Kapitel 9: Maskenball

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"Ich habe das hier ganz vergessen.", murmelt, als er wiederkommt und klatscht das Buch grob auf den Tisch, "Hab ich noch aus der Bibliothek mitgebracht, weil Madam hier ja auch rausgeschmissen werden musste."

"Hey! Du weißt, ich hab das nicht mit Absicht gemacht.", verteidige ich mich, aber er lacht bloß.

Stirnrunzelnd sehe ich auf den Buchdeckel. In orangenen Lettern steht dort: "Shakespeare für Dummies".

Ich sehe verwirrt zu Nate auf, der jetzt sagt, wobei ich höre, wie er bemüht sich das Lachen zu verkneifen:

"Ich musste dabei irgendwie an dich denken."

"Kein Wunder.", gebe ich lächelnd zurück, "Vermutlich hätte ich dir auch geraten, es dir zu besorgen, da du leider für anspruchsvollere Bücher nicht intelligent genug bist."

"Autsch!", meint er theatralisch und fasst sich verletzt ans Herz, "Wie kannst du mir nur immer so kaltherzig mein Herz brechen?"

Ich muss lachen. Laut lachen. So, wie ich in Zeiten nicht mehr gelacht habe. Es ist als würde alle Anspannung, aller Stress auf einmal von mir abfallen, bis ich nach gut zehn Sekunden, ganz plötzlich wieder realisiere, dass es Nate ist, der da neben mir sitzt und mich zum Lachen bringt. 

Ich verstumme augenblicklich und sehe ihn groß an. Seit wann kann der Junge, der mir einst brühend heißen Kaffee übergeschüttet hat, Witze reißen und gar ... nett sein?

"Alles okay?", fragt Nate besorgt und mustert mich.

Ich schürze die Lippen und nicke bloß kurz.

"Lass uns weitermachen.", sage ich kurz angebunden und blicke auf meine Notizen und die vorgefertigten Karteikarten.


"Und ehm ... damit ... ehm ja ... erklärt sich Hamlet's Geschichte, ehm, theoretisch wie von selbst.", endet Nate und sieht mich fragen an.

"Das war schon mal besser", beginne ich und er stöhnt abermals.

"Besser",wiederholt er ungläubig, "Jennifer, ich hab dir diesen einen Punkt jetzt schon über fünf Mal runtergerattert!"

"Ich weiß und es wird jedes Mal besser, aber pass wirklich auf, dass du nicht jedes Mal, wenn du auf deine Karteikarte schaust dabei ein langangehaltenes 'Ehm' rausbringst. Das wirkt einfach nicht professionell nach Außen hin. Mach lieber eine kleine Atempause, wenn du nicht weißt, was du sagen sollst, OK?", erkläre ich ihm und er verdreht die Augen.

Ich blicke auf die Uhr auf meinem Schreibtisch. Kurz nach Acht.

"Wie konnte die Zeit nur so schnell vergehen?", wundere ich mich und richte dann wieder meinen Blick auf Nate. 

Jedes Mal, wenn ich ihn ansehe, muss ich mich dazu zwingen ihm nicht in die Augen zu sehen, da ich sonst wieder mal Gefahr laufe, mich Ihnen zu verlieren. Was wirklich eine immense Selbstbeherrschung verlangt, neben bei bemerkt.

"Hamlet studierte erst in London und-" - "Nein!", unterbreche ich ihn in einem langen Seufzer.

"Was ist jetzt?", knurrt er, aber ich beachte ihn nicht sondern durchwühle ich die vielen fliegenden Blätter und Notizen auf meinem Schreibtisch.

"Ich ... bin ... mir ... ziemlich", murmle ich abwesend, "sicher, dass ... er ... in ... Wittenberg ..."

Durch meine Tollpatschigkeit stoße ich mit meiner Hand aus Versehen gegen den ordentlichen Bücherstapel, der prompt ins Wanken gerät und ich wie in Zeitlupe die Bücher immer tiefer und tiefer fallen sehe. Ich stöhne auf und gehe in die Hocke, um die Bücher wieder aufzuheben.

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