21. Kapitel - Die Situation auf Tyche eskaliert

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Der riesenhafte Hüne steht immer noch an derselben Stelle und blickt durch die geöffnete Wand hinaus in den Urwald, den der Captain mit seinem Team vor einigen Minuten betreten hat. Mit seiner Regungslosigkeit sowie in seinem eleganten schwarzen Umhang wirkt er beinahe wie ein Inventar, das sich schon immer an dieser Stelle befunden hat. Er hat ohne irgendwelche Anzeichen einer erkennbaren Emotion, aber dafür umso gründlicher die Menschen und ihr Verhalten da draußen beobachtet und analysiert. Den Sichtkontakt zu den Menschen hat er inzwischen längst verloren, doch sein Blick richtet sich nach wie vor starr in jene Richtung, in der er sie zuletzt gesehen hat. Auf einmal greift ihm von hinten ein weiterer Hüne, der ebenfalls in ein schwarzes Cape gehüllt ist, sanft auf seine Schultern. Dieser wird abrupt aus seiner Gedankenwelt gerissen, dreht sich daraufhin langsam zu ihm um und senkt zur Begrüßung fast unmerklich seinen Kopf.

„uQele wakho" (Übersetzung: „ Eure Eminenz").

Ein zufriedenes Lächeln umspielt seine Lippen. Die Hierarchie bei den Außerirdischen dürfte direkt proportional mit ihrer Größe zu tun haben, denn die Eminenz schaut immer noch spielend leicht auf den Vier-Meter Hünen runter.

„Yonke uya ngokwesi cwangciso" (Übersetzung: „Alles läuft nach Plan") berichtet der Hüne.

Auch die Eminenz wirkt zufrieden und fragt den Hünen: „Ngaba ukulungele kusinika isiphekepheke" (Übersetzung: „Sind sie bereit, uns das Raumschiff zu überlassen.")

„Ukuba awuyazi" (Übersetzung: „Das wissen sie noch nicht") antwortet daraufhin der Hüne und ergänzt seine Antwort mit den deutlich betonten Worten „kodwa baya" (Übersetzung: „Aber sie werden!").

Dies entlockt nun auch der Eminenz ein mildes Lächeln.

In diesem Moment erfüllt ein dumpfes Geräusch, ein Grollen und Poltern, das aus der Tiefe von Tyche zu kommen scheint, den Saal mitsamt seiner Umgebung. Der Boden unter ihren Füssen beginnt zu schwanken. Ähnlich wie bei einem Erdbeben wackeln Boden, Wände und Decke und draußen im Wald erkennen sie, wie sich im Boden tiefe Spalten und Risse auftun, in die Steine, Geröll und kleinere Bäume verschwinden. Die zur Seite geschobene Wand wird aus ihrer Verankerung gerissen und stürzt unter lautem Geklirre, verursacht durch das Zerbrechen der Fensterscheiben, zu Boden. Nach knapp zwei Minuten ist der Spuk vorbei und lediglich der entstandene Schaden erinnert noch an das soeben stattgefundene Ereignis.

James, Peter und Julia sowie die meisten Wachmänner werden direkt an der senkrechten Klippe, wo sie den Blick über das weite Tal schweifen lassen, von dem Beben überrascht. Der Boden wankt und Julia ergreift intuitiv James Arm, der sich wiederum mit seiner anderen Hand gerade noch an einem dünnen Baum festhalten kann. Einer der Wachmänner, der etwas abseits von ihnen den dichten Wald erforscht, stolpert, fällt auf den Bauch und rutscht auf dem feuchten Boden zur Kante der Klippe, wo er schlussendlich nach einem kurzen Kampf mit einem verzweifelten Schrei die Klippe hinunterstürzt. Sein Schrei geht den anderen durch Mark und Pein, aber als dieser nach einigen Sekunden abrupt von einen dumpfen Aufprall und der anschließenden Stille abgelöst wird, gefriert es den Anderen das Blut in den Adern.

Steine und alte Bäume stürzen durch das Beben um und das dumpfe Grollen scheint nun direkt von unter ihnen herzukommen. Unten im Tal können sie vereinzelt Risse wahrnehmen, aber die ganze Aufmerksamkeit ist nun völlig auf ihr Überleben fokussiert.

„Ein Erdbeben" fragt Professor Hargend, der vergeblich nach einer Möglichkeit sucht, sich irgendwo festzuhalten, während ein nächster, gewaltiger Erdstoß den Boden unter ihren Füssen erschüttert.

Peter kann sich nun nicht mehr aufrecht halten und stürzt zu Boden, wobei er sich sein rechtes Knie an einem Stein blutig schlägt. Ohne etwas dagegen tun können, rutscht sein Oberkörper über die Klippe. Verzweifelt schreit er um Hilfe und versucht sich, an einem nächstgelegegen Stein festzukrallen, aber seine Hände bekommen einfach keinen Halt auf dem feuchten Stein. In letzter Sekunde streckt ihm James seine Hand aus, die er gerade noch ergreifen kann.

Die letzten MenschenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt