Broken Passion

Kapitel 19

Ich meinte, ich unterdrückte den gefühlten hundertsten Gähner, als ich den Englischraum verließ und zu meinem Spind lief.

Die letzten Stunden hatte ich kaum was mitbekommen, hab die ganze Zeit vor mich hin gedöst und krampfhaft versucht, nicht an Nick's verletzten Blick zu denken, als ich aus dem Auto geflüchtet war. Ich redete mir ein, dass es für uns beide die beste Entscheidung gewesen war und hielt mich davon ab, sie zu bereuen.

Ich schubste ein paar jüngere Schüler weg, die sich mir in den Weg gestellt hatten und ignorierte die beleidigten Ausrufe mit desinteressierter Miene.

Die Gänge leerten sich, alle verschwanden in der Cafeteria oder zur nächsten Stunde und ich konnte endlich ohne weitere Hindernisse meinen Spind erreichen. Ich schloss ihn auf und schmiss meine Tasche samt Bücher achtlos hinein. Als ich die Tür wieder schloss, fuhr ich schon zum zweiten Mal heute zusammen.

"Warum müsst ihr euch alle hinter meinem Spind verstecken?", zischte ich Brad an, der plötzlich neben mir aufgetaucht war.

Seine Miene war undefinierbar, doch ich merkte eine kleine Veränderung, als er mich musterte; die zitternden Hände zu Fäusten geballt, Lippen aufeinander gepresst und die Augen kalt, ohne Emotionen.

"Deine Drohungen würden besser ankommen, wenn du vielleicht nicht so winzig wärst."

Einatmen. Ausatmen.

Ich straffte meine Schultern, drehte mich um und ließ ihn einfach stehen.

Doch Brad hatte andere Pläne. Er machte einen Schritt nach vorne, fasste nach meinem Handgelenk und wirbelte mich herum.

"Fass mich nicht an, du Arsch!", fauchte ich, doch er beachtete mich nicht und presste mich mit seinem Oberkörper gegen die Spinde.

Ich wand mich, doch er hatte mich fest im Griff, sodass ich mich nicht bewegen konnte.

"Hey, immer schön langsam, Rose. Wir haben was zu besprechen."

"Ich denke nicht. Alles was ich zu sagen hatte, hab ich der Polizei mitgeteilt. Warum fragst du nicht die? Du rufst sie doch jetzt immer an, wenn du alleine nicht mehr mit mir fertig wirst, oder?"

Er knurrte. "Treibs nicht zu weit."

"Sonst was?", spuckte ich ihm entgegen. "Willst du mich dann schlagen? So wie Nick? Weil er sich nicht unter Kontrolle hat und du auch noch dumm genug bist, zu tun was er sagt?"

Ich sah in seinem Blick, dass ich was getroffen hatte. Sein Griff um meine Arme wurde fester und ich bekam kaum noch Luft, so sehr presste er sich gegen mich. 

Doch ich gab nicht nach und sah Brad provozierend mit nach oben gerecktem Kinn entgegen.

Ein lauter Knall ließ unsere Köpfe herum schnellen und rette mich wahrscheinlich davor, wirklich geschlagen zu werden. 

Doch was wir sahen, war auch nicht besser und fügte mir mindestens genauso viel Schmerz zu.

Alex stand im Gang und sah uns mit nachdenklicher Miene entgegen. Neben ihr Nick, die Faust, mit der er auf den Spind eingeschlagen hatte, immer noch erhoben.

Ich brauchte einen Moment, bis ich realisierte, dass er weder mich, noch Brad ansah. Er funkelte die Lücke zwischen unseren Gesichtern an, oder besser gesagt, die Lücke, die nicht vorhanden war.

Brad's Gesicht war nur ganz wenige Zentimeter von meinem entfernt und dass ich ihm mein Kinn entgegen gestreckt hatte, hat es wohl so aussehen lassen, als wenn wir und küssen würden. Dass wir uns mit Blicken gegenseitig jedoch am liebsten töten wollen, sah Nick anscheinend nicht.