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„Es war mehr als unverantwortlich von dir, Lilith und Jack alleine zu schicken. Dir muss doch bewusst gewesen sein, dass so etwas hätten passieren können." Lilith nahm die wütende Stimme ihres Onkels wahr, sie musste wohl geschlafen haben. War der Kampf nur ein Traum gewesen? Wenn sie die Worte ihres Onkels richtig deutete, so hatte sie wirklich gekämpft.
„Beruhig dich, Lilith hätte auch zurück reiten können, zusammen mit Jack oder alleine. Es war ihre Entscheidung zu helfen und du solltest stolz auf sie sein. Sie hat gut gekämpft und dass sie zusammen gebrochen ist, wundert mich auch nicht. Sie hat Blut verloren und war einfach nur froh, als wir anderen da waren." Der Meister klang ruhig, in seiner Stimme schwang ein gewisser Stolz mit.
„Ich hätte wie Lilith gehandelt, aber sie ist mir da zuvor gekommen und wir hatten nicht die Zeit zu diskutieren. Ihr solltet wirklich stolz auf sie sein Sir Tom, sie hat gut gekämpft. Und bedenkt, wie viele Drachenjäger brechen nach ihrem ersten richtigen Kampf erst einmal zusammen? Sie ist jahrelang hinter den Mauern des Institutes behütet aufgewachsen." Lilith war sich nicht sicher, aber sie vermutete, dass Jack neben ihr saß.
Vorsichtig öffnete sie ihre Augen, ihr linker Arm schmerzte und sie hatte ziemlich Durst, auch ihr Magen sehnte sich nach etwas zu essen. „Wie geht es dir?" fragte Jack sie leise als er ihre offenen Augen bemerkte.
„Mein Hals fühlt sich an als hätte ich Sand gegessen, mein Magen dagegen sehnt sich nach etwas und mein Arm tut etwas weh, aber ansonsten fühl ich mich so gut wie immer." Antwortete sie.
„Dann meine Herren, darf ich Sie bitten mir etwas Platz zu machen. Es wäre mir eine Ehre, wenn ich mich ein wenig um unseren Gast kümmern dürfte." Eine alte Frau schob den Meister vorsichtig aber bestimmt aus dem Weg, dann setzte sie sich auf einen Hocker neben dem Bett auf welchem Lilith lag. „Schaffst du es alleine dich hin zu setzen oder soll dein Freund dir helfen?" Diese Worte waren an Lilith gerichtet. Vorsichtig setzte diese sich auf, ein leichtes Schwindelgefühl überkam sie. „Mira, bring doch bitte etwas Wasser und Suppe." Die Frau drehte sich nur kurz um, bevor sie sich wieder Lilith zuwandte.
„Ich vermute mal, dass du bei Lilith bleiben möchtest Jack. Tom, wir gehen nach draußen, wir wollen schließlich nicht im Weg stehen." Der Meister sprach leise.
„Ich werde meine Nichte nicht alleine lassen." Liliths Onkel klang wütend, hatte er sich mit dem Meister gestritten während Lilith geschlafen hatte.
„Ich werde sie nicht alleine lassen, Sir Tom."
„Außerdem wäre es bestimmt besser, wenn nicht so viele Menschen hier rumstehen würden. Geh nur Onkel, Jack passt schon auf mich auf. Und ich bin hier in guten Händen." Lilith sah ihren Onkel an, sie war immer noch wütend auf ihn, weil er ihr nichts erzählen wollte. Außerdem hasste sie es bevormundet zu werden.
„Wie fühlst du dich?" Fragte die Frau Lilith.
„Besser, mein Arm schmerzt noch etwas und ich habe Hunger und Durst, aber ansonsten fühle ich mich gut."
„Fühlst du dich schlapp und müde?"
„Nein, nicht wirklich. Oder vielleicht ein kleines bisschen, aber nicht so stark dass ich mir deswegen Sorgen machen würde."
„Du hast ja auch lange geschlafen, eine ganze Nacht und den halben Tag." Warf Jack ein. „Dabei wollte dein Onkel dich nicht hier lassen. Er meinte die Heiler in seiner Burg seien ausgezeichnet, und wir würden die Burg in weniger als zwei Tagen erreichen."
„Ich bin froh, dass euer Meister so viel Verstand hat. Eine einfach Schnittwunde bei einem unter Schock stehenden Mädchen, werde ich wohl noch verarzten können." Die Frau reichte Lilith einen Becher Wasser. „Ich werde dir später auch noch etwas anderes zum Trinken geben, etwas Tee wird dir nicht schaden." Als Lilith den Becher geleert hatte, wurde ihr eine Schüssel Suppe gereicht. „Wir haben extra für euch ein paar Hühner geschlachtet, in deiner Suppe ist eine extra Portion Fleisch, du sollst schließlich schnell wieder auf die Beine kommen."
„Danke, dass sie sich um mich kümmern." Sagte Lilith zwischen zwei Löffeln Suppe.
„Das meine Liebe, ist doch selbstverständlich. Ohne dich und die anderen Drachenjäger wären wir wahrscheinlich tot. Außerdem wären wir schlechte Menschen, wenn wir uns nicht so gut wir können um jemanden verletzten kümmern. Ach, und solltest du deine Montur suchen, sie liegt dort hinten, ich habe den Schnitt repariert." Erst jetzt wurde Lilith bewusst, dass sie nicht mehr ihre Kampfmontur trug.
