Kapitel 2: Nur der Anfang

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In der darauffolgenden Nacht träume ich von leuchtend grünen Augen und tiefen, rauen Stimmen, wobei ich auch die Woche nach meinem ersten Schultag feststellen muss, dass Nate mich immer noch wie Luft behandelt, obwohl wir in Chemie Laborpartner sind. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, aber es kommt mir manchmal tatsächlich so vor, als würde er mich für etwas Minderwertiges halten und deswegen kein Wort mit mir verlieren, während er anscheinend Kimberly sehr viel mehr zu sagen haben scheint. Eigentlich sollte es mich schon längst nicht mehr kümmern, kaum wahrgenommen zu werden, da ich es schon seit etlichen Jahren gewohnt bin, immer nur das Mädchen neben Kimberly und Matt zu sein, um beide besser aussehen zu lassen. Es ist wirklich unfassbar, wie viele Jungen am Tag mit mir reden, um Informationen über meine beste Freundin herauszubekommen, wie zum Beispiel, wohin sie am Liebsten essen geht oder welche Blumen sie am liebsten hat und im Gegensatz dazu, wie viele tatsächlich etwas über mich wissen wollen. Richtig null. Genau das gleiche gilt auch für die vielen Mädchen, die mich oft belagern um quasi dieselben Dinge über meinen besten Freund zu erfahren, aber immer noch nicht meinen eigenen Namen kennen.

„Kannst du nicht aufpassen?", ertönt plötzlich ein Brüllen, als ich mit jemandem zusammenstoße und vor Schmerz aufschreien muss, da sich die kochend heiße, braune Flüssigkeit aus dem Kaffeebecher der Person jetzt über meine hübsche violette Bluse ausbreitet. Ich sehe hoch in diese wunderschönen, aber vor Wut verzerrten, grünen Augen.

„Tut mir Leid", piepse ich ganz leise und versuche dabei die Bluse so gut wie möglich von meiner verbrannten Haut wegzuziehen.

„Sollte es besser auch.", knurrt Nate genervt und rauscht rücksichtslos an mir vorbei.

Tränen steigen mir in die Augen und gerade als ich mich abwenden möchte, um nicht vor allen loszuheulen, hält mich jemand am Ellenbogen fest. Ich drehe mich um und sehe auf zu dem hochgewachsenen Jungen mit seinen ozeanblauen Augen, seinem dunkelblondem Haar, seinen vollen geschwungenen Lippen und den muskulösen Oberarmen.

„Ist alles okay?", fragt er freundlich und das ist es, das mich auf unerklärlicher Weise endgültig zum Weinen bringt.

„Ja.", schluchze ich und spüre die heißen Tränen an meiner Wange herunterlaufen.

„Hey .. ist ja gut.", tröstet er mich,"Was ist das?", fragt er nach kurzem Zögern und berührt die Mitte des großen, braunen Flecks.

Ich quieke auf vor Schmerz, da er, obwohl nur ganz leicht, meine verbrannte Haut berührt.

„Ist das heißer Kaffee?", donnert er und wirft einen bösen Blick über seine Schulter in die Richtung, in die Nate mit seinem Mädchen-Fan-Club verschwunden ist.

„Komm mit.", meint er kurz-angebunden und zieht mich den Gang entlang, bevor er vor den Spinden halt macht, ein Knäuel aus undefinierbarem Etwas zum Vorschein bringt, wieder zusperrt und mit mir dann bis vor die Mädchen Toilette geht.

„Was..?", setze ich an, aber er drückt mir nur das Bündel in die Hand und sagt freundlich:

„Zieh diese Bluse aus, kühl deine Haut mit kaltem Wasser und nimm dir eines meiner T-Shirts."

Mit großen Augen starre ich ihn an, unfähig etwas zu sagen.

„Na mach schon.", sagt er ungeduldig und schiebt mich mit leichter Gewalt durch die Tür.

Ich tue wie mir geheißen und komme nach einigen Minuten wieder aus dem Mädchenklo, das viel zu große Shirt über meiner knielangen, kakifarbenen Shorts gezogen. Der blonde Junge empfängt mich mit einem Lächeln und nimmt mir seine weiteren T-Shirts ab.

„Naja ... vielleicht wächst du ja noch ein bisschen, dann sieht es nicht ganz so schlimm aus.", lacht er und ich werfe ihm einen vernichtenden Blick zu.

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