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„Ich glaube da vorne ist sie, die junge Frau mit dem Krug." Lilith und Theodor hatten sich am nächsten Morgen recht früh, nach einem schnell eingenommenen Frühstück, vor den Gemächern der Fürstin versteckt. Nun hatte sich eben diese Tür geöffnet und eine junge Frau kam heraus. Dass die Diener hier die gleichen Gänge benutzten wie die Herrscher war ihnen schon früh aufgefallen. In der Hauptstadt und weiter im Süden gab es für die Bediensteten extra Gänge zwischen den Wänden, angeblich liefen dort auch die Herrscher des Gebäudes, wenn sie nicht entdeckt werden wollten.
Jetzt verließ Lilith eilig ihr Versteck und lief zu der Frau. „Verzeihung, habe ich Euch vor wenigen Tagen ein Päckchen übergeben?" fragte Lilith höflich. Sie kannte den Namen der Gesuchten nicht, hatte ihr aber wenige Tage zuvor das Päckchen ihrer Familie überreicht. Damals hatte sie sie nur kurz zu sehen bekommen, deshalb war sie sich jetzt unsicher.
„Ja, Mylady, das war ich. Aber Ihr müsst mich wirklich nicht siezen, ich bin nur eine einfache Zofe, Ihr dagegen seid eine Drachenjägerin und die Nichte des Fürsten." Sie knickste sofort.
„Wir müssen mit dir reden, mit dir und deinem Bruder." Lilith war sich zwar nicht sicher, ob sie einen Fehler machte, doch sie sagte sofort was sie wollte.
„Mein Bruder hat gerade Wachdienst, er steht auf der Mauer. Wenn Ihr mit ihm sprechen wollt, so müsst Ihr euch noch einige Stunden gedulden."
„Diese Zeit haben wir nicht, komm mit." Lilith lächelte sie freundlich an.
„Ich kann nicht, Mylady. Die Fürstin erwartet mich gleich wieder." In ihrer Stimme schwang Angst mit.
„Ich werde mich darum kümmern." Bevor die Zofe Lilith überhaupt widersprechen, geschweige denn sie aufhalten konnte, war sie schon an der Tür zu den Gemächern der Fürstin und klopfte an.
„Ja?" kaum hatte sie die Antwort von drinnen gehört, da öffnete sie auch schon die Tür und trat einige Schritte vor.
„Werte Fürstin, wäre es für Euch in Ordnung wenn ich Eure Zofe für einige Augenblicke entführe. Der Meister hat mir aufgetragen, mit ihr zu reden." Lilith deutete eine Verbeugung an. Drachenjäger verbeugten sich, unabhängig ihres Geschlechtes. Dies lag wahrscheinlich daran, dass es einfach komisch aussah, wenn eine Frau in Kampfmontur einen Knicks machte.
„Ist etwas mit ihrer Familie?" die junge Fürstin klang sofort besorgt.
„Es ist nichts weswegen Ihr Euch große Sorgen machen müsstest." Lilith antwortete ausweichend, da sie nicht wusste über welche Informationen ihre Tante verfügte.
„Natürlich, Thesa, übernimm ihre Aufgaben." Diese Worte galten einer etwas in die Jahre gekommenen Zofe, diese Knickste und tat wie ihr befohlen.
Lilith bedankte sich und suchte dann, zusammen mit Theodor und der Zofe einen Raum wo sie ungestört reden konnten. Wieder musste hierfür ein Zimmer in welchem Drachenjäger untergebracht waren dienen.
„Wie ist eigentlich dein Name?" fragte Lilith sie, als sie dort angekommen waren.
„Ich heiße Amelie, Mylady."
„Du musst mich ebenfalls nicht siezen, und schon gar nicht Mylady nennen. Ich bin nur eine einfache Drachenjägerin. Nenn mich bitte Lilith und das ist Theodor."
„Was ist passiert dass ihr... dass du mich so dringend sprechen musst?"
„Ich hoffe du verrätst uns nicht, doch wir haben gestern ein Gespräch gehört, welches dich und deine Familie betrifft." Und dann begann Lilith ihr zu erzählen, was sie gehört hatten. Auch erzählte sie von dem Angriff. Den Teil, der sich mit ihrer Zukunft beschäftigte, ließ sie vollkommen weg.
„Von einem Angriff wusste ich schon, obwohl mir keiner gesagt hatte, dass sie den Hof meiner Familie angegriffen hatten. Seine Majestät der Fürst, hat sich sehr über einen vereitelten Auftrag aufgeregt, obwohl er mir nicht gesagt hat was für ein Auftrag es war, es stand mir natürlich auch nicht zu danach zu fragen."
„Der Meister schickt wahrscheinlich in diesem Moment zwei Drachenjäger los, sie sollen deine Familie warnen, ihnen packen helfen und sie beschützen. Es ist das Beste, wenn ihr in den Süden geht, dort seid ihr sicher. Der Meister hofft auch, dass du und dein Bruder von hier verschwinden und zu eurer Familie zurückgehen, sie brauchen euch." Dies war das erste Mal, dass Theodor sich in ihr Gespräch einmischte.
