Leer. Ich war leer.
Die Gedanken hatten meinen Kopf verlassen und meine Augen starrten leer auf einen unbestimmten Punkt am Boden. Ich fühlte nichts, außer dieses schmerzhafte Reißen in der Brust. Ich wollte es nicht einmal versuchen, mich an die letzten Stunden zu erinnern; mir brannte immer noch ein ganz bestimmtes Bild im Hirn.
Das Schluchzen, was ich die ganze Zeit unterdrückt hatte, bahnte sich seinen Weg nach draussen und zum zweiten Mal fing ich an, wegen ihr zu weinen.
Ich saß auf einem dieser weißen Plastikstühle, in einem von diesen weißen Wartebereichen von diesem riesigen weißen Krankenhaus, hatte den Kopf in die Hände fallen gelassen und die Tränen rollten mir über das Gesicht. Seit gefühlten Stunden wartete ich hier, dass Fabio und Jo endlich wiederkommen und mir sagen würden, dass Rose noch am Leben sei. Ich saß hier und redete mir ein, dass es meine Schuld sein musste, ich hätte sie nicht alleine lassen sollen.
Nachdem der Krankenwagen mit lautem Sirenengeheul losgefahren war, bin ich auf den Stufen der Veranda zusammengebrochen und musste versuchen mich unter Kontrolle zu bringen. Ich zitterte am ganzen Körper, konnte immer noch nicht glauben, dass das alles wirklich passierte. Ich wünschte ich könnte sagen, dass ich sofort zum Krankenhaus gefahren wäre und mich seit dem kein Meter wegbewegt hätte, doch es war nicht so.
Sobald ich wieder halbwegs normal stehen konnte, bin ich nach oben ins Bad gewankt und habe eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Alles was mir in den Weg kam landete auf dem Boden, hab Bilder von der Wand gerissen und immer wieder die Fäuste geballt und geschrieen.
Mit blutverschmierten Händen, zitternd und mit verlorener Fassung hatte Brad mich irgendwann in meinem zertrümmerten Bad liegend gefunden. Zusammengerollt wie eine Kugel, um mich vor dem Schmerz zu schützen, der seit Stunden in mich eindringen wollte und gegen den ich einen erbitterten Kampf führte, doch schließlich verlor. Irgendwie hatte Brad es geschafft aus mir zumindest soviel herauszubekommen, dass er wusste, dass er sich die Autoschlüssel schnappen und sofort zum Krankenhaus fahren musste.
Bei unserer Ankunft sagte man uns, dass Jo schon angerufen wurde und im Moment mit einem der zuständigen Ärzte sprechen würde und dass wir uns in den Wartebereich setzten müssten, da wir nicht zur nächsten Familie gehörten. Nach knappen drei Stunden ist Brad aufgestanden, um uns einen von diesen scheußlichen Krankenhauskaffees zu holen.
Als ich seine Hand jetzt auf meiner Schulter spürte, zuckte ich heftig zusammen und schlug ihm fast die beiden Becher aus der Hand.
"Sorry, man", murmelte er und drückte mir ein Getränk in die zitternde Rechte und setzte sich mit dem anderen wieder neben mich. Ich spürte, dass er mich beobachtete, die Tränenspuren auf meinem Gesicht sah, doch es war mir egal. Alles was für mich zählte, lag zwei Stockwerke über mir auf einem Operationstisch und kämpfte um ihr Leben.
Benebelt registrierte ich, dass ein Telefon klingelte. Brad griff in seine Hosentasche und hielt mir sein Handy hin. "Es ist Alex," stellte er überflüssiger weise fest, da ich ihren Namen auf dem Display lesen konnte.
Ich zuckte die Achseln, wie ich es die letzte Stunde immer getan hatte, wenn einer von den anderen versucht hatten mich oder Brad zu erreichen. Ich wollte nicht mit ihnen reden. In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken; wenn Laura mich nicht eiskalt rausgeworfen hätte, dann wäre ich auch nicht früher nach Hause gefahren, hätte nicht mit einer Waffe auf Rose gezielt, hätte sie nicht geküsste. Wahrscheinlich hätte ich gar nicht bemerkt, dass sie da gewesen wäre, weil sie nicht versucht hätte, sich die Pulsadern mit einem zerbrochenen Weinglas aufzuschneiden und einfach irgendwann wieder gegangen wäre.
"Scheiße. Nick, verdammt!" Brad sprang von seinem Stuhl auf und zog hastig ein paar Papiertaschentücher aus seiner Tasche. Ich blickte verwirrt zu ihm hoch, dann spürte auch ich den heißen Kaffee über meine Hand laufen.
DU LIEST GERADE
Broken Passion
RomanceRose' Leben war nicht perfekt, doch sie hatte alles, was sie wollte. Einen Vater, den sie über alles liebte. Freunde, die immer zu ihr standen und eine Leidenschaft, die sie mit Leib und Seele auslebte...