„Danke."
„Ich denke, du solltest dich waschen bevor du sie wieder anziehst. Da dein Freund nicht von deiner Seite gewichen ist, haben wir dich nicht vollständig waschen können." Sie warf Jack einen belustigten Blick zu.
„Ich war nicht die ganze Zeit bei ihr. Ich habe auch ein paar Stunden geschlafen." Rechtfertigte er sich.
„Und die Wache eurem Meister überlassen."
„Was bedeutet eigentlich eure Brosche? Er trägt sie über seinem Herzen und an deiner Montur hängt sie ebenfalls. Seit ihr Verlobt oder sogar verheiratet?" Eines der jüngeren Mädchen hatte sich näher zu ihnen gewagt und beobachtete sie neugierig.
„Wir sind Kampfpartner. Normalerweise lassen wir einander im Kampf nicht im Stich. Aber verlobt oder gar verheiratet sind wir nicht." Antwortete Jack lächelnd.
„Es wäre nicht gerade ungewöhnlich, wenn ein Mädchen noch vor ihrem sechzehnten Geburtstag verheiratet werden würde." Diesmal war es das Mädchen, das Lilith gerettet hatte, welches sprach. „Unsere Fürstin war fünfzehn als sie heiratete, jetzt ist sie zwanzig und erwartet angeblich ihr erstes Kind."
„Was nach fünf Jahren Ehe wirklich erstaunlich ist. Mein erstes Kind war damals schon nach einem Jahr Ehe da." Die Frau nahm Lilith die leere Schüssel ab. „Möchtest du noch mehr?"
„Etwas Brot wäre mir lieber."
„Du hast Glück, es war vor nicht allzu langer Zeit fertig und müsste noch warm sein." Und wirklich, keine zwei Minuten später hielt Lilith eine warme Scheibe Brot in der Hand, Jack hatte ebenfalls eine Scheibe erhalten.
„Passieren solche Übergriffe hier in der Gegend öfters?" Fragte Jack nun vorsichtig.
„Öfter als früher definitiv. Unser Hof wurde zum Glück davor noch nicht angegriffen, aber wir sind auch nicht wohlhabend. Außerdem hatten wir Glück, dass ihr Drachenjäger ganz in der Nähe ward, wir haben hier keinen der uns wirklich verteidigen kann. Mein Sohn und meine beiden älteren Enkel, wurden vom Fürsten in seine Truppen geholt. Meine Schwiegertochter ist bei der Geburt ihres letzten Kindes gestorben und meine Tochter ist eine der Zofen der Fürstin und bring ab und zu etwas Geld und ein neues Kind mit hier her." Die Frau schaut sich wohlwollend in der Stube um, einige Kinder sind dort. „Meine anderen Kinder sind alle gestorben, manche hier, manche im Norden und manche im Süden."
„Unternimmt euer Fürst nichts gegen diese Truppen?" Wollte Lilith erstaunt wissen.
„Nein, nicht wirklich. Er bildet in seiner Burg Männer aus, aber die nutzt er eher zu Bekämpfung der Drachen."
Was eigentlich unsere Aufgabe ist."
„Ja, durchaus mein Junge. Ich glaube er meldet nur jeden dritten Drachenangriff, wenn überhaupt. Vielleicht solltet ihr eurem Meister davon erzählen." Die Frau sah nachdenklich aus dem Fenster, Lilith folgte ihrem Blick. Draußen trainierten die anderen.
„Wer ist euer Fürst?" Fragte nun Jack, obwohl er schon ahnte was für eine Antwort er erhalten würde.
„Euer Sir Tom, obwohl wir ihn Lord Tom aus dem Hause der weißen Drachen nennen müssen."
„Ich schäme mich schon fast aus diesem Haus zu sein. Ich dachte immer mein Onkel würde hier oben dafür sorgen, dass es den Menschen gut geht."
„Du kannst stolz auf deine Familie sein, auch wenn euer Familienoberhaupt Fehler macht." Jack sah seine Kampfpartnerin mitleidig an. Warum sie in letzter Zeit so viel Neues erfahren musste, war ihm ein Rätsel.
„Es gibt noch weitaus mehr Gerüchte über deinen Onkel, aber Gerüchte die bis zu uns kommen stimmen bestimmt nicht mehr. Ihr könnt euch ja in seiner Burg umhören, vielleicht erfahrt ihr dann mehr. Und jetzt würde ich dich bitten, dass du nach draußen gehst damit Lilith sich waschen kann." Ihre letzten Worte galten Jack. „Komm mein Mädchen." Sie reichte Lilith eine Hand und half ihr beim Aufstehen, dann führte sie sie in ein anderes Zimmer, wo eine Wanne voller Wasser stand. „Keine Sorge, ich werde dich nicht waschen." Mit diesen Worten ließ sie Lilith alleine, nicht ohne vorher einer ihrer Enkelinnen auf zu tragen, nach Lilith zu sehen.
Während sie sich wusch, unterhielt Lilith sich mit dem Mädchen, sie war elf Jahre alt, hieß Sophia und liebte ihr Leben auf dem Hof. Sie half ihrem Großvater bei allen anstehenden Arbeiten und scheute vor nichts zurück.

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