4. Kapitel - Der Start in ein neues Leben

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„Zehn - neun - acht"

Monoton, aber deutlich hören Peter, Michelle und Lilly eine männliche Stimme den Countdown aus dem Lautsprecher, der in ihrem Zimmer installiert ist, moderieren. In der letzten Stunde seit dem Betreten des Zimmers haben sie dieses eingehend in Augenschein genommen und als zufrieden stellend erachtet. Ihre Wohnung besteht eigentlich aus einem Wohn,- bzw. Essbereich, der zentral mit einem großen ovalen Fenster ausgestattet ist und mit einigen modernen, zwar einfachen, aber zweckmäßigen Möbeln bestückt ist. Dieses Zimmer ist auch mit Abstand das Geräumigste und in ihm befinden sich auch alle elektronischen Geräte, ein Tisch und eine Sitzgarnitur. Das Schlafzimmer ist kleiner, aber ähnlich zweckmäßig - ohne Fenster eingerichtet und verfügt an den Wänden über zwei Einzelbetten. Neben dem Vorraum, der groß, hell und mit diversen Schränken sowie der schiffsinternen Kommunikation eingerichtet ist, befindet sich noch das Badezimmer mit dem WC.

„Sieben - sechs"

Die Drei sind durch den langen Tag schon ziemlich erschöpft, aber die ganze Aufregung rund um den Start des Raumschiff und natürlich dessen Ausstattung überspielt verständlicherweise jegliche Müdigkeit. Sie lehnen in der Sitzecke im Wohnzimmer und blicken gespannt aus dem Fenster, wo der Vollmond mit all seiner Kraft herein strahlt. Dort konnten sie in den letzten Minuten erkennen, wie sich das Dach des riesigen Hangars wie von einer Geisterhand von der Mitte ausgehend in Richtung Rand geöffnet hatte. Nun ist es zur Gänze offen und wartet darauf, das Raumschiff freizugeben.

„Fünf - vier"

Sie können immer deutlicher ein Geräusch, welches sie mit dem solarthermischen Antrieb des Raumschiffes in Verbindung bringen, hören und dieses wird konstant lauter und immer lauter. Gleichzeitig nehmen sie in ihren Sitzen ein Vibrieren wahr, das sich in weiterer Folge auf die Möbel, die Wände und das ganze Raumschiff auszudehnen droht. Die Spannung überträgt sich auf die Drei, die mit verkrampften Händen und aufrechtem Sitz aus dem Fenster starren.

„Drei - zwei"

Die Stimme aus dem Lautsprecher zeigt hingegen keinerlei Emotion und spult den Countdown runter, wie wenn es sich um das Vorlesen einer Gutenachtgeschichte für kleine Kinder handeln würde. In diesem Moment fängt auch der ganze Boden unter ihnen zu beben an und Lilly drückt ganz fest Michelles Hand, die gar nicht mitbekommt, dass sich Lillys Fingernägel in ihre Handballen bohren. Parallel dazu erhebt sich ein Zischen und dumpfes Grollen, welches rasend an Lautstärke gewinnt, sodass man das eigene Wort kaum noch versteht.

„Eins - Zero"

Das Ende des Countdowns geht im Lärm der startenden Raketen unter. Das Antriebssystem mag zwar neuartig sein, aber allfällige Umweltauflagen zu Lärm oder Abgasbelastung wurden sicher nicht eingehalten. Das Grollen steigert sich noch kurz, bis es dann in einen gleichmäßigen Lärmpegel übergeht und somit die Flugphase nach dem Start ankündigt. Das Vibrieren und Zittern des gesamten Raumschiffes verschwindet zwar nicht zur Gänze, verringert sich aber auf ein Ausmaß, dass für die Passagiere fast nicht mehr wahrzunehmen ist.

Professor Hargend ist der Erste, der von der Couch aufsteht und - noch leicht wankend - den Weg zum Fenster sucht, wo er in den nächtlichen Himmel Floridas rausschaut. Er kann noch kurz ein Lichtermeer am Boden ausmachen, doch die sind schnell verschwunden, während er im Westen wieder die untergehende Sonne erkennen kann. Das Tempo der Specularius ist beeindruckend und als sich Lilly und Michelle neben ihm ans Fenster stellen, können sie bereits die Krümmung der Erde wahrnehmen. Peter stellt sich zwischen seinen beiden Frauen und hält sie zärtlich an der Hüfte fest, während das Raumschiff die Stratosphäre verlässt, die dünne Mesosphäre durchquert und in die Thermosphäre eindringt. Es sind noch keine drei Minuten seit dem Start vergangen und sie befinden sich in einer Höhe von mehr als 200 km über die Erde, die sie jetzt erstmals in ihrer Form als blauen Planet aus dem All sehen - ein bewegender Moment.

Die letzten MenschenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt