23)Suche und ein gelungener Tag

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German POV:


Ich machte mir heftige Vorwürfe, ich hätte an Samuel denken müssen! Wenn Jackie diesem Kerl in die Finger geraten war, werde ich mir das nie verzeihen können. Aber natürlich, das war das letzte, an das ich gedacht hatte. Nachdem Samuel im Knast gelandet war, war das Thema für mich abgeschlossen. "Wo sollen wir hin?", fragte Angie und hielt mir die Autoschlüssel vor die Nase. "Ich weiß nicht, wo Samuel wohnt, aber ich weiß wo Jackie und er früher immer gemeinsam rumgehangen sind", antwortete ich und nahm ihr die Schlüssel ab. Wenn Samuel tatsächlich Jackie hatte, zählte jede Sekunde. Mit diesem Gedanken trat ich auf das Gaspedal.

Wenige Minuten später erreichten wir ein altes Fabrikgelände. Es war seit längerer Zeit unbenutzt, die ehemalige Firma hatte sich ein neues Gelände im Inneren der Stadt gekauft. Das Gelände war überschaubar, eine große Halle in der früher die Maschinen standen und zwei weitere kleinere in der die Mensa und private Räume untergebracht waren. "Teilen wir uns auf?", fragte Angie, als ich angehalten hatte. "Lieber nicht, ich würde diesem Typen zutrauen, dass er eine Waffe hat und ich möchte dich garantiert nicht verlieren", antwortete ich. Als mir bewusste wurde, was ich da gerade gesagt hatte, schoss mir das Blut in die Wangen. Angie schien es nicht anders zu gehen, sie hielt ihren Kopf gesenkt. Schweigen folgte auf meine Worte. Ich räusperte mich und schlug vor:" Am besten wir gehen zuerst in die privaten Räume und danach in die große Halle, was meinst du?" Angie hatte nichts dagegen einzuwenden, so schlugen wir den Weg zu einem der kleineren Hallen ein. "Woher weißt du eigentlich von hier?", erkundigte sich Angie nach wenigen Metern. "Jackie hat mich früher manchmal mitgenommen. Oder ich habe sie zu ihren Treffen gefahren, ihre Eltern wussten nichts von Samuel und zu Fuß wäre die Strecke viel zu lang. Als Samuel so aggressiv wurde, hatte sie sich auch öfters einmal hier versteckt", beantwortete ich ihre Frage. Wir waren vor der Eingangstür angekommen. Da hier nichts Wertvolles lag, stand die Tür immer offen, was im Winter die Obdachlosen anlockte. Im hinteren Teil der Stadt gab es davon einige, diese hielten viel von diesem sicheren, immer geöffneten Ort. 

Mit hochkonzentriertem Gesicht stieß Angie die Tür auf. Dunkle Wände und nackte Glühbirnen erwarteten uns. Unsere Schritte hallten in der leeren Halle laut wieder. Lass bloß Jackie nicht mit Samuel hier sein. Gemeinsam durchforsteten wir die ganze Halle, doch weit und breit war niemand zu sehen. "Hier ist nichts, gehen wir weiter?", fragte Angie. Ich nickte. Wir verließen die Halle und betraten die ehemalige Maschinenwerkstatt. Es war fast unheimlich still. Die Halle war fast komplett leer, nur ein paar vereinzelte Tische und Stühle wiesen auf den gelegentlichen Besuch der Obdachlosen hin. Da stieß mir Angie ihren Ellenbogen in die Seite und deutete aufgeregt nach oben. Eine schmale Leiter führte hoch auf einen kleinen Dachboden, hier hatten die Arbeiter vermutlich Kaffeepause gemacht. Ohne auf meine Zustimmung zu warten, marschierte Angie los und kletterte die Holzleiter hinauf. Ohne zu Zögern folgte ich ihr. Da hörten wir es. Leise Schritte. "Jackie?", rief Angie. Wenn Samuel auch hier war, dann waren wir jetzt dran. "Jackie, wir sind's, Angie und German!", rief sie. Tatsächlich, aus dem Schatten einer Wand schlich Jackie auf uns zu und fiel uns um den Hals. Sie zitterte und atmete heftig. Angie und ich warfen uns einen langen Blick zu und führten Jackie zum Auto. "Was ist passiert?", fragte ich vorsichtig. Jackie hatte sich wieder beruhigt und erzählte:" Ich wollte nur ein paar Brötchen kaufen und euch eine Freude machen, da sah ich an einer Straße eine Person. Ich wusste, ich hatte dieses Gesicht schon einmal gesehen, konnte es aber nicht auf Anhieb zuordnen. Also ging ich weiter, als der Mann mir scheinbar folgte und ich ihn in einem Schaufenster ihn genauer betrachtete, fiel es mir wie Schuppen vor den Augen. Es war Samuel. Panik ergriff mich und rannte einfach kopflos quer durch die Stadt. Meine Beine trugen mich hierher und ich war mehr als erleichtert, als ich gemerkt hatte, dass er abgehängt war. Als ich euch gehört habe, bin ich beinahe vor Angst gestorben. Wenn er wieder draußen ist, bin ich hier nicht sicher. Ich glaube, es wäre das Beste, wenn ich wieder zurück fliege. Samuel weiß nichts von Spanien, er wird mich dort niemals finden und ich bringe euch nicht noch mehr in Gefahr. Was meint ihr?" Jackie hatte Recht. Samuel würde Wunder weiß was mit ihr anstellen, wenn sie in seine Fänge geraten würde. In Spanien wäre es auf jeden Fall sicherer als hier. "Schade Jackie", stellte Angie fest. "Am besten, ich fliege gleich morgen", sagte Jackie noch. Neben mir warf Angie einen Blick auf ihr Handy. "Zwei verpasste Anrufe von Senior Diaz", erzählte sie. "Ruf ihn zurück", sagte ich ihr und drehte das Radio leiser.

Angie POV:

Ich drückte auf Zurückrufen und wartete. Senior Diaz nahm gleich ab. "Da sind Sie ja, was verstehen Sie unter immer erreichbar sein?", fuhr er mich an. Am besten, ich erzählte ihm nichts von Jackie. "Ich hatte wohl kein Netz, entschuldigen Sie mich bitte", log ich. "Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass unsere Kollegen bereits emsig am Arbeiten sind. Das ein oder andere Land konnte ausgeschlossen werden, die Schweiz und Österreich kommt nicht infrage, die Niederlande ebenfalls nicht. Unsere Kollegen arbeiten weiter, morgen müssten wir das Ergebnis haben", berichtete der Polizist. Erleichterung durchflutete mich. Morgen würde ich der Lösung einen Schritt näher kommen. Einen Schritt näher an der Lösung, die mich endlich wieder in Ruhe schlafen lassen wird, ohne Angst, dass jemand kommt, ohne Angst vor einer neuen Drohung, nur die Wahrheit, nur Gewissheit. Ich bedankte mich und legte auf. Ich erzählte Jackie und German von den neuen Ergebnissen. Wir kamen Zuhause an und Jackie stürmte gleich auf ihr Zimmer. Ich wollte ebenfalls nach oben um nach Violetta zu sehen, doch German hielt mich am Arm fest. "Übrigens noch einmal Entschuldigung wegen unseres Streits. Du bist eine unglaublich starke Frau, vergiss das niemals", sagte er leise und lächelte mich an. "Danke", antwortet ich leise. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, wir waren uns so nah. German nahm mir die Entscheidung ab. Warm spürte ich seinen Atem auf meinem Gesicht und mein Herzschlag beschleunigte sich. "Du tust uns so gut", flüsterte er, dann senkte er seine Lippen sanft auf meine. 


Germangie- Er zeigte mir mein LebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt