, im Götterhain waren nur engste Familienmitglieder anwesend. Die Braut wirkte älter als die meisten Bräute, häufig wurden die Mädchen im Alter von vierzehn oder fünfzehn verheiratet, selten später. In ihren blonden Haaren war ein Schleier befestigt, obwohl dieser nicht über ihrem Gesicht hing konnte man dieses nicht erkennen. Der Bräutigam, der liebevoll ihre Hand hielt, war dagegen gut zu erkennen, er trug die Farbe des Königshauses, Rot, Rubinrot. Eine königliche Hochzeit also, doch konnte dies nicht die Hochzeit des Kronprinzen sein, dieser hatte blonde Haare wie sein Vater, der Bräutigam dagegen hatte braune Haare, wie die Königin.
Zwischen den ganzen bunt gekleideten, feiernden Gästen fielen die Drachenjäger sehr auf, erstaunlich viele waren anwesend, wahrscheinlich weil es eine Feier für das ganze Volk war.

Ob der folgende Moment Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre später war ließ sich nicht sagen, die Hauptstadt war mit der Farbe der Trauer geschmückt. Die Farbe der Trauer dominierte auch im Königspalast, verdrängte das Rubinrot. Die königliche Familie, mit der Frau des Prinzen standen um einen Sarg.

Um sie herum war es dunkel, dunkel und warm. Lilith wusste nicht wo sie war, konnte nichts erkennen. War dies eine Neumondnacht oder war der Himmel von Wolken behangen.
„Was hast du gesehen?" Der Schattendrache war bei ihr, das erklärte vielleicht die Dunkelheit und die Wärme, die für eine Nacht so untypisch war.
„Ich habe eine Hochzeit gesehen, der Prinz hat geheiratet und später standen sie vor einem Sarg." Unwichtige Details würden den Drachen wohl kaum interessieren, deshalb ließ Lilith sie einfach weg.
„Eine Hochzeit und eine Beerdigung." Wiederholte der Drache. „Konntest du jemanden erkennen?"
„Nein, ich habe zwar Drachenjäger gesehen, doch konnte ich sie nicht erkennen. Einzig der Prinz war nicht verschwommen, auch wenn er anders aussieht als früher." Es war viele Jahre her seit Lilith den jüngeren Sohn des Königs das letzte Mal gesehen hatte, er war noch in jungen Jahren ins Ausland geschickt worden, er sollte die Welt kennen lernen während sein Bruder, der Kronprinz auf seine Zukunft vorbereitet wurde. „Was hat das zu bedeuten?"
„Ich mag zwar viel wissen, doch die genaue Bedeutung einer Vision kann nicht einmal ich dir sagen, du siehst die Zukunft, wie sie vielleicht werden wird, aber die Zukunft ist noch nicht geschrieben, sie kann sich noch verändern. Mal sind Visionen klar, mal sind sie es nicht, manchmal wirst du genau wissen was sie zu bedeuten haben, ein andermal wirst du keine Ahnung haben und unwissend in die Zukunft gehen."
„Werde ich regelmäßig Visionen haben?"
„Ja, aber habe keine Angst Lilith, du bist stärker als du zu glauben scheinst. Du bist ein Drache, ich kann das Feuer in deinem Inneren spüren."
„Früher hatte ich nie eine Vision und jetzt, innerhalb von wenigen Tagen, habe ich zwei."
„Ich kann dir nicht sagen was der Auslöser dafür ist, vielleicht die Nähe zu uns Drachen. Vielleicht kommen deine Visionen durch dein Alter. Ihr Nebeldrachen seid undurchschaubar, ihr seid alle verschieden und man kann nichts mit Sicherheit über euch sagen."
„Wo sind Jack und die anderen?" Erst jetzt fiel ihr auf dass sie mit dem Drachen alleine war.
„Schau nach dort." Der Drache zeigte mit seinem Kopf in eine Richtung. Oben auf dem Berg wurde auch gekämpft, es waren nur wenige Kämpfer zu sehen, sieben, vielleicht acht Menschen konnte Lilith ausmachen. Ein Drache flog über ihnen, zog seine Kreise und beobachtete das Geschehen unter sich.
„Was machen sie dort?"
