Epilog

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Epilog

Der Blick des blonden Mädchens war über den Garten vor ihr gerichtet, die Wege waren von Lichtern gesäumt, die Hecken ordentlich gestutzt. Sie selber stand auf einer Terrasse an das kalte Steingeländer gelehnt, an sich war es recht kühl, aber was wollte man erwarten, selbst im Sünden war der Winter nicht sonderlich warm. Das Mädchen war nur von schwachem Licht umgeben, die großen Fenster hinter ihr warfen zwar große Lichtflecken auf die Fließen, doch das Geländer war zu weit von ihnen entfernt. Leise drang die Musik zu ihr nach draußen, ebenso die vielen Stimmen und hin und wieder ein Lachen. Die Musiker spielten gerade eine der bekannteren Menuette, wahrscheinlich würden die meisten Mädchen in ihrem Alter um jeden Preis versuchen mit einem gutaussehenden Jungen aus gutem Hause zu tanzen.
„Warum steht Ihr hier so alleine, seid Ihr dem Fest schon überdrüssig." Das Mädchen sah sich nicht einmal nach dem Sprecher um, was in manchen Kreisen und gegenüber einigen Personen alles andere als angebracht war.
„Ich schnappe lediglich etwas frische Luft und wollte mich etwas abkühlen. Außerdem genieße ich die Ruhe hin und wieder sehr gerne." Erst als der Fremde ebenfalls am Geländer stand sah das Mädchen ihn an, er war nur ein paar Jahre älter als sie, höchstens fünf und hatte edle, ebenmäßige Gesichtszüge. Seine braunen Haare wirkten ein kleines bisschen zu lang, wenn man ihn mit anderen Jungen aus reichen Familien verglich und seine braunen Augen hatte einen unbekannten Glanz.
„Ich kann Euch in Ruhe lassen, meine Dame, wenn ihr die Ruhe so sehr schätzt. Doch muss ich zum Missfallen meiner Eltern gestehen, dass ich die Ruhe den Festen hin und wieder vorziehe. Ich beobachte dieses Treiben lieber von etwas weiter weg, fernab der strengen Blicke meiner Eltern." Das Mädchen wagte erneut einen Blick zu ihm, er hatte sich gegen das Geländer gelehnt und sah abwesend in die Ferne.
„Mit wem habe ich überhaupt die Ehre? Ich fühle mich immer etwas unwohl wenn ich den Namen meines Gegenübers nicht weiß." Das Mädchen wandte schnell wieder den Blick ab, fast im selben Moment sah er sie kurz an.
„Wollt Ihr meinen Namen wissen oder mit wem Ihr es zu tun habt? Wobei ich letzteres nur ungerne sagen würde."
„Ich könnte auch erraten wer Ihr seid, doch wenn Ihr mir euren Namen nicht sagt, so werde ich auch den meinen verschweigen."
„Ihr seid anders als die anderen Mädchen auf diesem Ball."
„Wie meint Ihr das?"
„Ihr versucht nicht einen jungen Mann zu umgarnen, ihr scheint nicht auf der Suche nach einer guten Partie zu sein. Seid Ihr etwa schon verlobt oder gar verheiratet?" Das Mädchen schüttelte lachend den Kopf. „Dann seid ihr einfach nur erfrischend ehrlich und fast schon frech."
„Das liegt vielleicht daran, dass ich in den letzten Jahren selten einer solchen Veranstaltung beigewohnt habe, Drachenjägern ist dies während ihrer Ausbildung nur in Ausnahmefällen gestattet."
„Ihr seid eine Drachenjägerin, wenn ihr hier seid habt Ihr Euren Eid schon gesprochen, demnach müsstet ihr über achtzehn Jahre alt sein."
„Ich weiß nur immer noch nicht wer Ihr seid, außerdem spricht man mit einer Dame nicht über ihr Alter." Das Mädchen versuchte vollkommen ernst zu wirken, dabei konnte sie ihr Lachen kaum unterdrücken.