„Ja, natürlich."
„Kannst du dir einen Grund denken, weshalb der Fürst euren Hof und die dort lebenden Menschen brennen lassen will?" fragte nun Lilith.
„Er braucht sie nicht mehr als Druckmittel, seine Frau ist nun schwanger, vielleicht bekommt sie seinen lang ersehnten Sohn. Er muss ihr nicht mehr damit drohen, dass es schon Erben gibt." Sie klang traurig.
„Also haben wir mit der Theorie, dass dort seine unehelichen Kinder leben recht?" wollte nun Theodor wissen.
„Ja."
„Willst du uns deine Geschichte erzählen?"
„Das wird wohl das Beste sein. Ich bin schon seit vielen Jahren eine Zofe der Fürstin, ich habe ihr schon gedient, als sie noch ein junges Mädchen war. Sie war, glaube ich, zehn Jahr alt, als ich das erste Mal ihre Räumlichkeiten betrat. Sie schien mich von Anfang an zu mögen, hat immer dafür gesorgt, dass es mir und meiner Familie gut geht. Sie hat mich nicht nur als Zofe gesehen, ich wurde für sie zu einer Vertrauten, vielleicht weil ich nicht so viel mit den anderen rede. Als ihr zukünftiger Mann dann das erste Mal hier auftauchte, schenkte er mir auch mehr Aufmerksamkeit als er hätte sollen. Er war damals mit einer Gruppe Drachenjägern hier, auf Jagd. Er lauerte mir öfters auf, seine Gruppe war hier für vier oder fünf Tage. Er machte mir Komplimente, schmeichelte mir und versuchte seine Absichten zu verbergen. Doch mir war nur zu klar was er eigentlich wollte. Ich war damals achtzehn, vier Jahre älter als meine Fürstin und wie sie noch unschuldig. Ich wollte nicht heiraten, meine Schwägerin bekam ein Kind nach dem anderen und ich hatte Angst meine Anstellung durch eine Heirat zu verlieren.
Nach einer erfolgreichen Drachenjagd war er dann wieder auf der Burg, die Drachenjäger rasteten hier wieder für einige Tage, um die Verletzten zu versorgen und wieder zu Kräften zu kommen. Er spielte ein falsches Spiel, vor allen anderen warb er um die junge Lady der Burg, doch heimlich versuchte er weiterhin mich zu umgarnen. Und er hatte langsam aber sicher Erfolg, bei uns beiden. Ich war damals eine schüchterne, junge Frau, ich war diese Aufmerksamkeit nicht gewöhnt und begann für ihn zu schwärmen. Auch meine Herrin mochte ihn immer mehr, er bat den König und ihren Vater um ihre Hand. Sie wurde ihm versprochen und die Hochzeit sollte kurz nach ihrem fünfzehnten Geburtstag stattfinden. Noch bevor er die Burg zusammen mit den Drachenjägern erneut verlies, gelang es ihm, mich zu küssen. Ich war jung, naiv und schwärmte für ihm, so kam es dass ich in seiner letzten Nacht hier das Lager mit ihm teilte.
Als er wieder kam, stand die Hochzeit kurz bevor, gegenüber seiner zukünftigen Frau verhielt er sich zurückhaltend, umwarb sie weiterhin und gewann so ihr Herz. Mir dagegen lauerte er wieder auf, er hatte nun eine eigene Kammer hier in welche er mich ab und zu heimlich bestellen ließ. Ich war aus meinem schwärmerischen Traum erwacht, ich erkannte meinen Fehler und verfluchte mich dafür, ich war dumm und naiv gewesen. Doch da war es schon zu spät. Er drohte mir, mich zu verraten, ich würde meine Arbeit verlieren und kein ehrbarer Mann würde mich mehr heiraten. Ich teilte wieder und wieder das Lager mit ihm, und wurde vor gut fünf Jahren schwanger, kurz nach seiner Hochzeit. Ich zwang mich, meiner Herrin zu erzählen, dass ich eine Affäre mit einem der Soldaten hatte, sie war so gütig mich für kurze Zeit nach Hause zu schicken, mein Sohn John kam auf die Welt.
Kaum war ich wieder auf der Burg, da forderte er es wieder, wieder und wieder. Seine Frau weigerte sich im ersten Jahr, die Ehe zu vollziehen, und er akzeptierte es. Doch dann erzählte er ihr, dass er auch einen Bastard, meinen Sohn John als Erben einsetzen konnte, er zwang sie. Einmal sagte er zu mir, dass eine Ehefrau lediglich dazu diene, Söhne in die Welt zu setzen, ich dagegen sei da um ihm Spaß zu bereiten. Wann immer er mich bei sich haben wollte, musste ich ihm dienen.
Meine Herrin war mir nie böse, sie versuchte mir mein Schicksal zu erleichtern, sie verstand mich.