„Sie vermuten dort oben den eigentlichen Anführer dieser Soldaten, ihre Vermutung ist durchaus berechtigt, immerhin haben diese Soldaten sich nicht von der Stelle gerührt, sie haben es nicht für Nötig gehalten mit zu kämpfen. Deine Freunde vermuten, dass ihr, dass wir den Kampf gewinnen wenn wir ihren Anführer haben."
„Und die anderen?" Lilith wagte es kaum in Richtung des eigentlichen Kampfes zu sehen.
„Ihr Drachenjäger habt euch wirklich gut geschlagen und sie haben verstanden was passieren wird sobald die Drachen kommen. Ein Teil deiner Freunde hat sich in Sicherheit gebracht, aber ihr habt starke Verluste gemacht, eure Gruppe ist nicht einmal mehr halb so groß. Jetzt kümmern sich die Drachen um die restlichen Feinde, sie sind froh sich endlich rächen zu können."
„Ich würde den anderen gerne helfen." Lilith sah zu dem schwarzen Drachen, unsicher ob er sie gehen lassen würde.
„Du bleibst bei mir, sie sind hinter dir her, ich wäre ein Narr wenn ich dich jetzt laufen lassen würde. Ich habe deinem Kampfpartner versprochen auf dich aufzupassen und ich halte für gewöhnlich mein Wort. Außerdem können wir beide darüber nachdenken was es mit deiner Vision auf sich hat."
„Was kann es groß damit auf sich haben? Der jüngste Sohn des Königs heiratet und jemand aus der Königsfamilie stirbt. Natürlich ist das etwas wichtiges was das ganze Volk betrifft, aber ich wüsste nicht was es da noch wichtiges zu besprechen gäbe."
„Die Braut?"
„Ein blondes Mädchen, vielleicht siebzehn oder achtzehn Jahre alt. Sie könnte auch sechzehn gewesen sein, das kann ich nicht genau sagen. Auch konnte ich ihr Gesicht nicht erkennen."
„Wer lag in dem Sarg? Der Prinz? Das Mädchen? Der König?"
„Ich weiß es nicht genau, ich kann nur sicher sagen, dass es weder der jüngere Prinz noch das Mädchen waren. Kaum habe ich das Bild gesehen, da war die Vision auch schon vorbei und ich konnte wieder keine Personen klar erkennen, außer den Prinzen." Lilith sah wieder in die Richtung ihres Kampfpartners, der Kampf war beendet, wer hatte gewonnen?
Lilith brauchte nur einen kurzen Moment bis sie Jack entdeckte, es schien ihm gut zu gehen und auch die anderen drei schienen mehr oder weniger unverletzt zu sein. Jack hatte sein Schwert auf einen Soldaten gerichtet und redete auf ihn ein. Schnell wanderte Liliths Blick zum eigentlichen Schlachtfeld, die Kämpfe hatten aufgehört, die Drachen hatten sich zurückgezogen und ein kleiner Haufen Drachenjäger nahm die Soldaten gefangen.
„Darf ich jetzt zu ihnen?" fragte Lilith ungeduldig.

„Hiermit nehme ich Euch, Fürst Tom aus dem Hause der weißen Drachen, Mitglied des Ordens der Drachenjäger gefangen, ich klage Euch an gegen die Gesetze des Königs und eures Ordens verstoßen zu haben. Ich beschuldige Euch des Drachenmordes, außerdem habt Ihr viele Männer von den Feldern geholt, obwohl wir uns nicht im Krieg befinden. Wir werden Euch mit in die Hauptstadt nehmen, auf das Ihr vor das königliche Gericht gestellt werdet." Kaum waren Jack, Anna, Nuy und Carlo mit Liliths Onkel aufgetaucht, so verkündete der Meister dessen Festnahme mit lauter und fester Stimme.
„Wir befinden uns im Krieg, im Krieg gegen die Drachen."
„Führt ihn weg!" Der Meister würdigte Tom keines zweiten Blickes. „Wir haben jetzt wichtigeres zu tun." Der Meister drehte sich nur kurz zu Lilith um. „Ich hoffe es ist in Ordnung wenn ich mich nicht sofort um die kümmere, wir haben einiges an Verlust erlitten."
„Natürlich Meister, ich würde mich selber nicht als Wichtiger erachten." Lilith sah zu ihrem Kampfpartner. „Geht es dir gut Jack?" fragte sie besorgt.
„Nichts Dramatisches." Antwortete dieser. Lilith schüttelte den Kopf und eilte zu ihm, er hielt seinen rechten Arm auf eine, für ihn untypische Weise. Ohne große Mühe nahm Lilith seine Hand vorsichtig von seinem Arm und offenbarte auf diese Weise einen Schnitt.
„Sieht nicht ganz so gut aus." Lilith beugte sich vor um die Wunde besser betrachten zu können. „Aber es hätte dich schlimmer treffen können, sonst noch etwas?"
„Nein. Wie geht es dir?"
„Ich war in Sicherheit, er wollte mich nicht gehen lassen als ich wieder bei Bewusstsein war, erst als die Kämpfe zu Ende waren." Lilith musterte Jacks Mitkämpfer aufmerksam von Kopf bis Fuß. „Und euch geht es gut?"
„Ich wünschte ich könnte so gut Kämpfen wie ihr Drachenjäger, ich habe den einen oder anderen Kratzer abbekommen." Gestand Nuy.
„Wir wurden Jahrelang ausgebildet, da musst du dir deswegen keinen Kopf machen. Ich glaub ich hab wirklich was abbekommen, zumindest hat mich ein Schlag am Rücken getroffen. Ich spüre nur ein Brennen, aber wer weiß wie es eigentlich aussieht." Lilith sah Anna mit großen Augen an, dann lief sie einmal um das Mädchen rum.
„Jack, hilf mir. Wir bringen sie zu den anderen." Lilith war sich nicht sicher, wie es Anna ergehen würde wenn sie wüsste wie ihre Wunde aussah, deshalb erwähnte sie sie mit keinem Wort.
„So schlimm?" fragte Anna nun.
„Mach dir keine Sorgen, du solltest jemanden drüber schauen lassen. Wer weiß ob da Dreck reingekommen ist." Carlo war neben ihnen aufgetaucht, er lächelte Anna aufmunternd zu.
„Carlo, Nuy könnt ihr mit nach den anderen sehen?" beide nickten nur als Antwort auf Liliths Frage und liefen über das verbrannte Schlachtfeld.
„War es wieder so schlimm wie beim letzten Mal?" fragte Jack um Anna von ihrer Verletzung abzulenken.
„Nein, ich habe nur eine Hochzeit gesehen, der jüngere Prinz hat geheiratet. Im zweiten Teil der Vision gab es einen Todesfall, in der Königsfamilie, aber ich weiß nicht wer die Braut des Prinzen ist und wer gestorben ist. Auch kenne ich den Grund für den Tod dieser Person nicht." Antwortete Lilith.
„Wie sah sie denn aus?"
„Ich habe keine Ahnung, außer dem Prinzen war keine Person klar zu erkennen. Ich weiß nur, dass sie blonde Haare hat und sie war älter als die meisten Bräute. Sie war vielleicht siebzehn oder achtzehn Jahre alt." Antwortet Lilith auf Annas Frage.
„Das heißt uns steht eine Königliche Hochzeit bevor? Ich liebe Hochzeiten." Darauf mussten sie alle drei lachen, der bevorstehende Tod eines Mitgliedes der königlichen Familie erwähnten sie mit keinem Wort.

„Was ist denn mit ihr passiert?" Theodor umrundete Anna einmal, als er ihren Rücken gesehen hatte, hatte er sein Gesicht verzogen.
„Wir waren oben auf dem Kamm und haben Tom eingefangen, es waren fünf gegen vier, Nuy war bei uns und ein Drache. Anna hat mir geholfen, ich wurde von zweien angegriffen, einer der Soldaten hat dies Ausgenutzt und ihr mit voller Kraft auf den Rücken geschlagen, er wollte eigentlich ihren Kopf treffen, aber das ist ihm zum Glück nicht gelungen. Aber er hat es bereut." Erzählte Jack schnell.
„Anna, du solltest dich besser hinlegen. Lilith siehst du den Kessel da über dem Feuer, hol bitte ein Tuch heraus." Lilith nickte und verschwand nachdem Theodor ihren Platz an Annas Seite eingenommen hatte. „Das war wirklich mutig von euch, aber dumm. Jeder Drachenjäger wäre mit euch mitgekommen." Hörte Lilith ihren Großcousin sagen.
