Zum gefühlt hundertsten Mal sah ich auf meine Armbanduhr. Noch 10 Minuten. Ich seufzte. Seit Isy nicht mehr mit mir sprach und sich in so vielen Fächern wie möglich von mir weggesetzt hatte, war der Unterricht nur noch unerträglicher geworden. Zwei Monate war es nun her, dass wir uns so zerstritten hatten und egal wie oft ich mich entschuldigte, sie wollte mir nicht zuhören. Ich hatte natürlich auch noch andere Freunde an der Schule, aber die Freundschaften waren eher oberflächlich und ich konnte mich Niemanden so anvertrauen wie Isabelle. Niemanden außer Henry. Er war die einzige Person an die ich mich momentan anlehnen konnte. Und er machte mich glücklich, auch wenn der Rest meines Lebens gerade den Bach hinunter ging. Mein Vater war nicht wieder bei uns eingezogen, im Gegenteil, er hatte schon einen Großteil seiner Sachen geholt. Meine Mutter versprachen uns zwar fast täglich, dass sich für mich und Sue nichts ändern würde, aber eigentlich hatte sich alles geändert. Meinen Vater sprachen wir oft nur übers Telefon, da er sich voll und ganz in seine Arbeit gestürzt hatte und meine Mutter begann sich mit anderen Männern zu treffen. Sue verarbeitete das ganze in dem sie sich in ihrem Zimmer verkroch und ich ihr nur ab und zu im Flur über den Weg lief. Für sie war eine Welt zusammengebrochen. Meine Welt hingegen wurde noch von Henrys starken Händen zusammengehalten.
Fünf Minuten vor Stundenschluss begann es unruhig im Klassenzimmer zu werden. „Wenn ich noch kurz um eure Aufmerksamkeit bitten darf, Herrschaften." Versuchte Mr. Miller gegen den entstehenden Lärm anzukommen. „ Ich würde euch noch gerne eure Arbeiten über die Industrialisierung austeilen. Also bleibt noch einen Moment sitzen." Er ging durch die Reihen und teilte die Arbeiten aus. Ich bekam ein mulmiges Gefühl. Diese Arbeit hatte ich total verhauen. Bei dem ganzen Stress hatte ich mich in letzter Zeit kaum auf die Schule konzentrieren können. Mr. Miller blieb vor meinem Tisch stehen. „Miss Stewardt ich muss sagen, dass war eine der besten Arbeiten, die ich meiner ganzen Lehrzeit gelesen haben. Faktisch und stilistisch ausgezeichnet. Glückwunsch." Er legte mir die Arbeit auf den Tisch und ich wurde rot. Damit hatte ich nicht gerechnet.Es klingelte und meine Mitschüler begannen den Klassenraum zu verlassen „ Ich frage mich ob Sie nicht Interesse hätten, unsere Schule im landesweiten Wettbewerb über die britische Geschichte zu vertreten. Eine hohe Platzierung würde sich neben ihren weiterem Engagement entzückend in ihrem Lebenslauf machen." Ich sah wie Isy an mir vorbei ging und genervt die Augen verdrehte, was mir einen Stich gab. Ich versuchte zu lächeln. „ Ich denk mal drüber nach." Schnell steckte ich den letzten Hefter in meine Tasche und verließ schnell den Raum.
Draußen vor dem Klassenraum wartete Henry bereits auf mich. Ich ging zielstrebig auf ihn zu, schlang meine arme um seinen Hals und küsste ihn. Er war überrascht, aber erwiderte den Kuss. Ich spürte die neidischen Blicke der anderen Mädchen in meinem Nacken, aber es war mir egal. Schneller als erwartet war unser Kuss wieder zu Ende, da Henry mich sanft von sich schob. Erst jetzt sah ich seinen betrübten Blick. „Mary, wir müssen reden." Mir wurde schlecht. „ Was ist denn los? Ist irgendwas passiert?" Er trat von einem Fuß auf den anderen. „ Lass und das nicht hier besprechen. Wollen wir einen Kaffee trinken gehen?" Ich sah ihn misstrauisch an. „Wenn du meinst. Ich habe heute eh eine Vertretungsschicht im Starbucks, wir können vorher dahin." Er nahm meine Hand und nickte. „Ja das wäre gut."Wir nahmen die U-Bahn zu meiner Wohnung, wo ich meine Schuluniform schnell gegen ein Paar blaue Jeans und ein bequemes T-Shirt tauschte. Auf dem Weg betrieben wir ein wenig unbeholfenen Smaltalk, den ich zwischen mir und Henry gar nicht gewohnt war.
„ Hey Tony. Machst du uns einen Cappuccino und einen normalen Kaffee?", fragte ich im Starbucks angekommen meinen Kollegen. Er blickte über meine Schulter auf Henry, der schon an einem Tisch am Fenster saß, und verzog das Gesicht. „ Ist das dein Neuer Lover?" Ich verdrehte die Augen. Es war offensichtlich, dass Tony Interesse an mir hatte, aber ich konnte das leider nicht erwidern. Er sah zwar gut aus und wir verstanden uns gut, aber mehr als Freundschaft war da nicht drin. „ Das ist nicht mein Lover, sondern mein Freund. Machst du uns den Kaffee?" Er kräuselte die Lippen, aber begann den Kaffee zu zubereiten. „ Springst du heute für Danny ein?" rief er mir über die Schulter zu. „ Ja, ich lasse extra meinen Spa-tag mit Mum sausen. Danny übernimmt dann morgen meine Schicht. Dann kann ich auch endlich mal an einem Samstags ausschlafen."
Ich setzte mich zu Henry und schob ihm den Kaffee hinüber. „Okay. Dann schieß' mal los." sagte ich und versuchte so cool wie möglich zu bleiben, aber ich war mir nicht sicher, ob ich bereit war zu hören was Henry zu sagen hatte. Er räusperte sich. „ Also meine Eltern..sie haben einen etwas ungewöhnlichen Beruf." Ich sah ihn abwartend an. Er hatte noch nie über seine Eltern geredet. „ Sie sind Biologen. Sie forschen im Moment an einer super krassen Heilpflanze, die es möglich machen könnte Demenz zu heilen." Ich runzelte die verwirrt die Stirn. „ Und was hat das jetzt mit mir zu tun?" Er seufzte. „ Warte ab. Diese Pflanze ist jedenfalls, wie sollte es anders sein, vom Aussterben bedroht. Und man dachte lange Zeit, dass die letzten Exemplare nur noch in ein paar wenigen Gewächshäusern irgendwelcher Institute existieren. Und, dass sie in freier Natur nicht mehr lebensfähig ist. Wie auch immer. Diese Pflanze wurde jetzt in Mexiko wieder entdeckt. Mum und Dad waren ganz aus dem Häuschen. Und natürlich wollen sie sofort dort hin zu dieser Pflanze, nach Mexiko." Es dauerte einen Moment bis ich Henrys Worte verstand. „ Wenn du sagt, sie wollen nach Mexiko, dann meinst du, dass du-" „Das ich auch mitgehen muss." Diese Worte waren der Lufthauch, der meine angeknackste Seele endgültig zum Einsturz brachte. „ Du, du willst gehen?" stotterte ich. „ Machst du Witze? Natürlich will ich nicht gehen." Er griff nach meinen Händen. „ Mary ich liebe dich. Und das letzte, was ich will, ist von dir getrennt zu sein. Aber meine Eltern lassen mir keine Wahl. Sie-" „Wann?" , unterbrach ich ihn. Er seufzte wieder. „Morgen."
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Just the girl next door~ ( 1D FF ♥)
FanfictionMary Lynn ist eigentlich ein ganz normaler Teenager und wohnt mit ihrer Familie in London. Sie arbeitet (wie jeden Samstag) im Starbucks gegenüber ihrer Wohnung, um sich neben der Schule ein bisschen Geld zu verdienen. Doch dieser eine Samstag, soll...