Ihr wisst wahrscheinlich, dass sie jetzt schwanger ist, angeblich das erste Kind erwartet, doch das ist eine Lüge. Sie war zuvor schon drei Mal schwanger, doch immer wurde gesagt es seine Mädchen. Der Fürst will einen Sohn als Erstgeborenen, erst dann darf sein Bruder erneut Kinder bekommen." An dieser Stelle zog Lilith scharf die Luft ein. „Er ließ die vorherigen Schwangerschaften vertuschen, ließ die Mädchen kurz nach ihrer Geburt töten. Jetzt bekommt sie angeblich einen Jungen, ob das Stimmt weiß ich allerdings nicht.
Ich habe Angst vor ihm, er ist ein Monster." Während ihrer Erzählung waren ihr Tränen in die Augen gestiegen, jetzt fing sie zu weinen an. Lilith nahm sie in den Arm. „Er will meine Kinder töten, meine Jungen, meine Mädchen." Schluchzte sie.
„Das werden wir nicht zulassen, sonst würden wir unseren Eid brechen. Außerdem sollte jeder Mensch in einem solchen Fall so handeln." Sagte Theodor sanft.
„Außerdem sind sie ein Teil unsrer Familie. Sie sind auch weiße Drachen, auch wenn sie vielleicht niemals das Recht haben unser Wappen zu tragen."
„Danke. Und es tut mir leid, dass ihr mich jetzt so seht."
„Mach dir deswegen keine Sorgen. Das zeigt uns nur noch einmal, was für ein schrecklicher Mensch der Fürst ist. Wir werden dir helfen, du wirst in der Hauptstadt ein neues Leben beginnen können. Du wirst dort bestimmt einen guten Ehemann finden, der dich trotz deiner Kinder heiratet. Du bist eine wirklich hübsche Frau und du machst auf mich auch einen sehr sympathischen und hilfsbereiten Eindruck." Lilith sprach mit ruhiger Stimme.
Langsam schien sich die Frau in ihren Armen zu beruhigen, sie fasste sich wieder, wischte sich die Tränen aus den Augen und versuchte die Spuren ihres Gefühlsausbruches verschwinden zu lassen.
„Kannst du deiner Fürstin vertrauen?" fragte Theodor nun vorsichtig.
„Ja."
„Gut, dann erzähl ihr warum du verschwinden musst, vielleicht unterstützt sie dich ja. Vor allem kannst du wahrscheinlich erst dann gehen, wenn dein Bruder keinen Dienst mehr hat."
„Ja, sie wird uns bestimmt helfen. Und seien es auch nur zwei Pferde die sie uns zu Verfügung stellt." Kurz verstummte sie und lauschte den Geräuschen von draußen, dann sprang sie schnell auf und näherte sich unauffällig dem Fenster. „Der Fürst ist wieder da, ich muss zurück an meine Arbeit. Ich danke euch für alles und ich hoffe, dass ich euch in der Hauptstadt wieder sehe." Mit diesen Worten verschwand sie unauffällig und schnell aus dem Zimmer.
„Ich hätte nicht gedacht, dass wir so etwas erfahren würden. Sie tut mir so leid." Lilith sah ihren Großcousin verzweifelt an.
„Ich habe auch nicht damit gerechnet, vor allem hätte ich auch nicht gedacht, dass sie uns das so ohne weiteres erzählt."
„Sie ist bestimmt verzweifelt und wir sorgen uns um ihre Familie. Außerdem habe ich ihre Liebsten schon einmal beschützt." Lilith schwieg einen Moment. „Mir tut die Fürstin leid."
„Nicht nur dir." Nun hatte Theodor die wenigen Meter zum Fenster überbrückt und sah unauffällig nach draußen. „Wie es aussieht, kommt Tom gleich hier hoch. Komm mit und verhalte dich ruhig." Mit diesen Worten verließen auch sie das Zimmer wieder.
Erneut versteckten sie sich nahe der Gemächer der Fürstin, sie sahen Amelie die die Gemächer ihrer Herrin verließ und wenige Minuten später mit einem Tablett voller Obst wieder betrat. Kurz nachdem die Tür sich geschlossen hatte, hörten sie jemanden näher kommen. Der Fürst hatte nicht einmal den Anstand an den Gemächern seiner Frau zu klopfen, er öffnete die Tür einfach so, ließ sie offen stehen als er eintrat.
„Lasst uns bitte alleine, Amelie, du bleibst." Die Stimme des Fürsten war in ihrem Versteck gut zu hören. „Ich habe eine anstrengende Nacht und einen noch schlimmeren Morgen hinter mir." Es klang so, als hätte er sich auf etwas gesetzt, sehen konnten sie ihn nicht.
„Wo ward Ihr?" fragte die Fürstin.
„Wie oft soll ich dir noch sagen, dass meine politischen Angelegenheiten dich nichts angehen?" er antwortete gereizt.
„Ich glaube, das nächste Mal sollte ich dich mitnehmen Amelie, dann könnte ich mir die Zeit besser vertreiben." Dass er das so offen vor seiner Frau sagte, war ein Schock für Lilith. „Ich wünsche deine Gesellschaft jetzt. Meine Fürstin, würdest du uns bitte entschuldigen. Komm Amelie." Und schon verließ er seine Frau wieder, Amelie folgte ihm, aber sie schien alles andere als glücklich zu sein.
Kurz darauf verließ auch die Fürstin ihre Gemächer.

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