„Wir haben Lilith in Sicherheit gebracht, sie hat eine Vision bekommen und der Nachtschatten hat auf sie aufgepasst. Dann haben wir die Soldaten oben auf dem Berg entdeckt und gehandelt bevor sie verschwinden konnten. Es mag vielleicht dumm von uns gewesen sein, aber wir hatten Erfolg." Lilith näherte sich den anderen wieder, das heiße Tuch hielt sie lediglich an den beiden Enden, sie hatte gelernt, dass man einen solchen Verband so wenig wie möglich berühren sollte. Anna lag inzwischen auf einer Decke, sie hatte das Oberteil ihrer Kampfmontur ausgezogen, das weite Leinenhemd das sie darunter trug hatte Theodor am Rücken vorsichtig hochgeschoben.
„Du hast Glück, dass kein Dreck in die Wunde gekommen ist, sonst müsste ich sie auswaschen. Trotz allem solltest du die nächsten Tage nicht reiten, oder wenn solltest du vorsichtig sein." Theodor verteilte ein Mus aus grünen Blättern und einer Flüssigkeit auf dem Schnitt, dann begann er vorsichtig das Tuch um die Wunde zu wickeln. Anna gab keinen Ton von sich, auch wenn Lilith sah wie sie schmerzerfüllt das Gesicht verzog.
„Jack, sieh bitte mit mir nach weiteren Verletzten. Du Lilith sorgst dafür dass Anna etwas zu trinken und etwas zu essen bekommt. Ich fürchte du muss ihr auch helfen, sie sollte sich nicht auf ihren Rücken drehen. Und so viel liegen wie möglich, obwohl ich das nicht beim Essen und Trinken von dir erwarte." Theodor sah kurz zwischen den beiden Mädchen hin und her, dann entfernte er sich und Lilith machte sich zu einem der Drachenjäger auf, der für das Essen zuständig war. Er war nur leicht Verletzt, trotz allem hatte der Meister ihm aufgetragen die anderen mit Essen zu versorgen, anstatt bei den Verletzten zu helfen.

„Nun Lilith, was hast du gesehen?" Es war schon spät am Abend als alle Drachenjäger um ein Feuer herum saßen, sie alle waren müde, vom Kämpfen, ihren Wunden und dem Rest des Tages. Die Toten waren bestattet worden und die Verletzten verarztet, sie alle wirkten niedergeschlagen, was aufgrund dieses Tages nicht weiter verwunderlich war. Sie hatten fast die Hälfte ihrer Gruppe verloren, bei manchen war es noch nicht sicher ob sie die Nacht überleben würden. Dennoch hatte der Meister Lilith nach ihrer Vision gefragt, vielleicht sehnten sie sich alle nach einer kleinen Abwechslung.
Zum dritten Mal an diesem Tag erzählte Lilith von ihrer jüngsten Vision, ausnahmslos alle Anwesenden hörten ihr zu, die Reaktionen auf das erzählte waren allerdings von Grund auf Unterschiedlich. Manche fragten nach genaueren Details zum Tod dieser Person, sie wollten wissen ob Lilith wüsste wann dies geschehen würde und weshalb diese Person sterben würde, Lilith wusste keine Antwort. Auch wurde nach der Hochzeit gefragt, obwohl sie auf diese Fragen genauso wenig antworten konnte. Zu gerne hätte sie diese ganzen Dinge selber gewusst, doch leider wusste sie nicht mehr als das was sie gesehen hatte. Und auch dort war ihr nicht alles klar. Sie hatte nur ein einziges Gesicht klar erkennen können, sie wusste weder wann eines der beiden Ereignisse geschehen würde, noch was davor oder danach passieren würde.
„Ich hoffe euch ist allen klar, dass kein Wort über Liliths Visionen verloren werden darf. Sie sieht etwas, was vielleicht geschehen könnte, es sind keine unveränderbaren, festgelegten Tatsachen die ihr Offenbart werden. Wer weiß was passieren würde, wenn eine der Visionen bekannt werden würde, das Vorhergesagte dann aber überhaupt nicht eintritt." Nuy hatte die Fragerei nach einiger Zeit unterbunden und sich an alle Drachenjäger gerichtet. Diese nickten nur verstehend.


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