„Ihr wolltet doch raten wer ich bin, so vertreiben wir beide etwas Zeit und ich bin mir sicher, dass es mit Euch viel interessanter ist als auf dem Ball."
„Ihr solltet aufpassen, dass Eure Eltern so etwas nicht hören. Aber wie ihr wollt, Ihr kommt aus einem guten Haus, gehört dem Adel an. Jedenfalls würde ich das anhand Eures Auftretens und der Art wie Ihr sprecht vermuten."
„Ihr sprecht genauso."
„Ich passe mich euch an, habe ich Recht mit meiner Vermutung?" Der Junge nickte nur kurz. „Hätte ich öfters in diesen Kreisen verkehrt, so würde ich Euch bestimmt kennen und wüsste Euren Namen, aber so kann ich nur raten."
„Selbst wenn Ihr öfters auf Bällen dieser Art gewesen wäret, müsstet ihr mich nicht automatisch kennen, ich war lange Zeit im Ausland."
„Ein junger Adeliger der im Ausland war." Das Mädchen schien nachzudenken, die ganze Zeit mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. Dann plötzlich schien ihr ein Licht aufzugehen, ihre Augen weiteten sich erschrocken. „Es tut mir leid, ich hätte Euch erkennen müssen. Das ist mir peinlich, verzeiht mit mein Prinz." Sie versankt in einem tiefen Knicks.
„Aus diesem Grund finde ich es schrecklich, wenn die Leute wissen wer ich bin, ich würde mich so gerne mit jemandem unterhalten der mich nicht so behandelt." Er sah zu ihr runter, dann streckte er ihr eine Hand entgegen. „Steht auf, Ihr könnt euch mir gegenüber vollkommen normal verhalten, ich bin nicht mein Bruder, ich bin nur der Zweitgeborene."
„Das ändert aber nichts daran, dass Ihr der Prinz seid." Das Mädchen sah immer noch blass und geschockt aus.
„Ich würde es vorziehen, wenn Ihr mich Raphael nennt und mir verratet mit wem ich die Ehre habe."
„Lilith Tochter des Nurien, aus dem Hause der weißen Flammen." Die Stimme des Mädchens klang verändert, sie schien noch immer nicht vollständig mit der Situation zurecht zu kommen.
„Es tut mir leid was in Eurer Familie geschehen ist, wobei Eure Familie trotz allem angesehen wie eh und je ist. Immerhin hat sie zwei sehr gute Drachenjäger hervorgebracht und Ihr habt Euren Eid sehr früh abgelegt." Der Prinz musterte sie einen Moment aufmerksam. „Ich würde es vorziehen, wenn Ihr mich nur Raphael nennt, vergesst einfach wer ich bin. Seht mich nicht als den Prinzen, seht mich einfach als einen ganz normalen Jungen."
„Wie Ihr wünscht."
„Lilith, Ihr müsst mich nicht siezen. Ich würde es wahrlich vorziehen mal nicht wie der Prinz behandelt zu werden. Stellt Euch einfach vor ich sei auch ein Mitglied Eures Ordens."
„Dann solltet Ihr, solltest du mich auch nicht siezen." Langsam kam ihr Mut wieder zurück.
„Ich bin zwar schon viel gereist, doch habe ich noch nie einen lebendigen Drachen gesehen. Eines Tages möchte ich die Drachenjäger in den Norden begleiten, ich beneide dich, du hast bereits Drachen gesehen. Erzähl mir von ihnen, bitte?" In seinen Augen war nun ein leuchten zu erkennen, dass Lilith nur zu gut von sich selbst kannte.
„Hast du bereits von ihnen gelesen?" Natürlich musste sie diese Frage stellen, dies entschied schließlich ob sie alles genau erklären musste.
„Ich habe alle Bücher über sie gelesen die ich in die Finger bekommen konnte, mein Bruder hat mich früher immer aufgezogen weil ich lieber gelesen habe als zu trainieren. Trotz allem kämpfe ich nicht wirklich schlechter als er."
„Ich kann deine Liebe zu Geschichten über Drachen durchaus verstehen, obwohl ich gelesen habe und viel trainieren musste. Welche Drachenart hat dich am meisten fasziniert?"
„Welche Arten hast du denn gesehen?"
„Sehr viele, ich weiß nicht ob ich sie noch alle benennen kann."
„Wie meinst du das?" Der Junge wirkte immer neugieriger.
„Nachdem wir unseren Auftrag erfüllt hatte, haben wir sehr viele Drachen in eine Richtung fliegen sehen und sind ihnen gefolgt, sie haben uns zu einer Wiese voller Drachen geführt." Den Nachtschatten würde sie mit keinem Wort erwähnen, dass wusste sie sicher.
„Goldener Tod?"
„Sie sind viel schöner und größer als ich sie mir vorgestellt habe und ihre Schuppen schimmern in der Sonne. Ich bin wirklich der Meinung, dass sie einen anderen Namen verdienen."
„Da bist du ja, ich habe dich überall gesucht aber ich hätte wissen müssen, dass du dich nach einiger Zeit nach draußen verziehst." Dieses Mal wirbelte Lilith herum als eine Person auf die Terrasse trat und etwas sagte. Sie brauchte nur einen kurzen Moment, bis sie die Königin erkannte. Schnell versank sie in einem tiefen Knicks. „Verzeiht mir, ich habe gar nicht wahrgenommen, dass du Gesellschaft hast."
„Wenn es dir so wichtig ist, dann komme ich natürlich zurück nach drinnen." Raphael bot Lilith seinen Arm an, etwas erstaunt nahm sie das Angebot an. „Erweist Ihr mir die Ehre des nächsten Tanzes?"
„Nichts wäre mir lieber, mein Prinz." Lilith verstand sofort, dass sie in Gegenwart seiner Mutter lieber förmlich miteinander redeten.
„Ich kenne Euer Gesicht." Die Königin musterte Lilith genauer. „Ihr seid Nuriens Tochter richtig?"
„Ja, meine Königin."
„Ihr ähnelt Eurer Tante sehr, ich habe viel Zeit mit ihr verbracht als ich jung war." Erzählte die Königin erfreut. „Wie ich höre beginnt euer Tanz jeden Augenblick." Mit diesen Worten entließ sie die beiden.
„Ihr wollt also mit mir Tanzen?" Lilith sah den Prinzen von der Seite an, noch immer lag ihre Hand locker auf seinem Arm, etwas das nicht gerade normal war wenn man sich kaum kannte.
„Natürliche möchte ich das, ich lasse es mir doch nicht nehmen mit dem hübschesten Mädchen des heutigen Balles zu tanzen." Er erwiderte ihren Blick kurz.
„Ihr macht Euch über mich lustig, hier sind so viele Schönheiten, ich kann wohl kaum an Anmut und Eleganz zwischen ihnen hervorstechen."
„Das mag sein, aber Ihr seid viel natürlicher als diese Mädchen." Sie näherten sich der Tanzfläche als andere Paare sich gerade zum nächsten Tanz aufstellten.

Sie hatte das Gefühl mit ihm alleine zu sein, obwohl sie in den letzten Jahren nur selten die Möglichkeit zum tanzen gehabt hatte, erschien es ihr so leicht. Mit ruhiger und sicherer Hand führte ihr Partner sie, zeigte ihr sanft aber bestimmt wo es lang ging.
Sie hatte das Gefühl nur mit ihm durch den Raum zu schweben, verschwunden waren die vielen Menschen, die Luft war nicht mehr stickig. Einzig sie beide tanzten zu den Klängen der Musik und hin und wieder, wenn ihre Blicke sich begegneten schien auch die Musik zu verblassen.


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