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„Aren, bleib sofort stehen! Komm wieder her!" sie hörten eine Frau schon von weitem laut rufen.
Theodor hob zögerlich seine Hand, die Drachenjäger hielten ihre Pferde an und lauschten.
„Du hörst jetzt auf damit du kleiner Nichtsnutz, oder soll ich deinem Vater davon erzählen?" wieder die Frau.
„Nein, bitte nicht." Viel leiser, die Stimme eines Kindes.
„Du bist ein schreckliches Kind, ungezogen, frech, dreckig. Wo treibst du dich ständig rum? Und jetzt komm endlich her!"
„Wir reiten näher." Theodors Stimme war leise. Die anderen Drachenjäger nickten, trieben ihre Pferde dann wieder an. Während sie näher ritten, hörten sie nichts mehr von dieser Unterhaltung. Erst als sie eine kleine, schäbige Hütte sahen, wussten sie, dass sie richtig waren. Sie hatten nur einen Hügel überqueren müssen. Jetzt sahen sie auch einen der beiden Sprecher, einen kleinen Jungen, der etwas abseits auf einem Baum saß. Seine Mutter, wenn sei das überhaupt war, kam gerade um das Haus gelaufen, als die Drachenjäger immer näher kamen.
Als sie nur noch wenige Meter entfernt waren, die Frau musterte sie skeptisch, hielten sie ihre Pferde an und Theodor ergriff das Wort. „Ich grüße Sie, wir sind Drachenjäger."
„Was wollt ihr hier?" die Frau klang unhöflich, feindselig.
„Wir wollen lediglich die Antworten auf ein paar Fragen." In seinen Gedanken fügte Theodor noch hinzu, dass er dem Jungen gerne helfen würde.
„Was für Fragen?"
„Bezüglich Drachen und Angriffen von ebendiesen." Die Drachenjäger sahen sich unauffällig um. Die Hütte hatte schon bessere Jahre gesehen, das Dach hatte mehrere Löcher, einige Bretter sahen schon recht beschädigt aus. Auch die Hühner die in einer kleinen Umzäunung saßen, sahen mager und krank aus. Ein alter Hund kam um das Haus gelaufen, er sah die Drachenjäger an, zeigte allerdings kein großes Interesse an ihnen. Er legte sich stattdessen in die Sonne.
„Wir haben nichts mit Drachen zu schaffen."
„Davon gehe ich aus. Habt Ihr etwas von einem Angriff gehört? Oder einem Drachen der hier in der Gegend war?"
„Wir haben nicht oft Besuch und gesehen haben wir auch keinen. Ihr könnt also wieder verschwinden, ich bin beschäftigt." Sie wandte sich wieder an den Jungen auf dem Baum. „Aren komm sofort runter!" Sie versuchte ihre Stimme ruhig zu halten.
Theodor gab das Zeichen zum Aufbruch, auch wenn er der ganzen Sache nicht so ganz trauen konnte war er sich sicher, dass sie hier nicht noch mehr erfahren würden.
„Wir hätten dem Jungen helfen sollen." Meinte Lilith als sie ein Stückchen weiter geritten waren.
„Das hätten wir vielleicht, aber es hätte ihm bestimmt nur noch mehr Ärger eingehandelt." Theodor sah sie aufmunternd an.
„Das war mir alles nicht so ganz geheuer, sie wusste bestimmt mehr als sie uns gesagt hat."
„Auch das ist möglich Anna, doch können wir das nicht einfach so überprüfen."
„Wie kannst du nur so gelassen sein und nicht einfach eingreifen?" Lilith sah ihn bewundernd an.
„Ich habe mit der Zeit gelernt, dass ich nicht allen helfen kann auch wenn ich dies möchte. Manchmal muss man seinem ersten Impuls wiederstehen und somit die weitreichenden Konsequenzen verhindern. Natürlich kannst du nicht über die Konsequenzen nachdenken, wenn du jemandem durch einen Kampf beschützt, aber dem Jungen vorhin hätten wir nur Probleme gebracht."
„Vielleicht macht das die Lebenserfahrung. Du bist doppelt so alt wie ich Theo, du hast mehr von der Welt gesehen, mehr Kämpfe ausgetragen, mehr Bücher gelesen." Eine fast schon kindliche Bewunderung sprach aus Liliths Blick.
„Du solltest vielleicht auch ein wenig reisen, wenn wir wieder in der Hauptstadt sind und du entbehrt werden kannst. Ich bin mir sicher, dass er Großmeister nichts dagegen haben wird, die Großmeister sehen es gerne, wenn Ordensmitglieder die Welt sehen wollen."
„Aber er wird mir, anders als allen anderen, nicht gestatten alleine zu reisen."
„Du wirst auch nicht alleine sein, Lil." Jack konnte sein Lachen kaum verbergen.
„Manchmal tut mir der Mann, denn du eines Tages heiraten wirst, leid. Er muss sich dann damit abfinden, dass Jack immer ein wichtiger Teil deines Lebens sein wird und er kann nichts dagegen unternehmen." Anna griff im vorbeireiten nach einem Ast, hielt ihn kurz fest und ließ ihn wieder los.
„Ich bin froh dass Clara nicht dabei ist, sonst würde sie mir wieder sagen, was für eine gute Partie Jack doch ist."
„Soll sie ihn doch heiraten, immerhin habe ich das Gefühl, dass sie ihn manchmal ganz verliebt ansieht." Carlo lenkte sein Pferd vorsichtshalber ein Stück von Jack weg.
„Leute ich bin auch noch da." Jack sah sie alle entgeistert an.
„Als würdest du sie nicht auch mögen."
„Ich an deiner Stelle würde jetzt ganz schnell weg reiten." Meinte Lilith lachend zu Carlo. Dieser folgte dem gut gemeinten Rat und kurz darauf jagten die beiden über die Wiese.
Theodor ließ sie nicht lange so durch die Gegend rasen, nach kurzer Zeit rief er nach den beiden. Diese jedoch waren jetzt mit etwas anderem beschäftigt, wie hypnotisiert ritten sie noch ein kleines Stückchen, hielten dann ihre Pferde an. Mit einem unguten Gefühl gab sie ihrem Pferd die Sporen, Theodor sah ihr einen Moment entgeistert nach, dann folgten er und Anna ihrem Beispiel.
Das Tal unter ihnen glich einem Schlachtfeld, zerrissene, angefressene Tierkadaver. Brandflecken. Blut.
„Stammt es von dem was ich denke?" Annas Stimme klang schwach.
„Das stammt von einem Drachen, daran zweifle ich nicht. Es müsste aber schon etwas älter sein, der Drache ist jedenfalls nicht gerade eben erst verschwunden, sonst hätten wir ihn gesehen. Außerdem wäre es für uns auch weniger gut einem ausgewachsenen Drachen zu begegnen, wir sind nur zu fünft." Theodor schaute sich die Umgebung aufmerksam an.
„Ich will mir das näher ansehen." Mit diesen Worten glitt Lilith aus ihrem Sattel, den Griff ihres Schwertes fest umgriffen.
Bevor Theodor überhaupt richtig reagieren konnte, war sie schon einige Schritte weit gegangen. „Lilith, komm zurück das ist viel zu gefährlich!" sagte Anna.
„Nicht unbedingt. Jack, los." Dieser hatte nur auf Theodors nicken gewartet, schon berührten auch seine Füße den Boden und er folgte seiner Kampfpartnerin mit schnellen Schritten. Theodor ritt ein Stück näher an die beiden reiterlosen Pferde und griff nach ihren Zügeln. „Behaltet den Himmel im Blick." Sagte er zu den beiden zurück gebliebenen.
Lilith verlangsamte ihre Schritte, gab Jack somit die Möglichkeit zu ihr aufzuschließen. „Was hoffst du dort zu finden?" fragte er leise, wobei er sich nervös umsah. Seine Kampfpartnerin dagegen schien die Ruhe selbst zu sein.
„Weiß ich nicht so genau." Antwortete sie, während sie neben einem der Brandflecken in die Hocke ging. Vorsichtig strich sie mit dem Finger über die Erde. „Wie Drachenfeuer wohl aussieht. Meinst du es ist schön eine Flamme am Himmel zu sehen?" Lilith sah Jack nur kurz an.
„Weiß ich nicht." Lilith stand wieder auf, näherte sich nun einem der Kadaver.
„Hier sind kaum Fliegen." Stellte sie fest.
„Liegt vielleicht an den Drachen." Gab Jack zu bedenken.
„Schau mal, dort." Lilith zeigte auf etwas am Fuße des Hügels, dort war das Gras platt gedrückt, mehrere Kadaver lagen dort in engerem Raum verstreut.
Jack brauchte einen Moment, bis er das schimmernde etwas im Gras entdeckte.
Lilith hob es vorsichtig hoch, als sie dort ankam. „Eine Schuppe. Eine blaue." Sagte sie leise und zeigte sie ihm.
„Wie schön sie ist." Kam es fast flüsternd von Jack.
Lilith nickte und begann dann den Boden nach einer weiteren Schuppe ab zu suchen, doch sie hatte keinen Erfolg.
„Ja, das ist eindeutig eine Drachenschuppe, manchmal verliert ein Drachen einfach eine. Wenn du willst kannst du sie behalten." Theodor gab Lilith die blau schimmernde Schuppe zurück.
„Ich wollte schon immer eine Drachenschuppe als Kettenanhänger haben." Liliths Augen leuchteten.
„Warum hast du dir keine von deinen Eltern kaufen lassen? Immerhin werden sie zu genüge in der Hauptstadt angeboten." Fragte Carlo verwirrt.
„Ich wollte eine Schuppe, die ich selber gefunden habe. Eigentlich wollte ich auch nur eine, wo ich den Drachen auch gesehen habe, aber mit der hier bin ich auch schon zufrieden."
„Wenn du willst, mache ich sie dir später an ein Band. Als ich vor zwei Jahren meine Familie besucht habe, haben sie mir gezeigt wie es geht. Einer meiner Onkel ist ein Händler, er verkauft auch solche Ketten." Bot Anna ihr an.
„Ja gerne."

DrachenfeuerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt